Die Ming-Dynastie
Die Ming-Dynastie war eine der langlebigen Dynastien der chinesischen
Geschichte. Vom Jahr 1368, als Zhu Yuanzhuang den
Thron erklommen und die Ming-Dynastie begründet hatte, bis zu
deren Sturz im Jahr 1644 regierten 16 Kaiser aus zwölf
Generationen für 276 Jahre.
Begründung und Stärkung
der Ming-Dynastie
Im Jahr 1368 bestieg
Zhu Yuanzhuang als Kaiser Taizu (Reg. 1368-1398) den
Thron und begründete die Ming-Dynastie (1368-1644).
Er machte Nanjing zur Hauptstadt und bezeichnete seine
Regierungszeit als Hongwu, so ist er auch als Kaiser
Hongwu bekannt. Nach der Eroberung der Hauptstadt der
Yuan-Dynastie vereinigte er mit der Zeit das ganze
Land.
Zur Stärkung seiner
Herrschaft ergriff Zhu Yuanzhuang zahlreiche
politische Maßnahmen. Er organisierte die Bürokratie
um und richtete sechs Ministerien, viele Ämter, fünf
Militärkommandanturen sowie einen Geheimdienst ein.
Strenge Bestrafung und die wahllose Ausrottung von Gegnern dienten zur Stärkung
seiner Herrschaft. So wurden in mehreren Kampagnen
einige zehntausend Menschen getötet. Um die
Herrschaft über das ganze Land durch seine Familie zu
garantieren, ernannte Zhu Yuanzhuang von 1369 bis 1391
seine 24 Söhne und einen Enkel zu Herren über 25
Lehen, die über das ganze Land verstreut waren. Darüber
hinaus wurde eine riesige Armee aufgebaut, und die
oberste militärische Gewalt lag in den Händen des
Kaisers.
Nach seinem Tode im Jahr 1398 folgte ihm sein erster Enkel als Kaiser
Jianwen auf den Thron. Der neue Kaiser befahl, die
militärische
Macht der Fürsten zu vermindern. Doch Zhu Di, zu
jener Zeit Fürst Yan im Gebiet um Beijing, der der
vierte Sohn von Zhu Yuanzhuang war, stand dagegen auf,
eroberte Nanjing und bestieg unter dem Kaisertitel
Chengzu (Reg. 1403-1424) den Thron. Er benannte die
Regierungszeit in Yongle um und wurde daher als Kaiser
Yongle bekannt. Nach seiner Thronbesteigung verlegte
Kaiser Chengzu die Hauptstadt von Nanjing nach
Beijing, und 1421 wurde Beijing offiziell zur
Reichshauptstadt
erklärt.
Unter Kaiser Chengzu wurde die Herrschaft weiterhin verstärkt und die Wirtschaft weiter entwickelt. Die
Ming-Dynastie erlebte in der ersten Zeit von 1368 bis
1435 ihre strahlendste Epoche von insgesamt 67 Jahren,
auch wenn es weiterhin Bauernaufstände gab und
japanische Piraten Überfälle auf chinesische Küstensiedlungen
unternahmen.
Die Entwicklung der Volkswirtschaft und der Keim des Kapitalismus
Als Folge der Bauernaufstände
gegen Ende der Yuan-Dynastie traf die Ming-Dynastie in
den ersten Jahren Maßnahmen zur Verminderung der
Klassenwidersprüche. So konnte sich die Wirtschaft
einigermaßen entwickeln. Bis zur Mitte der
Ming-Dynastie übertraf das Produktionsniveau von
Landwirtschaft und Handwerk bereits die vorangegangene
Dynastie. So erweiterte sich beispielsweise nicht nur
die kultivierte Ackerfläche beträchtlich, auch die
Getreideerträge steigerten sich, insbesondere bei den
Wasserreis-Kulturen. Von Ochsen-, Menschen- oder
Windkraft getriebene Bewässerungsanlagen für die
Landwirtschaft wurden entwickelt. Der Baumwollanbau
wurde bis zu den
Einzugsgebieten des Huanghe ausgedehnt, und Leinen
wurde durch Baumwolle als Rohmaterial für die Tuchproduktion ersetzt. Die
Seidenraupenzucht war weit im Land verbreitet. Auch
der Tabakanbau wurde eingeführt.
