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Nicht immer feierlich
   2008-07-28 16:06:50    Seite Drucken    cri

Siegerehrungen gehören für die Beteiligten, aber auch für die Zuschauer wohl zu den schönsten Momenten bei Olympischen Spielen. Sogar vor den Fernsehbildschirmen läuft einem hierbei manchmal ein Schauer über die Haut, es ist der Moment für Hymnen, Ergriffenheit und oftmals auch für Tränen.

Aber nicht immer verläuft dieser Moment so feierlich wie er sollte.

Weltbekannt geworden sind die beiden afroamerikanischen Athleten, die bei der Siegerehrung für den 200 Meter Lauf der Olympischen Spiele 1968 in Mexiko City ihren Auftritt auf dem Treppchen nutzen, um ein politisches Statement abzugeben. Geprägt von der Bürgerrechtsbewegung wollten die beiden gegen die Diskriminierung der Schwarzen in den USA protestieren. Der Erstplatzierte Smith und der Drittplatzierte Carlos erschienen daher zur Siegerehrung mit einem schwarzen Handschuh an einer Hand. Als die amerikanische Hymne gespielt wurde, senkten die beiden den Kopf und streckten die behandschuhte Hand als Faust gen Himmel, das war ein Symbol der Farbigenbewegung Black Power. Der Zweitplatzierte, der weiße Australier Peter Norman, unterstütze den Protest der Afroamerikaner, in dem er zur Siegerehrung eine Armbinde trug, auf der die Achtung der Menschenrechte gefordert wurde. Das IOC war ob dieser Politisierung der Spiele entsetzt. Smith und Carlos mussten umgehend das Olympische Dorf verlassen, außerdem wurden sie von diesen Spielen ausgeschlossen.

Der Kanadier George Lyon setzte deutlich harmlosere Mittel ein, um die allzu feierliche Stimmung bei einem Abendessen anlässlich seines Goldmedaillengewinns im Golf bei den Spielen von St. Louis 1904 aufzulockern. Als er seine Trophäe entgegennehmen sollte, zeigte Lyon, dass er vielleicht auch als Turner keine schlechte Figur gemacht hätte, er ging auf den Händen nach vorne, um die Trophäe abzuholen.

Aber nicht immer sorgten die Sportler für Abwechslung bei den Siegerehrungen. Bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio erwiesen sich die Offiziellen als etwas unvorbereitet. Obgleich Abebe Bikila schon bei den Olympischen Spielen vier Jahre zuvor in Rom Gold geholt hatte, war den japanischen Musikern die äthiopische Hymne nicht bekannt. Nun, da er in Tokio wieder ganz oben auf dem Treppchen stand, war dies ein Problem, das die Musiker dadurch lösten, dass sie die japanische Nationalhymne intonierten. Bikila tröstete darüber vermutlich die Titelverteidigung hinweg.

Einige Verwirrung gab es um die Siegerehrung für den 3.000 Meter Hindernislauf der Männer bei den Spielen 1956 in Melbourne. Der Sieger hieß zunächst Christopher Brasher aus Großbritannien. Dann wurde er disqualifiziert, weil er angeblich seine Konkurrenten im Kampf um die ersten drei Plätze mit dem Ellbogen grob weggestoßen haben sollte. Schließlich wurden die vorhandenen Aufzeichnungen wieder und wieder untersucht und man kam schließlich zu dem Schluss, dass sich Brasher gegenüber dem Zweitplatzierten Ungarn Sandor Rozsnoi und dem Drittplatzierten Norweger Erst Larsen nicht unsportlich verhalten hatte. Schließlich wurde Brasher also doch wieder zum Olympiasieger erklärt. Nach dieser zusätzlichen Aufregung machte Brasher seiner englischen Herkunft alle Ehre, als er ausgelassen, feuchtfröhlich die ganze Nacht seinen wieder gewonnenen Sieg feierte. Er selbst erklärte, bei der Siegerehrung am kommenden Tag sei er noch sturzbetrunken gewesen. Das war glaubhaft, denn als man ihm die Goldmedaille umhängte, fiel er beinahe um.

Das IOC hatte bei den Spielen in München 1972 aber bereits wieder mit weit größeren Problemen als einen angetrunkenen Sieger auf dem Treppchen zu kämpfen, denn das Beispiel von Tommie Smith und John Carlos hatte Schule gemacht. Die beiden Afroamerikaner Vince Matthews und Wayne Collett liefen über die 400 Meter in München auf Platz eins und zwei. Bei der Siegerehrung trugen sie zwar keine Armbinden oder Handschuhe, sie nahmen allerdings aber auch keine Haltung an, als die amerikanische Hymne erklang. Die beiden wandten sich von der amerikanischen Flagge ab und plauderten munter miteinander. Im Nachhinein erklärten sie immer wieder, dass dies in keiner Weise ein Protest gewesen sein sollte, aber man glaubte ihnen nicht. Beide Athleten wurden von weiteren Wettkämpfen bei diesen Spielen ausgeschlossen.

Bei Étienne Gailly lag die Sache da ganz anders, sein Platz auf dem Siegerpodest blieb leer. Allerdings war das kein Protest, sondern in diesem Fall forderte die Natur ihr Recht. Der belgische Athlet Gailly war bei den Spielen 1948 in London als erster Marathonläufer ins Stadion eingelaufen. Im Wembley-Stadion taumelte er dann aber vollkommen erschöpft über die Bahn, die letzte Runde zog sich ewig hin und inzwischen nahte die Konkurrenz von hinten. Auf der letzten zu laufenden Runde überholte ihn dann zunächst der Argentinier Delfo Cabrera, danach zog auch der Brite Thomas Richards an ihm vorbei. Étienne Gailly schleppte sich mit letzter Kraft ins Ziel, dort brach er zusammen. Das Publikum war von der Dramatik seine Kampfes gegen sich selbst so gefangen, dass der Beifall für den Ersten und Zweiten erst losbrach, als auch Gailly im Ziel war. Gailly war so erschöpft, dass er nicht mehr die Kraft hatte, an der Siegerehrung teilzunehmen, immerhin hatte er sich am Ende doch wenigstens die Bronzemedaille gesichert. Nachdem sein Platz auf dem Treppchen leer geblieben war, kursierten in London kurzeitig sogar Gerüchte, dass Gailly verstorben sei.

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