Psychologen helfen Medizinern an der Front

2020-02-17 08:00:00


Lu Lin, eine psychologische Beraterin in Wuhan, Provinz Hubei, war tief bewegt von dem Anruf einer ortsansässigen Krankenschwester Ende Januar.

In der Hotline für psychologische Hilfe, bei der Lu und ihre Kollegen als Freiwillige arbeiten, erzählte die Anruferin schluchzend, dass am Vortag drei Patienten auf ihrer Station gestorben seien.

Sie fügte hinzu, jeden Tag müsse sie Schutzkleidung tragen, wodurch ihre Bewegung eingeschränkt werde. Sie verbringe mindestens 10 Stunden auf der Quarantänestation. Noch schlimmer sei es aber, dass einige Kollegen von ihr inzwischen mit dem Coronarvius infiziert worden seien.

Psychologen gehen, angesichts der wachsenden Zahl von landesweiten Krankheitsfällen, von vielen Trauma-Opfern, Menschen unter starker emotionaler Belastung und mit akuten psychischen Problemen aus.

Menschen, die besonders gefährdet sind, sind Mediziner an der Front, die unter erheblichen physischen und psychischen Druck stehen; verängstigte Patienten, die möglicherweise auch trauern; Personen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie sich infiziert haben und die unter Quarantäne gestellt wurden und die sich möglicherweise öffentlicher Kritik ausgesetzt sehen; und Personen, die während des Beobachtungszeitraums in Isolation bleiben und sich einsam und verletzlich fühlen.

Viele chinesische Psychologen in China und Übersee sind sich dieser Situation bewußt und sind bereit, online Hilfe zu leisten. Dabei werden Medizinern an der Front im Rennen gegen Krankheit und Tod besondere Aufmerksamkeit beigemessen.

Laut Liu Hongye, Psychologe am Universitätsklinikum der Shanghaier Tongji-Universität, arbeiten müde Ärzte und Pflegepersonal für längere Zeit ohne Pause und Erfrischung. Einige von ihnen fühlen sich wegen des Mangels an medizinischer Versorung und Schutzkleidung gefangen und hoffnungslos.

„Sie ziehen solche Kleidung an, zeigen höchste Professionalität und tun ihr Bestes, um Leben zu retten. Letztendlich sind sie aber normale Menschen wie du und ich,“ meint Liu.

Lin Zi, stellvertretende Vorsitzende des Shanghaier Verbands für psychologische Beratung, sagte, dass aus internationalen Erfahrungen die Lehre gezogen werden kann, dass ein System zur Überwindung psychologischer Krise, an dem sich sowohl Behörden für öffentliche Gesundheit, als auch professioneller Therapeuten beteiligen, lebenswichtig ist.

Auf Lins Initiative wurde ein 30-köpfiges Psychologenteam gegründet. 13 von ihnen arbeiten im Ausland, die den Hilfesuchenden psychologische Unterstützung online gewähren.

Bis zum 25. Januar, dem chinesischen Neujahrstag, haben 400 Fachkräfte psychologische Hilfe über telefonische Hotlines oder WeChat zur Verfügung gestellt.

Am 31. Januar dieses Jahres wurde eine psychologische Beratungsstelle im Krankenhaus Nr. 3 in Wuhan errichtet, wo sich das zweite medizinische Team aus Shanghai zur Epidemiebekämpfung engagiert. Zwei der Teammitglieder sind Psychiater, die Patienten, deren Familienmitglieder und Mediziner an der Front beraten.

Auf der Wand vor dem Beratungszimmer hinterlassen Mediziner Grüße und Wünsche. Die Therapeuten teilen mit ihren Patienten Musik und Videoclips, die beim Abbau von Stress helfen können.

Wie Chen Liangliang, ein Therapeut, der für die Beratungsstelle verantwortlich ist, mitteilte, haben einige Ärzte und Pfleger bei ihm um Hilfe gebeten. Sie berichteten über Müdigkeit und Sorge um Patienten, die entweder sterben oder deren Krankheit sich verschlechtert hat. Ebenfalls sind sie besorgt über unzureichenden Schutz, über eigene Infektion mit dem Virus und über eine mögliche Ansteckung ihrer Familien.

„In ein paar individuellen Fällen berichteten die Mediziner über Erschöpfung und Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen,“ sagte Chen, Chefarzt am Psychiatrischen Zentrum des Bezirks Changning in Shanghai.

„Wir betonen die Bedeutung und den Wert ihrer Arbeit, diskutieren mit ihnen über unterstützende Psychotherapie und helfen ihnen, das Selbstvertrauen allmählich wiederzugewinnen.“

Psychologen schlagen vor, dass medizinische Fachkräfte nach der Arbeit völlig abschalten und ihre Freizeit genießen sollten, indem sie Musik hören, lesen oder Sport treiben. Denn möglicherweise steht ein langer Kampf gegen die Krankheit bevor.

Allerdings verbergen viele Ärzte und Krankenschwester an vorderster Front ihre psychischen Probleme und räumen der Rettung des Lebens von Patienten Priorität ein.

„Einige Mediziner sagten mir, dass sie keine Zeit und Lust haben, sich psychologisch beraten zu lassen. Sie wollen vorerst nicht, dass ihr Arbeitsrythmus dadurch gestört wird“, so ein Psychologe.

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