Bergbau und Handwerk erfuhren eine Weiterentwicklung. Fast überall im Land waren private Eisen-Verhüttungen
zu finden, und die Verhüttungstechnik machte
Fortschritte. Die in der Regierungszeit Yongle
gegossene Bronzeglocke im Juesheng-Tempel in Beijing,
der heute auch als Große-Glocken-Tempel bekannt ist,
ist ein Meisterwerk aus dieser Zeit. Sie hat eine Höhe
von 7 Metern, einen äußeren Durchmesser an ihrer Öffnung
von 3,3 Metern und wiegt 43 500 Kilo. An ihrer Innen-
und Außenseite sind buddhistische Schriften mit mehr
als 200 000 chinesischen Schriftzeichen eingeprägt.
Auch die Seiden- und die Textilindustrie, die Porzellan- und
Papierherstellung sowie der Schiffbau entwickelten
sich. Suzhou, Hangzhou, Jiaxing und Huzhou waren die
Zentren des Seiden- und Textilgewerbes, und
maschinelle Webstühle ersetzten die von Hand betriebenen. Brennöfen
von beträchtlicher Größe wurden in der
Porzellanherstellung verwendet, und die Technik der
Brennerei wurde entscheidend verbessert. Zu jener Zeit
war das feine Porzellan aus Jingdezhen schon
Markenartikel, und in Jingdezhen allein gab es 58
amtliche Brennöfen und mehr als 900 private Brennöfen.
Mit der Entwicklung von Landwirtschaft und Handwerk blühte auch der Handel immer mehr auf. Es gab im
ganzen Land mehr als 30 bekannte Handelsstädte, die
Zentren für Textilien, Nahrungsmittel, Tee und Buchdruck
waren. An den Küsten entstanden zahlreiche Hafenstädte
für den Seehandel.
Vor der Ming-Dynastie wurde zwar Silber schon als Tauschmittel
gebraucht, aber es waren noch die Kupfermünzen,
die den Geldumlauf dominierten. Zu Beginn der
Ming-Dynastie begann man in einigen Gegenden Chinas,
Steuern in Silber statt in Getreide zu bezahlen. Von
da an wurde Silber immer populärer und schließlich
zum Hauptmitte] des Geldaustausches. Die Verwendung
von Silber als Geld verweist auf die
Zunahme der Tauschwaren und auf die Vergrößerung des
Marktes selbst.
Seit Mitte der Ming-Dynastie begannen sich in der Seiden- und
Baumwollindustrie Südostchinas
kapitalistische Produktionsverhältnisse
herauszubilden, nachdem zunächst die Entwicklung von
Landwirtschaft und Handwerk die Warenwirtschaft
hervorgebracht hatte. Allein in Suzhou gab es einige
tausend Textilwerkstätten, die eine große Menge von
Arbeitern beschäftigten. Die detaillierte
Arbeitsteilung ermöglichte eine hohe Produktivität.
Viele Arbeiter hatten sich fachliches Können
angeeignet, besaßen aber keine Webstühle. So blieb
ihnen nichts anderes übrig, als ihre Arbeitskraft zu
verkaufen. Diese Leute konnten nur so lange leben, als
sie Anstellung fanden, und sie verloren ihre Existenz,
wenn sie arbeitslos wurden. Sie waren abhängig. So
entstand ein kapitalistisches Verhältnis der
Lohnarbeit. Zu jener Zeit dominierte jedoch nach wie
vor die Naturalwirtschaft, in der Landwirtschaft und
Handwerk noch unmittelbar miteinander verbunden waren.
Die kapitalistischen Produktionsverhältnisse
entwickelten sich gerade im Keim, der noch sehr
schwach war.
Nationale Beziehungen
Nach der Vernichtung der mongolischen Yuan-Dynastie durch die Ming sahen
sich die mongolischen Adligen, die eine kleine
Minderheit bildeten, gezwungen, sich aufs mongolische
Steppenland zurückzuziehen,
während die meisten Mongolen aber in Zentralchina wie
in den heutigen Provinzen Hebei, Shanxi, Shaanxi,
Henan, Gansu und Yunnan blieben und dort genau wie die
Han die landwirtschaftliche Produktion betrieben.
