Stimmen aus Wuhan (Folge 8): Ich bevorzuge es sogar, zu Hause zu sein

2020-02-26 08:33:14

Die 23-jährige Master-Studentin der Erziehungswissenschaft Tang, die immer noch gerne mit ihren Hunden spielt oder mit ihrer Familie Mahjong (siehe Folgen 4 und 6), berichtet über die neuesten Entwicklungen in den heimischen vier Wänden und der Außenwelt:

Ich habe keine Angst, aber richtig große Angst hatte ich auch nicht früher. Verglichen mit der Zeit vor drei, vier Wochen fühle ich mich jetzt zu Hause sogar wohl. Ich bin allerdings auch Studentin und nicht in der Lage von anderen arbeitenden Menschen. Ich komme gut mit der Situation zurecht. Es gibt aber auch verschiedene Arten von Menschen. Manche mögen es, sich in Menschenmengen zu vergnügen, beschäftigt und laut zu sein. Sie fühlen sich dann glücklich. Diese Menschen können nicht gut alleine zu Hause sein, einfach lesen oder Computerspiele machen.

Vielleicht stimmt es, dass die Menschen in Orten, wo es längst nicht so schlimm wie hier ist, viel ängstlicher als in Wuhan sind, weil sie nicht genau wissen, wovor sie sich fürchten müssen. Sie müssen keine Angst haben. In China gibt es das Sprichwort: Du musst Dich überhaupt nicht sorgen. Deine Sorge ist überflüssig, denn der Himmel wird nicht herunterfallen.

Ich erfahre durch die Nachrichten im Fernsehen, in den Zeitungen und über die Apps, die ich sonst noch auf dem Handy habe, dass die Zahl der Neuinfizierten immer weniger wird. Die Zahl der Geheilten ist nun schon oft höher als die Zahl der neuen Fälle. Ich denke, die Sterblichkeitsrate wird auch sinken. Das Virus mag uns Menschen und andere Wirte auch lieber lebendig, weil es sich dann vielfach reproduzieren kann.

Wir alle sind heute nicht mehr so gestresst wie früher. Wir sind jetzt viel entspannter. Wir konnten vorher schon rausgehen oder das Fenster öffnen. Aber wir hatten früher Angst, dass sich das Virus über die Luft verbreiten könnte. Jetzt bin ich froh, dass wir einfach das Fenster aufmachen können. Der Druck ist viel weniger geworden. Es ist schon so, dass wir jetzt bereits eine gute Zukunft vor uns sehen können.

Lebensmittel können wir online oder per Wechat bestellen und sie werden uns an die untere Eingangstür des Wohnhauses geliefert. Einer von uns geht dorthin und holt sich den Einkauf. Es ist eine sogenannte kontaktlose Lieferung.

Bei Studenten hängt die Situation von der Universität ab. Meine Universität hat schon am 17. Februar das neue Programm gestartet und ich habe bereits Kurse für eine Woche bekommen.

Es sind für mich fast normale Tage mit dem Unterschied, dass ich nicht die Dozenten persönlich fragen kann und nicht neben meinen Kommilitonen sitze. Aber ich kann Wechat nutzen und auch online studieren. Wir haben spezielle Apps für Online-Meeting wie Tencent Meeting. Dieses professionelle Programm für die Arbeit ähnelt Skype, hat aber viel mehr Tools und Implementierungen. Wir können einander sehen, miteinander reden, wir können aber beispielsweise auch unsere Powerpointpresentationen damit online zeigen.

Es ist ein bisschen so wie in der Schule. Wir bekommen auch jeden Tag Hausaufgaben und der Dozent überprüft sie. Ich denke, dass ich gerade mein Leben sogar ziemlich genieße. Denn ich kann in meinem Bett liegen und einfach dem Kurs zuhören. Ich bevorzuge es derzeit sogar, zu Hause zu sein.

In Folge 9 erfahren Sie morgen, wie es der jungen tapferen Bahnmitarbeiterin Pan heute geht.

Text: Nils Bergemann

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