China – EU/Deutschland: Es braucht Respekt, Respekt und nochmals Respekt

2020-09-10 15:09:48

Einen besonders treffenden und auch wohltuenden Satz über das chinesisch-deutsche Verhältnis habe ich kürzlich in einer bilateralen Webkonferenz zu Wirtschaftsfragen zu hören bekommen. Und zwar von einem ausgesprochen profilierten und prominenten Vertreter der deutschen Wirtschaft: „Wir sollten akzeptieren, dass China und wir unterschiedliche Systeme haben und auf ‚Belehrungen‘ verzichten. Wir sollten statt dessen über unsere beiderseitigen Interessen verhandeln.“

Das ist ein Satz, der gerade in diesen Tagen in Europa und speziell in Deutschland des Nachdenkens und des Berücksichtigens wert sein sollte. Er postuliert nicht mehr und nicht weniger als einen „respektvollen“ Umgang miteinander. Bereits für Jugendliche formuliert eine hiesige Web-Schulplattform: „Respekt bedeutet dabei unter anderem Achtung, Höflichkeit, Fairness, Anerkennung, Autorität, Toleranz, Vorsicht und Prestige. Respektloses Verhalten dagegen kann mit den Begriffen Geringschätzung, Herablassung, Demütigung, Missachtung, Kränkung oder Misshandlung beschrieben werden. Respekt entfaltet seine Wirkung aber nicht nur im privaten Raum. Grundlagen einer funktionierenden Gesellschaft sind Gleichheit und Gerechtigkeit. Diese Ziele umzusetzen, ist nur durch respektvolles Verhalten aller Akteure untereinander möglich.“ Und ein solcher wechselseitiger Respekt sollte erst recht im Umgang von Staaten untereinander eine Grundforderung sein. Dass gerade auch die VR China dies in besonderem Maße namentlich von westlichen Staaten einfordern kann, belegt eine lange Geschichte von Aggressionen, Ausbeutungen und Demütigungen Chinas. Und dass insbesondere die USA in diesem Bereich Defizite haben, belegt ein Hinweis in dem Handbuch ‚Friedensethik‘, wonach der russische Staatspräsident Putin – sowohl öffentlich als auch in diplomatischen Gesprächen – wiederholt erklärt habe, das entscheidende Problem der amerikanisch-russischen Beziehungen sei der fehlende Respekt der amerikanischen Führung.

Der eingangs zitierte Satz schließt auch ein, dass dieser Respekt sich ebenfalls auf das Vorhandensein unterschiedlicher Partner bezieht und den Verzicht auf „schulmeisterliche Belehrungen“. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass sich in Europa und in Deutschland ebenso chinafeindliche Kreise zunehmend mit Schmähungen am politischen System Chinas, an der chinesischen Politik bemerkbar machen und leider auch bei manch einem Journalisten ein geneigtes Ohr finden. Solche „Belehrungen“ systemischer Art haben eine böse Geschichte, gehören zu dem Erbe der früheren Kolonialmächte. Zur ideologischen Untermauerung brachte beispielsweise die französische Kolonialpropaganda immer wieder das Argument vor, dass Frankreich der Vorkämpfer der europäischen Kultur sei und die Errungenschaften der Aufklärung und der französischen Revolution den unzivilisierten Völkern zu vermitteln habe. Traditionelle Organisationsstrukturen wurden ersetzt durch die Strukturen des Kolonisators – in der anmaßenden Annahme der Überlegenheit des eigenen Systems. So hatte vor allem Afrika darunter zu leiden, dass die jeweilige Kolonialmacht das eigene System hemmungslos der jeweiligen Kolonie aufzwang. Auch Deutschland ist von diesem „Besserwisser-Gen“ nicht freizusprechen. Mit dem von einem Dichter des 19. Jahrhunderts formulierten Satz „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ zog man in den 1. Weltkrieg, und selbst in jüngerer Zeit folgte man beispielsweise nach dem Reaktorunglück in Fukushima praktisch dieser Parole, als man nicht nur in Deutschland aus der Kernkraft ausstieg, sondern dies von dem Rest der Welt ebenfalls einforderte.

