Das Buch "Novissima sinica (Das Neueste von China)", der sechste Band der vierten Reihe der historisch-kritischen Ausgabe sämtlicher Schriften und Briefe von Leibniz, wurde am 18. Dezember im Chinesischen Kulturzentrum in Berlin dem Publikum vorgestellt. In seiner Begrüßungsrede sprach der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder auch über die deutsch-chinesischen Beziehungen. Er forderte dabei den Ausbau des Austausches zwischen Deutschland und China, gegenseitigen Respekt sowie die Förderung der gemeinsamen Entwicklung der Menschheit.
Die auf acht Bände angelegte Ausgabe wurde gemeinsam von der Göttinger Akademie der Wissenschaften und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ausgearbeitet. Der vorgestellte Band liefert viele bisher unbekannte Informationen über die Verbreitung des Christentums, die Sitten und Bräuche der Chinesen oder über die Moral der Herrscher im alten China.
Mehr als 50.000 Abhandlungen, Briefe und Exzerpte auf rund 200.000 Notizblättern umfasst der Nachlass des deutschen Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Als Mitbegründer der neuzeitlichen Philosophie Deutschlands beschäftigte sich Leibniz auch intensiv mit der chinesischen Kultur und dem Konfuzianismus. Gerechtigkeit, eine globale Perspektive, die Universalharmonie und die Einheit in der Vielheit sind Leitprinzipien des politischen Denkens von Leibniz. Für Gerhard Schröder ist das Gedankengut von Leibniz auch heute noch aktuell:
"Es ist im höchsten Maße erstaunlich, dass dieses einmalige frühneuzeitliche Dokument mit dem Namen 'Das Neueste von China'" bis heute nichts an Aktualität verloren hat. Der große Universalgelehrte, der stets in globalen Zusammenhängen zu denken pflegte, strebte eine enge Kooperation zwischen Europa einerseits und China andererseits an, und dies, wie er es nannte, zum Wohl der gesamten Menschheit. Er ahnte, dass die Entdeckung Chinas als Hochkultur des Fernostens dem Westen große Perspektiven eröffnete. Und das es den politisch Verantwortlichen - wenn sie denn diese Verantwortung ernst nehmen – auch heute noch viel zu sagen hat."
Schröder gab sich überzeugt, dass die Forderung von Leibniz, fremde Kulturen zu respektieren und ohne Vorurteile zu begegnen sowie den Wissens- und Kulturaustausch zwischen China und dem Westen zu fördern, genau der richtige Ansatz für die heutige Politik ist. Seiner Meinung nach können in der heutigen Zeit der Globalisierung wichtige Fragen wie der Umweltschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder auch die diversen militärischen Konflikte nur gemeinsam gelöst werden:
"Für mich ist schon lange klar, dass wir China zur Bewältigung der großen internationalen Herausforderungen brauchen. Gerade Deutschland muss für die enge Einbindung Chinas in die Weltordnung werben und arbeiten. Alle, die China kennen, wissen, dass wir dieses Ziel nicht durch öffentliche Anklage Chinas, sondern nur durch Respekt und vertrauensvolle Zusammenarbeit erreichen werden."
Die strategische Partnerschaft zwischen Deutschland und China bedeute, so Schröder weiter, dass man die Zusammenarbeit in allen Bereichen von der Politik über die Wirtschaft bis hin zur Kultur ausbaue. Gleichzeitig wies er auf die Wichtigkeit von Gleichberechtigung und Fairness in der deutschen Außenpolitik mit China hin:
"Vor diesem Hintergrund tun wir gut daran, jedem Staat auf dem Weg hin zur Rechtstaatlichkeit und Demokratie partnerschaftlich zu helfen, aber zugleich auch seine historischen, geopolitischen und kulturellen Besonderheiten zu berücksichtigen. In meiner Politik gegenüber China habe ich daher auf ritualisierte, symbolhafte und nur für die deutsche Öffentlichkeit gedachte Aktivitäten verzichtet. Solche Rituale sind eben kein Ersatz für eine vernünftige Politik. Das führt zu doppeltem Standard in der Außenpolitik, die dadurch ihre innere Ausgewogenheit verliert. Wir müssen China also als einen Partner auf Augenhöhe betrachten und einen vertrauensvollen und fairen Dialog mit dem Land führen."
In seiner Rede würdigte der ehemalige deutsche Bundeskanzler auch die großen Erfolge, welche die chinesische Regierung seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik erzielt hat:
"Heute vor genau 30 Jahren legte China mit weitreichenden Reformen den Grundstein für den spektakulären wirtschaftlichen Aufstieg des Landes. Seitdem ist die Volksrepublik vom rückständigen Entwicklungsland zur viertgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen."
Am Ende seiner Ansprache nahm der ehemalige deutsche Bundeskanzler auch zur gegenwärtigen Wirtschaftskrise Stellung. Für die Maßnahmen der chinesischen Regierung und die Rolle Chinas bei der Bekämpfung der globalen Finanzkrise hat Schröder nur positive Worte:
"China leistet mit seinem Impulsprogramm einen riesigen Beitrag nicht nur zur Stabilisierung des chinesischen Marktes, sondern auch zur Stabilisierung der Weltwirtschaft. Indem China darauf verzichtet hat, den USA durch Verkauf bestimmter Anlagen zu schaden, hat es ein enormes Verantwortungsbewusstsein bewiesen. Auch sein Konjunkturprogramm zeigt, dass es erkannt hat, dass zum Beispiel die deutsche Exportwirtschaft sehr stark von der Stabilität des chinesischen Marktes abhängt. Von daher denke ich, hat China in letzter Zeit großes Verantwortungsbewusstsein beim Bekämpfen der Krise bewiesen. Das sollte nicht vergessen werden."
Text: Yan Wei