EU und China – 2020 war ein neuer Höhepunkt einer erfolgreichen Partnerschaft

2021-02-26 11:12:19

Dr. Michael Borchmann

Dr. Michael Borchmann

Die Beziehungen der VR China zur EU lassen sich mit Fug und Recht als eine großartige Erfolgsgeschichte bezeichnen. In aller Kürze: Nachdem die damalige EG 1975 offizielle Beziehungen zu China aufgenommen hatte, folgte 1978 ein erstes Handelsabkommen, das 1985 von einem Abkommen über die handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit abgelöst wurde. Das erste umfassende EU-Chinakonzept 1995 ist in den Folgejahren durch neue Strategiepapiere konzeptionell erweitert worden. Mit der 2013 unterzeichneten „EU-China 2020 strategische Kooperationsagenda“ ist ein Rahmen zur Zusammenarbeit in vielen Politikbereichen geschaffen worden. Gewissermaßen ein „Gesicht“ verleiht dieser Kooperation der jährliche EU-China-Gipfel auf höchstrangiger Ebene. Und unter diesem überspannenden „Dach“ hat sich zwischenzeitlich ein ganzes Netzwerk von Gesprächskreisen gebildet wie etwa der Hochrangige Handels- und Wirtschaftsdialog, der Hochrangige Strategische Dialog, der Hochrangige People-to-People Dialog (u.a. Bildung, Kultur, Jugend, Gleichstellung und Sport), der Hochrangige Digital Dialog, der Hochrangige Dialog Klima und Umwelt oder auch der Hochrangige Dialog Forschung und Innovation. Und, auch dies sollte Erwähnung finden: Es gibt eine eigene EU-Handelskammer in Beijing.

Hat man dieses dichte Netz der Zusammenarbeit vor Augen, so überrascht es nicht so sehr, dass aufgrund Mitte Februar veröffentlichter Zahlen des Statistischen Amtes der Europäischen Union, Eurostat, China im vergangenen Jahr erstmals die USA als wichtigster Handelspartner der EU überholt hat. Danach betrug das Handelsvolumen der EU mit der VR China 586 Milliarden Euro im Jahr 2020. Bei den USA waren es 555 Milliarden Euro. Trotz der Pandemie-Krise legte der EU-Handel mit China im vergangenen Jahr erneut zu. Eurostat zufolge stiegen die Exporte der EU um 2,2 Prozent auf 202,5 Milliarden Euro. Die Importe aus China erhöhten sich um 5,6 Prozent auf 383,5 Milliarden Euro. Demgegenüber fielen die EU-Exporte in die USA angesichts dieser Entwicklungen um 8,2 Prozent auf 353 Milliarden Euro. Die Importe aus den USA gingen gleichzeitig um 13,2 Prozent auf 202 Milliarden Euro zurück. Sicherlich spielten die durch die Pandemie gesetzten Rahmenbedingungen hierbei eine beachtliche Rolle. Chinas Wirtschaft hatte sich durch entschlossenes Handeln bei der Eindämmung der Ausbreitung des Virus deutlich schneller von der Corona-Krise erholt als die der USA, konnte als einzige der bedeutenden Wirtschaftsnationen ein Wachstum verzeichnen. Hinzu kommt, dass aufgrund der Pandemie der Bedarf an medizinischen und pharmazeutischen Produkten sowie Schutzausrüstungen aus China besonders hoch war. Aber der Wert der Bilanzzahlen der EU mit China wird noch deutlicher, wenn man einen Blick auf die Gesamtzahlen der EU-Handelsbilanz wirft und feststellt, welche tiefen Spuren die Pandemie dort hinterlassen hat. Insgesamt exportierten die 27 EU-Staaten im vergangenen Jahr Waren im Wert von 1,93 Billionen Euro ins Ausland. Dies war ein Rückgang von 9,4 Prozent gegenüber 2019. Die Einfuhren gingen um 11,6 Prozent auf 1,71 Billionen Euro zurück.

Foto von VCG

Foto von VCG

Am Rande: Natürlich profitierte auch Deutschland bzw. seine Exportwirtschaft in besonderem Maße von der raschen wirtschaftlichen Erholung in China. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes stieg der bilaterale Handel zwischen China und Deutschland im Jahr 2020 trotz der Auswirkungen der Pandemie gegenüber dem Vorjahr um 3% auf rund 212,1 Milliarden Euro. China ist zum fünften Mal in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner geworden. Die deutsche Nachrichtensendung „Tagesschau“ vermeldete hierzu im Januar: „Als ein Mitgrund für die starken Zahlen wird von Fachleuten der chinesische Markt genannt: ‚Vor allem die Exporte nach China boomen‘, stellt der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel, fest. Die Nachfrage nach deutschen Autos steige dort, während auch deutsche Maschinenbauer mit ihren Produkten gefragt seien. ‚Einmal mehr zeigt sich: Geht es China gut, profitiert Deutschland‘“.

Passend zu den erfreulichen Ergebnissen in Sachen Handelsbilanz fügte sich eine weitere aktuelle Meldung ein: Nach einer Mitteilung der UN-Organisation für Handel und Entwicklung (Unctad) in Genf vom vergangenen Januar hat China die USA als größter Empfänger von ausländischen Direktinvestitionen (FDI) abgelöst. Danach sanken die ausländischen Direktinvestitionen in den USA im vergangenen Jahr um 49 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ab. Dagegen stieg die Zahl in China um 4 Prozent auf 163 Milliarden US-Dollar.

Festzuhalten bleibt: 2020 hat nicht nur den Nachweis der Robustheit der chinesischen Wirtschaft auch unter schwierigen Rahmenbedingungen dokumentiert, sondern auch den hohen Stellenwert der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und China unterstrichen. Und dies wiederum fügt sich nahtlos in den Rahmen der sich kontinuierlich weiterentwickelnden Kooperation zwischen beiden Seiten ein. Hier gab es überhaupt im Jahre 2020 Besonderes zu vermelden: Etwa ein im September abgeschlossenes bilaterales Abkommen, mit dem jeweils 100 europäische und chinesische geografische Angaben geschützt werden. Vor allem aber zum Ende des Jahres der Abschluss des Investitionsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Volksrepublik China. Gerade dieses Abkommen wird dazu führen, die Wirtschaft beider Seiten noch enger und vertrauensvoller zusammenzubringen. Seine Bedeutung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es mag sein, dass bei einer Erholung der US-Wirtschaft mit einem Wachstum der Handelsbilanzzahlen mit der EU gerechnet werden kann. Wobei der Chef der amerikanischen Zentralbank allerdings erst dieser Tage verlauten ließ, dass die US-Wirtschaft von einer wirklichen Erholung noch weit entfernt sei. Wie dem auch sei: Das Jahr 2020 hat jedenfalls anschaulich die Bedeutung Chinas als wirtschaftlicher Stabilitätsanker für die EU gezeigt, die in den kommenden Jahren mit Sicherheit weiter steigen wird.

Dr. Michael Borchmann

Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), früherer Abteilungsleiter (Director General) Internationale Angelegenheiten

Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D.

Senior Adviser der CIIPA des Handelsministeriums der VR China

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