Was den Umgang des Westens speziell mit China angeht, hat die Sinologin Mechthild Leutner vor nicht allzu langer Zeit in einem Gastkommentar für eine deutsche Tageszeitung die Problematik unter dem Titel „Falsches Feindbild China - Als selbstbewusster Akteur scheint China für den Westen schwer akzeptabel zu sein“ beschrieben. Sie legt dar, dass die Saat des negativen Chinabildes in den Wurzeln der französischen Revolution liege. Hätten die Jesuiten zuvor noch ein wohlgeordnetes Land mit einer gebildeten Beamten-Gelehrtenschicht gezeichnet, so habe sich mit dem Sieg der Französischen Revolution 1789 und ihren Ideen von Gleichheit und Fortschritt die Wahrnehmung völlig geändert. China sei überheblich zum Land des Stillstands, rückständig und „halbzivilisiert“ herabgewürdigt worden, gewissermaßen zugleich als Legitimation für eine hemmungslosen Ausplünderung, die im Boxerkrieg 1900/01 und in der japanischen Aggression im Zweiten Weltkrieg traurige Höhepunkte erreicht hätten. Leutner legt dar, dass letztlich das negative Chinabild von interessierten Kreisen bis in die Jetztzeit weitergepflegt worden sei. Objektive Sinologen seien als sinophil abqualifiziert worden, ja, bereits in den 1990er Jahren hätten US-Thinktanks die außenpolitische Strategie entwickelt, im Falle eines weiteren Wachsens China über den Hebel der „Menschenrechtsfrage“ zu bekämpfen.

Als nunmehr Chinas Außenminister Wang Yi nach Europa reiste, nämlich nach Italien, in die Niederlande, nach Norwegen, Frankreich und Deutschland, sahen interessierte Kreise die Zeit zu schulmeisterlichen Belehrungen erneut gekommen. Irgendwie fühle ich mich hier an den französischen Begriff der Claqueure erinnert, Personen die bestellt wurden, um einem Theaterstück Beifall zu klatschen. Nur dass die Bestellung im vorliegenden Fall zur Vornahme von Missfallenskundgebungen erfolgte.

Und die Themen der Vorwürfe gegen China? Die Hongkong-Frage, obwohl bei näherem Betrachten der gesetzlichen Regelungen keine Zweifel bestehen, dass das Grundgesetz Hongkongs in keiner Weise verletzt ist. Das Thema Uiguren, obwohl die China attackierenden Berichte aus Quellen stammen, die bereits mit Falschinformationen den Irakkrieg legitimieren wollten. Und völkerrechtlich begründet wies Außenminister Wang darauf hin, dass dies Dinge seien, die als „innere Angelegenheiten“ alleine in die Souveränität Chinas fallen. Schließlich die Kritik an der Kritik Chinas an dem tschechischen Staatsbesuch in Taiwan, obwohl gerade die Bundesrepublik Deutschland in Zeiten der Teilung unter dem Etikett Hallstein-Doktrin jeden ausländischen offiziellen Besuch in der DDR mit Sanktionen belegte, ja, die dortige Regierung als „Spalter-Regime“ bezeichnete.

Die Europareise des chinesischen Außenministers diente dem Ziel, nach den Einschnitten durch Corona Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln. Dass dabei ein respektvoller Umgang miteinander im Mittelpunkt stehen solle, machte er wiederholt deutlich, etwa in einer Rede in Paris: „China und Europa sollen gemeinsam die Aufhetzung von Hass und Konfrontation bekämpfen.“ In Berlin unterstrich er, dass die Pandemie weiterhin international solidarisch bekämpft werden müsse, um die Weltökonomie wieder zu beleben. Ferner sollten die chinesisch-europäischen Beziehungen besonnener und reifer werden und auf ein höheres Niveau gebracht werden. Und schließlich solle der Multilateralismus gemeinsam umgesetzt und ein neuer „Kalter Krieg“ abgelehnt werden. Der deutsche Außenminister gab nach dem Gespräch mit Außenminister Wang Yi ebenfalls zu erkennen: „Es war mir wichtig zu vermitteln, dass wir uns in Europa ein gutes Verhältnis zu China wünschen – auf Augenhöhe und in gegenseitigem Respekt“, sagte er über das Gespräch. Auch in Sachen Klimaschutz gehe es nicht ohne China.

Ein gutes und konstruktives, von Respekt geprägtes partnerschaftliches Verhältnis zur VR China liegt in der guten Tradition deutscher Politik, und möge dies Verhältnis nicht getrübt werden durch diejenigen, die über China systematisch Unwahrheiten verbreiten, etwa über eine angebliche Expansionspolitik. Ihnen allen ist zu entgegen, was der vormalige deutsche Bundeskanzler anlässlich des 45jährigen Jubiläums der bilateralen diplomatischen Beziehungen geschrieben hat: „China wird häufig aggressive Politik unterstellt. Das ist nicht richtig. Wenn man Chinas traditionelle Politik in der Vergangenheit aber auch in der Gegenwart betrachtet, wird man feststellen, dass China seine nationalen Interessen vertritt und keine aggressive Außenpolitik betreibt. Die Außenpolitik wird von China sehr verantwortlich gemacht.“

Dr. Michael Borchmann

Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), früherer Abteilungsleiter (Director General) Internationale Angelegenheiten

Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D.

Senior Adviser der CIIPA des Handelsministeriums der VR China

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