Schutz von ortstypischen Saatgutsorten – Anzucht alter Samen durch einen modernen chinesischen Landwirt

2020-06-03 13:42:25

Yu Jianqi und gesammelte "alte Samen"<br>Foto von Xinhua

Yu Jianqi und gesammelte "alte Samen"
Foto von Xinhua

Yu Jianqi kann sich noch gut daran erinnern, wie die Geschichte rund um sein Saatgutgeschäft richtig begann. Alles war auf zwei Mahlzeiten im Jahr 2006 zurückzuführen. Als er einmal nach jahrelangen Tätigkeiten in anderen Orten in seine Heimat, das Dorf Lutang in der zentralchinesischen Provinz Hunan, zurückkehrte, hatte seine Mutter für ihn ein Gericht aus Luffa zubereitet. „Das Gericht war sehr lecker. Mit seinem Geschmack verknüpfen sich für mich schöne Erinnerungen an meine Kindheit“, sagt Yu.

Bei der zweiten, ebenfalls lebensverändernden Mahlzeit handelte es sich um ein Mittagessen in einem ländlichen Restaurant während einer Dienstreise. Das Gemüse auf dem Tisch gefiel Yu Jianqi sehr und er konnte davon kaum genug bekommen.

Das Geheimnis der beiden köstlichen Mahlzeiten wurde von Yu Jianqi bald entdeckt. Im Mittelpunkt der Zutaten standen alle ohne Ausnahme Agrarprodukte aus lokalen Saatgutsorten, die umgangssprachlich auch als „alte Samen“ bezeichnet werden. "Kommerzielle Saatgutsorten eignen sich besser für die moderne landwirtschaftliche Intensivierung und Massenproduktion und haben nach und nach derartige lokale Samen ersetzt", so analysiert Yu Jianqi: "Deshalb haben wir immer das Gefühl, dass manche Speisen nicht mehr so schmackhaft sind wie in unserer Erinnerung."

Der Geschmacksverlust hängt also mit der Abnahme der Samensorten zusammen. Obwohl China im Bereich Keimplasma-Ressourcen der Feldfrüchte das zweitgrößte Land weltweit ist, ist die Quantität der chinesischen Keimplasma-Ressourcen zurückgegangen.


Die ökologische Plantage von Yu Jianqi<br>Foto von Xinhua

Die ökologische Plantage von Yu Jianqi
Foto von Xinhua

Nach jahrelangen Studien und Vorbereitungen kündigte Yu Jianqi im Jahr 2016 und kehrte ins Dorf Lutang zurück. Dort erhielt er durch Grunderwerb 80 Hektar Ackerland, auf dem er eine ökologische Plantage errichtet hat. Dadurch kann sich Yu voll und ganz dem Sammeln und dem Anbau lokaler Saatgutsorten widmen.

Der erste Schritt war die Suche nach ortstypischen Samen. "Wann immer ich hörte, wo es altes Saatgut gab, machte ich mich sofort auf den Weg." In vier Jahren besuchte Yu Jianqi hunderte von Kreisen und Städten in mehreren Provinzen wie Hunan, Hubei, Yunnan und auch in dem uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang.

Das Erlebnis in der Provinz Guizhou in Südwestchina war für Yu unvergesslich: "Einmal habe ich mich einen Monat lang in Libo, einem Kreis im Autonomen Bezirk Qiannan der Buyi- und Miao-Nationalität in Guizhou, aufgehalten. Inzwischen hatte ich mehr als 30 Dörfer gefunden und schließlich in einem abgelegenen Dorf eine Reihe der Samen von Tomaten, Auberginen, Paprika und anderen alten Gemüsesorten gefunden, die seit mehr als 200 Jahren in der Region gepflanzt worden sind." Auf dem Rückweg kam es plötzlich zu Erdrutschen. In diesem gefährlichen Moment zögerte Yu nicht und schnappte sich sofort die Tasche voll gesammelter Samen, bevor er aus dem Auto sprang.

Bislang hat Yu Jianqi Saatgut von fast 800 Sorten wie Reis, Gemüse, Blumen und anderen lokalen Pflanzen gesammelt und sich viel Mühe gegeben, um ein Lagerhaus und eine Ausstellungshalle für diese pflanzliche Schätze zu bauen. Zugleich setzt er sich auch für die Verbreitung solcher alten Samen ein.

Die Bauern in der von ihm gegründeten Genossenschaft wenden die primitivsten Methoden an, um die aus dem ganzen Land gesammelten Samen zu säen und fortzupflanzen. Experten aus der Hunan Akademie der Agrarwissenschaften und der Hunan Saatgutvereinigung kommen oft zu Yus Genosschaft, um ihn zu beraten. Für Yu sind die alten Samen nicht nur Zutaten für köstliche Gerichte. Sie repräsentieren auch die „genetischen Ressourcen“ des Landes.

Anfang Mai hat die Provinz Hunan, eine der wichtigsten Getreideproduktionsbasen Chinas, ihr erstes Keimplasma-Reservoir für Nutzpflanzenressourcen in Betrieb genommen, um den umfassenden Schutz und die Nutzung der Keimplasmaressourcen zu stärken.

Einige der mehr als 30.000 in dem Reservoir aufbewahrten Samen wurden von Yu Jianqi gespendet. Für jede neu gesammelte Saatgutsorte stellte Yu dem Reservoir kostenlos ein Exemplar zur Verfügung.

Angesichts der steigenden Nachfrage nach hochqualitativen Nahrungsmitteln in China und des Aufkommens mehrerer Familienbetriebe konnte Yu eine große Anzahl von Gleichgesinnten kennenlernen, die ihm bei der Vermarktung seiner alten Samen geholfen haben. Im Jahr 2019 überstieg das Handeslvolumen der verschiedenen Sorten von Yus altem Saatgut drei Millionen Yuan (knapp 380.000 Euro).

Yu Jianqi betonte: „Wir können die Ressourcen der ortstypischen Samen erst beibehalten, nur wenn sie durch die eigenen Hände der Bauern ausgebracht werden.“ Für die Zukunft plant der moderne Landwirt den Aufbau einer Forschungsbasis, um mehr Kindern eine Möglichkeit anbieten zu können, mehr Wissenswertes über vielfältige alte Samen zu lernen.

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