Stoffschuhe aus Tangchang – handgemachte Kulturschätze aus Sichuan

2020-06-18 12:59:57

Lai Shufang in ihrem Schuhgeschäft<br>Foto von Xinhua

Lai Shufang in ihrem Schuhgeschäft
Foto von Xinhua

Lai Shufang inspiziert in der Gemeinde Tangchang sorgfältig neue Stoffschuhe, die sie hergestellt hat und schneidet an den Kanten überstehende Fäden ab. Die 62-Jährige ist Schusterin in der südwestchinesischen Provinz Sichuan. Seit 80 Jahren widmet sich ihre Familie der Herstellung der traditionellen Stoffschuhe aus Tangchang. Sie erklärt: „Mein Vater wurde im Jahr 1938 Lehrling in einem berühmten Schuhgeschäft in der Gemeinde, wo er das Schuhmacherhandwerk erlernte. Später wurde er als technischer Trainer in einer staatlichen Schuhfabrik angestellt. Ich habe auch in der Fabrik gearbeitet. Nachdem die Fabrik in den 1990er-Jahren geschlossen wurde, eröffnete ich meine eigene Werkstatt und führte das Geschäft mit Stoffschuhen fort.“

In der Gemeinde Tangchang haben traditionelle Stoffschuhe eine Geschichte von über 700 Jahren. Die Herstellung eines Paares erfordert 32 Schritte und es werden nur natürliche Materialien wie Mehl, Baumwolle, Stoff und Wolle genutzt. Lai Shufang dämpft zunächst das Mehl, bis es zu einer Paste wird. Dann werden verschiedene Gewebelagen damit zusammengeklebt. Die zusammengeklebten Stofflagen werden dann als Rohmaterial für die Schuhsohle und das Oberleder getrocknet.

„Stoffschuhe haben eine höhere Luftdurchlässigkeit als die auf dem Markt erhältlichen Schuhe mit Kunststoffsohlen. Sie sind zum Spazieren sehr bequem“, sagt die erfahrene Schusterin.

Traditionelle Stoffschuhe erfreuten sich in der chinesischen Öffentlichkeit bis in die 1980er-Jahre großer Beliebtheit. In ihrer Blütezeit gab es allein in Chengdu, der Hauptstadt der südwestchinesischen Provinz Sichuan, fünf Stoffschuh-Fabriken. Als Turnschuhe in den 1980er-Jahren aber Fuß auf dem chinesischen Markt fassten, ließ die Popularität von Stoffschuhen allmählich nach und sie wurden zunehmend vom Markt gedrängt. Die letzte der fünf Fabriken in Chengdu, die Fabrik in der Lai einst arbeitete, meldete im Jahr 1998 Insolvenz an.

Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen und die Überlieferung dieses kulturellen Erbes zu fördern, führten Lai und ihre Mitarbeiter die Herstellung von Stoffschuhen jedoch fort. Obwohl ihre Produktion viel Zeit und Mühe kostete, konnten die Schuhe aber keinen guten Preis erzielen. Vor fünf Jahren erreichte Lai Shufang das Rentenalter und sie beschloss, ihr Geschäft zu schließen. Zu ihrer Überraschung entschloss ihr Sohn Ai Peng jedoch, seinen Job aufzugeben und in die Heimat zurückzukommen, um Lai bei der Weitergabe dieses Kulturschatzes zu helfen.

Ai Peng füllt Einlieferungsscheine für Kurierdienst aus<br>Foto von Xinhua

Ai Peng füllt Einlieferungsscheine für Kurierdienst aus
Foto von Xinhua

Ai Peng entwickelte eine tiefe Leidenschaft für Stoffschuhe, als er noch ein Kind war. Er erinnert sich: „Als ich klein war, spielte ich oft mit den Spindeln in der Fabrik meiner Mutter. Ich stellte mir häufig vor, dass es der goldene Knüppel des Affenkönigs sei. Ich entwickelte auch eine große Leidenschaft für die traditionelle Kultur, weil mein Großvater immer der traditionellen Sichuan-Oper lauschte und Tee nippte, was einen tiefen Eindruck hinterlassen hat.“

Noch wichtiger ist, dass Ai Peng an das Marktpotenzial von Stoffschuhen glaubt. Denn die handgemachten Stoffschuhe erleben heutzutage ein Comeback. Die Sehnsucht nach Tradition und Volkstum nimmt in der Öffentlichkeit zusehends zu, seitdem die chinesische Regierung die Förderung von immateriellem Kulturerbe verstärkt hat. Ai erklärt: „Seit 2014 haben die zuständigen Regierungsbehörden dem Schutz und der Förderung von immateriellem Kulturerbe größere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Zahl der Menschen, die lokale Kulturprodukte kaufen wollen, nimmt ständig zu.“

Im Dorf Zhanqi, in dem Lai Shufang und ihr Sohn leben, wird ländlicher Tourismus seit Jahren stark gefördert und die Dorfhäuser sind in ihrem ursprünglichen Stil restauriert worden. Touristen können lokale Souvenirs wie Stoffschuhe, Stickereien, Bambusprodukte und Spezialitäten wie Sojasauce kaufen. Im Jahr 2019 ist die Zahl der Touristen in Zhanqi auf eine Million gestiegen. Die Einnahmen aus dem ländlichen Tourismus beliefen sich offiziellen Angaben zufolge auf etwa zehn Millionen Yuan RMB (etwa 1,25 Millionen Euro).

Gao Demin, Sekretär des Komitees der KP Chinas in Zhanqi, sagt: „Traditionelle kulturelle Erbe wie die Stoffschuhe wurden durch unzählige Industrieprodukte vergraben. Mit der Erhöhung der Lebensqualität beginnen viele Menschen aber bereits damit, ihr Verständnis über den Wert von traditioneller Kunst zu verstärken.“

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