Armenhilfe ermöglicht familiäres Miteinander von Landbewohnern

2020-06-09 08:00:00

Niu Lijuan ist Bewohnerin der Gemeinde Gangu in der nordwestchinesischen Provinz Gansu. In einer kalten Winternacht 2008 verließ sie ihr Zuhause. Die damals 24-Jährige küsste ihr vier Monate altes Baby zum Abschied und machte sich dann mit Tränen auf den Wangen auf den Weg in die 2.400 Kilometer entfernte Stadt Shenzhen, um dort einen Job zu suchen. Niu erklärt: „Natürlich wäre ich lieber bei meinem Kind zu Hause geblieben, aber in meiner Heimat gab es nur wenige Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Um ein besseres Leben zu führen, musste ich meine Heimat verlassen.“

Ein Jahr später folgte Nius Ehemann ihrem Beispiel und machte sich ebenfalls auf den Weg in die Wirtschaftsmetropole an der südchinesischen Küste. Das Paar gehörte zu den Millionen von Eltern in armen Regionen Chinas, die sich dazu entschieden, ihre Kinder in der Heimat zurückzulassen und in Großstädten besser bezahlte Jobs zu finden.

„Ich habe das Foto meines Sohnes unter mein Kissen gelegt und es herausgeholt, wenn ich Heimweh hatte. Ich habe oft mit dem Foto gesprochen und gesagt, ich würde nach Hause gehen, wenn ich genug Geld verdient hätte“, erinnert sich Niu Lijuan.

Während der Feiertage zum Frühlingsfest 2011 kehrte die junge Mutter nach Hause zurück und bemerkte, wie schüchtern ihr Sohn war. Sie sagt: „Er sprach kaum und mied mich sogar, wenn ich mich ihm näherte. In diesem Moment wurde mir klar, dass sich die Dinge ändern mussten und ich nach Hause zurückkehren musste, um mein Kind selbst großzuziehen."

So wie Niu Lijuans Sohn geht es in China zahlreichen Kindern. 2018 wurden 6,97 Millionen Kinder von ihren Eltern, die als Wanderarbeiter in Großstädten arbeiteten, in ländlichen Regionen in ganz China zurückgelassen. Im Jahr 2016 waren es 9,02 Millionen. Allein in der Provinz Gansu gibt es derzeit noch immer etwa 60.000 zurückgebliebene Kinder.

Für Niu Lijuan war die Rückkehr nach Hause eine schwierige Entscheidung. „In Shenzhen gibt es überall Fabriken, die Einheimischen können mit ihren Familien zusammenleben und gleichzeitig Geld verdienen“, erklärt sie. „Ich wünschte, dass so etwas in meiner Heimat auch möglich ist.“

In den vergangenen Jahren haben immer mehr arbeitsintensive Industrien in den östlichen Küstengebieten aufgrund steigender Kosten begonnen, nach Westen zu ziehen. Die Provinz Gansu hat diese Gelegenheit genutzt, um diese Industrien einzuführen und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Einheimischen zu schaffen. Im Rahmen des staatlichen Armenhilfeprogramms wurden außerdem zahlreiche Projekte gestartet, die zu einer neuen Antriebskraft für das Wachstum der lokalen Wirtschaft geworden sind. Die Provinz Gansu gründete zum Beispiel Armenhilfe-Werkstätten, um Wanderarbeitern zu helfen, in ihre Heimat zurückzukehren und in der Nähe ihrer Wohnung zu arbeiten.

Nius Traum vom Job vor der Haustür ist 2018 in Erfüllung gegangen, als eine Kleidungsfabrik in ihrer Gemeinde gegründet wurde. Nähen war ihre Stärke und sie bewarb sich sofort um einen Job in der Fabrik, die weniger als zehn Autominuten von ihrer Wohnung entfernt ist. Sie kann jetzt in ihrer Heimat arbeiten und sich um ihr Kind kümmern. Niu erzählt: „Ich koche, helfe meinem Sohn bei den Hausaufgaben und begleite ihn beim Aufwachsen. Ich verpasse keine Zeit mehr mit meiner Familie.“

Zhang Weilin, die Inhaberin der Fabrik, sagt: „Solche Werkstätten ermöglichen es Frauen aus ländlichen Gebieten, einen Job in der Nähe ihrer Wohnung zu finden und auf ihre Kinder aufzupassen“

Die Gemeinde Gangu hat inzwischen 52 dieser Armenhilfe-Werkstätten eingerichtet, in denen über 30.000 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Arme Menschen machen knapp ein Drittel der Belegschaft aus.

Wie Niu Lijuan sind 960 berufstätige Mütter aus Großstädten zurückgekehrt, um in den lokalen Werkstätten zu arbeiten. Dadurch ist die Zahl der zurückgelassenen Kinder um fast 1.700 zurückgegangen. „Jetzt kann ich auch vor meiner Haustür ein hohes Einkommen erzielen“, sagt Niu mit einem Lächeln. „Noch wichtiger ist, dass ich mehr Zeit mit meinem Kind verbringen kann. Das ist für mich das Beste.“


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