Schriftliches Interview mit Professor Hilgenfeld aus Lübeck

2020-01-25 22:19:49

„Vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Arbeit. Ich möchte betonen, dass die Substanzen, die ich gerne gegen das neue Coronavirus getestet haben möchte, experimentellen Charakter haben und noch keine Medikamente sind. Wir wissen, dass sie gegen SARS- und MERS-Coronavirus sehr aktiv in Zellkultur sind und dass sie in Mäusen nicht toxisch sind und gut vertragen werden. Bevor die Substanzen am Menschen angewandt werden können, müssen noch viele Untersuchungen durchgeführt werden.“


Ihre Fragen beantworte ich weiter unten.

Kong: Momentan wird in China das traditionelle Frühlingsfest gefeiert und alle Chinesen wollen ihre Verwandten sehen. Sie befassen sich seit vielen Jahren mit Coronaviren. Was sollten die Menschen in China jetzt am besten machen?

Hilgenfeld: Am besten ist es tatsächlich, zu Hause zu bleiben und große Menschenansammlungen zu meiden. Außerhalb von Wuhan kann man sich sicherlich mit Mundschutz frei bewegen, in Wuhan würde ich zu Hause bleiben. Die SARS-Epidemie konnte im Jahr 2003 durch konsequente Isolation von Verdachtsfällen innerhalb von 6 Monaten eingedämmt werden. Über andere Mittel verfügt man heute auch nicht.

Kong: Wie lange wird diese Epidemie Ihrer Meinung nach anhalten?

Hilgenfeld:Die Coronaviren sind selbst-limitierend. Das bedeutet, dass nach einer gewissen Zeit so viele Menschen Antikörper gegen diese Viren entwickelt haben werden, dass sie sich nicht weiter verbreiten können und sich der Ausbruch "totläuft". Aus diesem Grund und wegen der konsequenten Isolierungsmaßnahmen der chinesischen Behörden war SARS in 6 Monaten vorbei.

Kong: Hängt diese Epidemie wirklich damit zusammen, dass Wildtiere wie Fledermaus oder Schlange gegessen wurden?

Hilgenfeld: Wir wissen seit den Arbeiten von Prof. Zhengli Shi vom Wuhan Institute of Virology in 2013 - 2015, dass bestimmte Fledermausarten in China Coronaviren beherbergen, die nicht nur ähnlich zum SARS-Virus sind, sondern auch an den gleichen Rezeptor auf menschlichen Zellen (ACE2) binden können. Die Ursprünge des Ausbruchs lassen sich auf den Fischmarkt in Wuhan zurückführen, wo offenbar auch andere Tiere, vielleicht auch Fledermäuse, verkauft wurden. Es kann aber sein, dass es eine Zwischenüberträgerspezies zwischen den Fledermäusen und dem Menschen gab, so ähnlich wie bei SARS damals die Ringschwanzkatze (civet cat). Das ist noch nicht klar.

Kong: Was möchten Sie den Menschen in China mit auf den Weg geben, um ihnen die Panik ein wenig zu nehmen?

Hilgenfeld: Wenn Sie größere Menschenansammlungen nicht vermeiden können, tragen Sie Mundschutz. Wenn Sie in Wuhan wohnen, bleiben Sie über das Neujahrsfest zu Hause. In wenigen Wochen, höchstens Monaten, wird alles vorbei sein.

- Rolf Hilgenfeld -

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