Am Dienstag hat die NATO wieder Luftangriffe auf Libyens Hauptstadt Tripolis geflogen. Meldungen des libyschen Staatsfernsehens zufolge haben NATO-Kampfflugzeuge zwei Regierungsgebäude bombardiert, die sich in der Nähe der Residenz vom libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi im Militärkomplex Bab al-Azizia befinden. Zudem haben sich Gaddafis Truppen im Grenzgebiet Wazin-Dehiba zwischen Libyen und Tunesien weiterhin Gefechte mit den Aufständischen geliefert.
Laut einem tunesischen Sicherheitsvertreter ist Libyens Ölminister Shokri Ghanem bereits nach Tunesien geflohen. Diese Nachricht wurde noch nicht von der libyschen Regierung bestätigt. Shokri Ghanem gehört zu den ursprünglichen Mitgliedern der Gaddafi-Regierung. Von 2003 bis 2006 fungierte er noch als Ministerpräsident des Staats. In der Liste des US-Finanzministeriums über Sanktionen gegen libysche Regierungsvertreter taucht auch Shokri Ghanems Name auf. Einen Tag vor seiner Flucht sagte ein NATO-Sprecher, die NATO habe ihre psychische Offensive gegen Gaddafis Truppen intensiviert und wolle sie durch verschiedene Mittel überreden, ihre Waffen niederzulegen.
Es scheint, dass die Maßnahmen der NATO bereits erste Erfolge zeigen. So sind bereits mehrere hochrangige libysche Regierungsvertreter in westliche Staaten geflohen oder auf die Seite der Aufständischen übergelaufen. Analytiker vertreten die Ansicht, die Flucht von Shokri Ghanem sei möglicherweise eng verbunden mit dem Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofs (ICC) gegen Libyens Staatschef Gaddafi. Der ICC hatte Muammar al-Gaddafi, dessen Sohn Saif al-Gaddafi sowie den Chef von Libyens Nachrichtendienst bereits am 16. Mai Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Dies übt auf die Vertreter der Gaddafi-Regierung enormen Druck aus. Je größer der Druck, desto passiver ist die Lage von Muammar al-Gaddafi. Solche Regierungsvertreter sind über ihr eigenes Schicksal besorgt und müssen sich von der Gaddafi-Regierung trennen. Die NATO rechnet mit weiteren Auswirkungen der Flucht von Shokri Ghanem.