Bürgerliches Gesetzbuch und Reformen – Chinas Kompatibilität wächst

2020-05-26 08:00:00

China geht den Weg der Reform und Öffnung weiter. Einen wichtigen Meilenstein markiert dabei der Entwurf eines Zivilgesetzbuches, über den die rund 2900 Delegierten auf der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses abstimmen werden. Das erste seit Gründung der Volksrepublik China überhaupt als „Buch“ titulierte Gesetz deckt mit seinen 1260 Paragraphen so viele Bereiche des Lebens der Bevölkerung ab, dass es mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch verglichen werden kann.

In sieben Kapiteln werden „Allgemeine Grundsätze“, „Vermögen“, „Verträge“, „Persönlichkeitsrechte“, „Ehe und Familie“, „Erbrecht“ und „Deliktshaftung“ behandelt. Das eigenständige Kapitel „Persönlichkeitsrechte“ beweist, dass die Würde, die Privatsphäre, Persönlichkeitsrechte und personenbezogene Daten ausdrücklich besser geschützt werden sollen. Das Buch ist auf der Höhe der Zeit, was die Auseinandersetzung mit elektronischen Verträgen oder die inhaltliche Erweiterung von Internet-Rechtsverletzungen zeigen.

In den vergangenen Jahrzehnten der Reform und Öffnung hat sich das chinesische Recht beeindruckend entwickelt. In dieses Bürgerliche Gesetzbuch flossen nicht nur die Ergebnisse der rechtswissenschaftlichen Forschung ein, sondern auch etliche Praxiserfahrungen.

Es wurden zudem mehr als eine Million Vorschläge von 420.000 Chinesen für das Werk ausgewertet. Das ist sinnvoll, da ja schließlich die Bürger im Fokus der Gesetzestexte stehen. Sie sind es, die geschützt werden sollen. Und dieses Zivilgesetzbuch wird den Rechtssicherheits-Bedürfnissen der Menschen im hohen Maße gerecht.

Lebens-, Volksnähe und Aktualität zeigen nicht nur die Paragrafen über den Schutz der persönlichen Informationen und den Schutz des virtuellen Eigentums im Internet, sondern auch die Passagen über das Verbot von Wucher und über den Umweltschutz. Ja, das „grüne Prinzip“, welches Staatspräsident Xi Jinping zur Chefsache erklärt hat, wird hier erstmals zivilrechtlich behandelt.

Mit dem mehr als 100.000 Wörtern starken Zivilgesetzbuch werden auch einige Interessen geschützt, die nicht zu Rechten erhoben wurden, wie persönliche Informationen und Meinung.

Wie in anderen Bereichen wendet China auch bei der Zivilgesetzgebung ein eigentlich einfaches Erfolgsrezept mit folgenden Zutaten an: Genaue Beobachtung, gesunder Menschenverstand, verschiedene Stimmen aus verschiedenen Bereichen, wissenschaftliche Expertise sowie Praxiserfahrungen und Ratschläge aus dem Volk.

Mit dem Zivilgesetzbuch wird China auch wieder ein Stück kompatibler zum Rest der Welt und damit natürlich auch noch interessanter für ausländische Investoren.

Der deutsche Duden beschreibt das, wahrscheinlich vielen Lesern aus dem Hard- und Softwarebereich geläufige, Adjektiv „kompatibel“ als „miteinander vereinbar, zusammenpassend“. Auf den deutschen Seiten von Wikipedia findet sich folgende Definition: „Erfüllt ein System die Anforderungen eines anderen (und geht eventuell darüber hinaus), wird es als mit letzterem kompatibel bezeichnet.“

Zu Chinas Bemühungen nach größtmöglicher Kompatibilität gehört auch, flexibel und aufgeschlossen gegenüber zukünftigen Entwicklungen zu sein. So wird dieses Zivilgesetzbuch auch nicht als abgeschlossenes Projekt betrachtet, sondern als Zwischenstand mit Spielraum für zukünftige Reformen und Entwicklungen. Erfolgreiche Systeme müssen eben schon heute über die Schnittstellen für die Erweiterungen von morgen verfügen.

Während in diesen herausfordernden Zeiten einige Andere zurückrudern, öffnet sich China dagegen weiter und schreitet voran. Und mit diesem bahnbrechenden Zivilgesetzbuch präsentiert sich China auch als glaubwürdiger Anwalt des Volkes und erhöht seine Kompatibilität.


Text: Nils Bergemann

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