Um eventuelle Überfälle von
Seiten der nördlichen Mongolei zu verhindern,
richtete die Ming-Regierung an der nördlichen Grenze
Grenzschutzstationen ein, und ab 1473 wurde eine mehr
als 800 km lange Mauer als Verteidigungsanlage
angelegt, und in späteren Jahren wurden weitere
Abschnitte der Mauer mit einer gesamten Länge von
mehr als 1000 km errichtet. Alle diese Bauwerke sind
bis heute erhalten - das ist die weltberühmte Große
Mauer der Ming-Zeit, heute eine touristische
Attraktion.
Die
wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der mongolischen
und der Han-Nationalität
sowie die Handelsbeziehungen zwischen den mongolischen
Gebieten und dem chinesischen Landesinnem wurden nie
unterbrochen und in der späteren Ming-Dynastie immer
reger.
Die
Ming-Regierung richtete in Tibet, damals Dbus-Gtsang
genannt, das Dbus-Gtsang-Garnisonskommando ein, dem
alle Militärämter
in diesem Gebiet unterstanden. Während der
Ming-Dynastie führte Tsong Khapa (1357-1419) in Tibet
eine religiöse Reform durch und begründete die Gelbe
Sekte des Buddhismus. Zwischen 1407 und 1414 wurde
eine Poststraße zwischen dem Landesinnem und Tibet eröffnet,
und die Verbindung zwischen Tibet und dem Landesinnem
wurde immer reger.
In
den Einzugsgebieten der Flüsse
Heilongjiang und Songhuajiang in Nordostchina lebten
in der Ming-Zeit hauptsächlich die Nüzhen, die die
Vorgänger der Mandschu waren. Im Jahr 1409 richtete
die Ming-Regierung das Nurkan-Garnisonskommando in
Telin ein, dort, wo der Heilongjiang ins Meer mündet.
Es verwaltete ein sehr weites Gebiet, das
wiederum in verschiedene Wehrbereiche eingeteilt
wurde, die dem Nurkan-Garnisonskommando unterstanden.
Im Gebiet Xinjiang in Nordwestchina lebten die
Uiguren und einige andere nationale Minderheiten. Auch
in diesem Gebiet richtete die Ming-Regierung acht
Wehrbereiche ein.
In den heutigen Provinzen Yunnan und Guizhou lebten zahlreiche nationale
Minderheiten wie die Miao, die Yao und die Yi, und die
Ming-Regierung setzte zuerst das während der
Yuan-Dynastie eingeführte System der Selbstverwaltung
fort, nach dem die Bezirke, Unterbezirke und Kreise
von Führern dieser ethnischen Minderheiten regiert
wurden. Später wurden solche Beamten direkt von der
Zentralregierung ernannt, abberufen und versetzt.
Die Ming-Regierung richtete wie ihre Vorgängerin
ein Inspektionsamt in Penghu ein, das die Jurisdiktion
über Taiwan und Penghu ausübte.
Korruption, Bauernaufstände
und der Fall der Ming-Dynastie
Von 1435 an ging es
mit der Ming-Dynastie in den folgenden 70 Jahren
bergab. In dieser Periode setzten die Kaiser ihr
Vertrauen in die Eunuchen, was eine politische
Instabilität zur Folge hatte. Die mongolischen Stämme
der Oirat und Tataren fielen oft in die Grenzgebiete
ein. Die Finanzkrise verschärfte sich. Bauernaufstände
erfassten immer weitere Teile des Landes.
Gegen Ende der Ming-Dynastie wurde die politische Korruption immer
schlimmer, als Eunuchen und Hofbeamte um mehr Macht
und Privilegien rangelten. Die Großen rissen desto mehr
Boden an sich, je chaotischer die Regierung wurde.
