Differenzen zwischen den USA und Europa vertiefen Kluft im transatlantischen Verhältnis

2020-07-02 20:15:18

 

Seit einiger Zeit werden die Unterschiede zwischen Europa und den USA immer deutlicher – und sie halten an. Laut Joseph Borrell Fontelles, ranghoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, müsse Europa sich bewusst werden, dass das amerikanisch-europäische Verhältnis selbst im Fall eines Wahlsieges von Joseph Biden nicht das sein werde, was es einst war. Wie der deutsche Bundesaußenminister Heiko Maas erklärte, glaubten manche, dass die Wahl eines Demokraten zum Präsidenten der Vereinigten Staaten die Beziehungen zwischen Europa und den USA wieder verbessern könne, was den laufenden „Strukturwandel" in den bilateralen Beziehungen ausblende. Auch andere Beobachter wiesen darauf hin, dass die transatlantische Partnerschaft in eine Phase der Neujustierung eingetreten sei.

Vergangene Woche hatte die US-Regierung den seit 16 Jahren andauernden Streit über Airbus-Subventionen zum Anlass genommen, die EU mit einer Ankündigung  von zusätzlichen Zöllen auf europäische Waren im Wert von 3,1 Milliarden Dollar herauszufordern. Angesichts einer neuen Runde von Zolldrohungen aus den USA betonte die EU mit Nachdruck, dass dieser US-Vorschlag äußerst destruktiv sei. Insbesondere angesichts der durch die aktuelle Epidemie hervorgerufenen Probleme für Unternehmen auf beiden Seiten würden zusätzliche Zölle die wirtschaftlichen Schwierigkeiten beider Seiten noch verschärfen.

Tatsächlich beeinträchtigt die unilaterale und protektionistische Position der aktuellen US-Regierung auch die Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA in den Bereichen Militär und Außenpolitik. Die Lösung der iranischen Nuklearfrage war schon immer ein wichtiges Anliegen der europäischen Länder. Die Vereinigten Staaten haben jedoch offensichtlich die Kernanliegen ihrer europäischen Verbündeten nicht berücksichtigt. Darüber hinaus nutzen die USA mit ihren Sanktionen gegen den Iran das Instrument der langarmigen Gerichtsbarkeit, um so Europa einzudämmen. Im Juni hatte US-Präsident Donald Trump angekündigt, die Zahl der in Deutschland stationierten US-Soldaten aufgrund des seiner Ansicht nach zu niedrigen deutschen Verteidigungshaushalts deutlich zu reduzieren. Damit arbeitet er weiter an der Umsetzung seiner West Point-Erklärung, wonach die Vereinigten Staaten „nicht länger als Weltpolizei dienen werden". Die deutsche Regierung reagierte heftig und erklärte, dass dies „nicht die Art ist, wie man Partner behandelt". Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, dass die US-Militärpräsenz in Deutschland nicht nur dem Schutz von NATO-Verbündeten diene, sondern auch US-Interessen diene. Die britische Zeitung „The Guardian“ zitierte Merkel mit den Worten: „Wir sind in dem sicheren Wissen aufgewachsen, dass die Vereinigten Staaten eine Weltmacht seien wollten. Sollten sich die USA nun aus freien Stücken aus dieser Rolle zurückziehen wollen, müssten wir sehr tief darüber nachdenken."

Es lässt sich ablesen, dass die bereits von latenten Spannungen und Rissen gezeichnete europäisch-amerikanische Allianz unter dem Einfluss der COVID-19-Epidemie allmählich auseinander bricht. Die öffentliche Meinung in Europa spiegelt dies deutlich wider: Die jüngste Umfrage des Europäischen Rates für Außenbeziehungen (ECFR) zeigt, dass die meisten Befragten in der EU zunehmend negative Ansichten über die Vereinigten Staaten äußerten. Gestützt auf diese Daten erklärten die Politikexperten Susi Dennison und Pawel Zerka, dass das Vertrauen in die USA „zusammengebrochen" und die Unterstützung für das transatlantische Bündnis „ausgehöhlt" worden sei.

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