In der zentralchinesischen Metropole Wuhan gibt es einen neuen Trend: Lernstudios für das Selbststudium von Erwachsenen. Sie sind bis tief in die Nacht geöffnet und besonders bei jungen Leuten beliebt.

Frau Wang, eine Firmenangestellte, hat sich zur CPA-Prüfung angemeldet. CPA bedeutet Certified Public Accountant. Im englischsprachigen Raum werden damit Wirtschaftsprüfer, Buchhalter oder allgemein Fachleute des Rechnungswesens bezeichnet, die das CPA-Examen bestanden haben. Jeden Tag geht Frau Wang nach ihrer Arbeit um 18 Uhr zum Selbststudium in ein Lernstudio in der 21. Etage des Bürogebäudes Ping’an. Die positive Atmosphäre im Lernstudio gefällt ihr sehr. Da Bibliotheken nicht so lange geöffnet haben und Cafés meist zu laut sind, sind Lernstudios genau das Richtige für Wissbegierige wie Frau Wang, die sich zu Hause schlecht konzentrieren können.

Betritt man das Lernstudio, fällt sofort eine Entspannungsecke mit Wasserspender, Mikrowelle, Drucker und Bücherregalen ins Auge. Man kann dort kostenlos Kaffee und Tee trinken, Gebäck essen und die Dienstleistungen, außer dem Druckerservice, einfach nutzen.

Im Lernviertel gibt es kleine Lern-Zellen mit Tischlampen, Steckdosen, Schließfächern und Wlan-Verbindung. Das gut 300 Quadratmeter große Lernstudio im Gebäude Ping’an ist von 8 Uhr morgens bis 23 Uhr abends geöffnet und bietet 75 Sitzplätze. Der Mietpreis liegt bei sechs Yuan pro Stunde, das sind umgerechnet 76 Euro-Cent. Die Mieter des Lernstudios sind zum größten Teil junge Leute, die sich für verschiedene berufliche Zertifikationsprüfungen angemeldet haben. Am Abend bzw. an Wochenenden ist das Studio zu rund 80 Prozent ausgelastet.

Herr Cheng, Besitzer des Studios, erklärt, dass er im Februar dieses Jahres das erste Lernstudio für Erwachsene in Wuhan eröffnet hat. Bislang gebe es mindestens sieben derartige Lernstudios in der Stadt. Anfang Juli hat Cheng an der Hanjiang-Straße eine Filiale eröffnet, die inzwischen rund 1000 Stammgäste hat. Herr Cheng blickt optimistisch in die Zukunft und will noch eine weitere Filiale eröffnen. Denn China mobilisiert seine Bürger zum Lesen und auch die Stadt Wuhan strebt das Ziel „lesende Stadt“ an. Parallel dazu wollen viele junge Menschen sich beruflich weiter qualifizieren.

Nach Feng Guilin, Wissenschaftler an der Akademie der Sozialwissenschaften der Provinz Hubei, sind in traditionellem Sinne Gastronomie und Einkaufsläden Teil der Nachtwirtschaft von Städten. Im Bereich Kultur und Unterhaltung hätten die Bürger außer Kinos und KTVs fast keine anderen Wahlmöglichkeiten gehabt. Und so hätten nun neu entstandene Kulturstandorte wie die 24-Stunden-Buchhandlungen und die Lernstudios für Erwachsene die Nachtwirtschaft Wuhans bereichert, sagt Feng.