Unter dem Vorwand, Feldzüge in Nordostchina zu führen
und Soldaten auszubilden, um die Bauernaufstände zu
unterdrücken, griff die Regierung zu allen Mitteln,
dem Volk Geld abzupressen, und dazu kamen
Naturkatastrophen. Während der letzten 70 Jahre der
Ming-Dynastie kam es wiederholt zu Überschwemmungen,
Dürre, Hungersnot und Seuchen; fruchtbare Felder verödeten,
der Hungertod war überall. Die verarmten Bauern sahen
sich gezwungen, sich zu Aufständen zu erheben.
Im Jahr 1627 wurde Nord-Shaanxi von einer schweren Dürre heimgesucht, kein Körnchen
Getreide wurde geerntet. Die Regierung aber zwang die
Bauern immer noch, Abgaben zu zahlen. Als Tausende von
Bauern vor Hunger starben, kam es endlich zur Revolte,
die bei den Bauern in anderen Gebieten ein starkes
Echo fand. In Shaanxi und Ost-Gansu traten die Bauernführer
Gao Yingxiang, Li Zicheng (1606-1645) und Zhang
Xianzhong (1606-1646) hervor, die Dutzende von
Rebellengruppen kommandierten.
Im Jahr 1635 kamen 13 Rebellenführer,
die 72 Bataillone kommandierten, unter ihnen Li
Zicheng und Zhang Xianzhong, zu einer Beratung in
Xingyang, Provinz Henan, zusammen. Die Truppen unter
Li Zicheng kämpften in Shaanxi, Gansu, Sichuan, Hubei
und Henan, während Zhang Xianzhong und seine Scharen
in Hubei und Sichuan aktiv waren.
Li Zicheng stellte die Losung "Gleicher
Bodenbesitz und Nullsteuer" auf, unter der immer
mehr Bauern sich sammelten. Die Zahl der Aufständischen
wuchs schnell auf mehrere hunderttausend an. Im
Jahrl644 rückten die Truppen Li Zichengs auf Beijing,
die Reichshauptstadt der Ming-Dynastie, vor und
trafen unterwegs auf keinen nennenswerten Widerstand.
Innerhalb von einem Monat erreichten sie die
Hauptstadt. Die Ming-Armee, welche die Hauptstadt
verteidigen sollte, streckte nach und nach die Waffen.
Für den Ming-Kaiser gab es keinen Ort mehr, wohin er
sich wenden konnte, und auf dem „Kohlenberg"
(heute Jingshan-Hügel) hinter dem Kaiserpalast erhängte
er sich. Die große Armee unter Li Zicheng zog in
Beijing ein, die Ming-Dynastie fand ihr Ende.
Aufstieg der Mandschu
Vorläufer der Mandschu
waren die Nüzhen. Der Nüzhen-Stamm Wanyan zog zum
Tal des Huanghe und gründete das Königreich Jin.
Nach dem Verfall des Königreiches Jin lebten die
verschiedenen Stamme der Nüzhen zuerst unter der
Jurisdiktion der Yuan- und dann der Ming-Dynastie.
Während der Frühzeit der
Ming-Dynastie lebten die Nüzhen in den
Einzugsgebieten der Flüsse Heilongjiang und
Songhuajiang in Nordostchina. Sie unterstanden dem
Nurkan-Garnisonskommando. In der Spätzeit der
Ming-Dynastie vereinigten sich alle verwandten Stämme
unter Führung ihres Fürsten
Nurhachi. Im Jahr 1616 ließ sich Nurhachi zum Großkhan
ausrufen und errichtete das Reich der Großen Jin, in
der Geschichte als die Spätere Jin bekannt. Die Spätere
Jin war also ein neben der Ming-Regierung unabhängiges
Lokalregime auf dem chinesischen Territorium.
Nach dem Tode von Nurhachi bestieg sein Sohn Huangtaiji
im Jahr 1636 den Thron. Er nannte sein Regime in die "Große Qing" um und nannte sich Kaiser Taizong.
Die Jianzhou-Gruppe der Nüzhen war von da an als
"Mandschu" bekannt. Nach und nach vereinigte
Huangtaiji alle Gebiete Nordostchinas. Die stärker
gewordene Armee der Großen Qing war nun bereit, in
die inneren Gebiete Chinas einzumarschieren und ganz
China zu vereinigen.