Signal der Hoffnung für China und die Welt

2020-05-20 09:00:00

Es entspricht der langen Tradition, dass Anfang März jeden Jahres in der VR China ein besonderes Ereignis mit einer herausragenden politischen Wertigkeit ansteht: Die Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses (NVK), des ca. 3000 Mitglieder umfassenden Parlamentes der VR China, in der Großen Halle des Volkes in Beijing. Der NVK ist das höchste Organ der Staatsmacht, Wahlorgan und Gesetzgebungsorgan zugleich.

Aber im Jahre 2020 ist weltweit vieles anders. Die Gefahren des Coronavirus liegen als Pandemie wie ein dunkler Schatten über den Ländern der Welt, verbunden mit massiven gesundheitspolitischen Maßnahmen, Absperrungen, Schließungen, und nicht zuletzt mit substanziellen Einschränkungen für die wirtschaftliche Produktion. China war namentlich zu Beginn des Jahres Zentrum der Gesundheitskrise. Für Partei- und Staatsführung stand die entschiedene Bekämpfung der weiteren Ausbreitung des Virus‘ zum Schutze der Bevölkerung klar im Vordergrund. Und diese Arbeit war auf vielen Schultern von der Zentrale in Beijing aus, aber auch von den vielen lokalen und regionalen Funktionsträgern vor Ort zu tragen. Und unter den Abgeordneten im Nationalen Volkskongress sind viele, die an vorderster Front gegen die Coronavirus-Epidemie im ganzen Land kämpften. Da dies die oberste Priorität hatte, war es nur folgerichtig, dass man im Februar die Entscheidung traf, die 3. Konferenz (2020) des 13. NVK zu verlegen. Der Startschuss wird nunmehr der 21. Mai 2020 mit der Eröffnung der Politischen Konsultativkonferenz sein, der tags darauf am 22. Mai die Eröffnung des NVK-Plenums folgen wird.

Ein zentraler Punkt zu Beginn der Tagung ist regelmäßig der durch den Ministerpräsidenten abgegebene Rechenschaftsbericht, der zugleich die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Ziele Chinas für das laufende Jahr vorgibt. Und hier wird es so sein, dass ebenso wie die Wirtschaft weltweit auch für die chinesische Wirtschaft deutliche Einbußen aufgrund der Corona-Pandemie zu bilanzieren sein werden. Im ersten Quartal 2020 musste Chinas Wirtschaft eine Einbuße von 6,8 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hinnehmen. Den Stellenwert dieses Rückgangs kann man ermessen, wenn man sich verdeutlicht, dass dies der erste Rückgang überhaupt seit 1976 ist. Daher dürfte zu den wesentlichen Zielsetzungen der Regierung gehören, die durch den Lock Down stark beeinträchtigte Wirtschaft wieder neu zu beleben, dabei auch die coronabedingt angeschlagenen internationalen Lieferketten wieder in Schwung zu bringen. Hilfreich könnten hier ergänzend Maßnahmen zur Belebung der Binnennachfrage sein. Generell wird man zur Umsetzung des genannten Ziels geeignete Instrumente der Finanzpolitik, der Wirtschaftspolitik und der Beschäftigungspolitik einsetzen. Dies dient zugleich dem Vorhaben, bis Ende 2020 die Errichtung einer „Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand“ zu vollenden.

Natürlich ist es außerordentlich schwierig für die Regierungsseite, dem NVK detaillierte Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung 2020 vorzulegen. Dazu ist u.a. coronabedingt die wirtschaftliche Lage in den Ländern, die bevorzugte Handelspartner der VR China sind, zu instabil und unübersichtlich. Erschwert wird die Lage zudem dadurch, dass die Trump-Administration in den USA offenbar nichts unversucht lässt, China wirtschaftlichen und politischen Schaden zuzufügen.

Aber es gibt auch Zeichen der Hoffnung. Zu der Terminierung im Mai hätte es kaum kommen können, wenn nicht China klare Erfolge im Kampf gegen die Pandemie erzielt hätte. Provinzen haben inzwischen die Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Produktion ermöglicht, Reisebeschränkungen konnten zurückgeführt werden. Daher ist die Durchführung der Tagung ein Signal: Die Lage in China verbessert sich stetig, das normale wirtschaftliche und soziale Leben kehren in China Stück für Stück zurück. Diese Erkenntnis ist ein Signal der Hoffnung zum einen für die Menschen in China selbst. Zum anderen ist es aber auch ein Signal der Hoffnung für die mit China wirtschaftlich eng verflochtenen und unter der Pandemie leidenden Länder. Ludwig Erhard, erster Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland und „Vater“ des wirtschaftlichen Wiederaufbaus, wird der Satz nachgesagt: „Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie“. Mit anderen Worten: Glaube und Zuversicht sind in hohem Maße für den wirtschaftlichen Erfolg entscheidend. Daher denke ich, dass der 22. Mai ein Zeichen der Hoffnung, ja des Aufbruches setzen wird, für China, aber auch für die Welt.

Autor:Dr. Michael Borchmann

Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), früherer Abteilungsleiter (Director General) Internationale Angelegenheiten

Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D.

Senior Adviser der CIIPA des Handelsministeriums der VR China


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