"Zhong Guo Mi", das ist einer der chinesischen Begriffe, die ich kürzlich lernte, als ich in China war. "China-Fan", so könnte man das übersetzen, bin ich schon seit Langem. Schon in meiner frühen Jugend hatte das Land mit seiner außerordentlichen kulturellen Größe, nationalen Vielfalt und seinen großartigen Menschen eine besondere Anziehungskraft für mich. China einmal mit eigenen Augen zu sehen, hätte ich damals aber noch nicht zu träumen gewagt.
Radio ist meine große Passion. Es bringt die große, weite Welt in das eigene Heim, vermittelt eine große Vielfalt an Informationen und öffnet Denkhorizonte - ganz besonders dann, wenn man sich für den Internationalen Kurzwellenrundfunk begeistern kann. "Radio Peking" war einer der ersten Auslandsdienste, dessen deutschsprachiges Programm ich als junger Mann regelmäßig verfolgte. Fremd und geheimnisvoll war sie damals, die Welt, die sich mir darbot: Das Land hatte gerade die schweren Jahre der Kulturrevolution überwunden und man musste noch vieles "zwischen den Zeilen" erahnen - und doch lernte ich schon damals Vieles, was mir ohne den chinesischen Auslandsrundfunk ganz sicher für immer verborgen geblieben wäre.
"CRI - China Radio International", so heißt "Radio Peking" mittlerweile, ist heute eine der größten Internationalen Sendeanstalten der Erde - dynamisch, modern und multimedial. Vieles hat sich seit meiner ersten Begegnung mit dem Sender geändert, die Begeisterung für China ist geblieben.
Mittlerweile bin ich wieder zu Hause - und doch vermag ich es noch immer nicht ganz zu fassen, dass ich am 25. Juni 2008 zum zweiten Mal als CRI-Sonderpreisträger nach China reisen durfte. Bereits drei Jahre zuvor war ich Gast des chinesischen Auslandsrundfunks. Die poetische Schönheit des Westsees von Hangzhou, die geheimnisvolle Wasserwelt von Shaoshing und die grandiosen Sehenswürdigkeiten Beijings übertrafen alles, was ich mir zuvor jemals vorzustellen vermochte. "Einmal Sehen ist besser, als hundert Mal Hören" - wie sehr hat sich diese chinesische Weisheit schon damals bewahrheitet.
Beijing und Qingdao sollten die die Ziele meiner zweiten Reise ins Reich der Mitte werden - keine Frage dass im Olympiajahr 2008 auch der Besuch der bedeutendsten olympischen Stätten mit auf dem Programm stand.
Chinesen sind großartige Gastgeber, an Freundlichkeit, zuvorkommender Hilfsbereitschaft und planerischer Perfektion sicher nicht zu überbieten. Sun Jingli, der Chef der deutschsprachigen Auslandsredaktion von CRI, mit dem mich schon seit Jahren eine herzliche und freundschaftliche Beziehung verbindet, ließ es sich nicht nehmen, mich persönlich vom neuen Flughafenterminal 3 abzuholen, an dem ich am frühen Morgen des 26. Juni eintraf, ohne dass die Landung meiner Maschine des Flugs CA931 von Frankfurt jemals offiziell bestätigt worden ist. Auf den Anzeigetafeln in Beijing war von einer Landbestätigung jedenfalls weit und breit nichts zu sehen, als ich in der Empfangshalle von Weitem meinen Namen rufen hörte. Herzlicher kann eine Begrüßung nicht ausfallen: Um mich pünktlich vom Flughafen abholen zu können, mussten Sun Jingli und sein Redaktionsmitarbeiter Li Zheng gewiss auf einigen Stunden wohlverdienten Schlafes verzichten.
Diese gelungene Überraschung war nur der Auftakt - zehn unvergessliche Tage standen bevor. Bestens gelaunt und glücklich über das Wiedersehen fuhr ich zusammen mit meinen Begleitern ins Zentrum der chinesischen Hauptstadt, wo ich im feinen "People's Palace Hotel" ("Zhong Guo Zhi Gong Zhi Jia") untergebracht sein sollte. Nach einer ersten Verschnaufpause ging es auch schon los?
Der mehr als 600 Jahre alte Beihai-Park ist die älteste und am besten erhaltene kaiserliche Parkanlage in ganz China - ein Ort der Stille und der Besinnung im Herzen der pulsierenden Hauptstadt. Einst beliebte Vergnügungsstätte der kaiserlichen Familie, reflektiert der Park zusammen mit seinem künstlich angelegten Beihai-See den Jahrtausende alten Traum chinesischer Herrscher von Ewigkeit und Unsterblichkeit. Am Nordufer des Beihai-Sees liegt der "Garten der ruhenden Seele", mit dessen Anlage der Qing-Kaiser Qianlong seiner Liebe zur einzigartigen Schönheit südchinesischer Landschaften Gestalt verlieh.
Der Name "Linda" auf Chinesisch
Auf dem höchsten Punkt des Parks befindet sich die flaschenförmige "weiße Pagode", weithin sichtbarer Ausdruck des chinesischen Buddhismus. Aus dem 13. Jahrhundert stammend, ist sie die älteste erhaltene lamaistische Pagode in ganz China. Sie besteht durchweg aus Stein, nur die Spitze ist aus Bronze gefertigt. Der weiße Putz der Fassade, vom dem sich auch der Name "Jadepagode" herleitet, erzeugt zusammen mit der golden leuchtenden Dachspitze einen Eindruck tiefer Reinheit und entrückter Ewigkeit, dem man sich kaum entziehen kann. Von hier aus haben die Besucher einen einzigartigen Blick hinüber zur verbotenen Stadt und dem dahinter liegenden Tian'An Men. Der markante Kontrast zur modernen Großsstadt ist charakteristisch für Beijing. Vielzahl und Dimension baulicher Gegensätze sind ein Grundzug der chinesischen Hauptstadt, deren mannigfaltige Erscheinungsformen den Besucher immer aufs Neue überraschen, verblüffen und zugleich fesseln.
Verzaubert und tief beeindruckt verließ ich zusammen mit Li Zheng, der mich während der ganzen Reise begleiten sollte, den Park und machte mich auf den Weg zur nächsten Sehenswürdigkeit. Der weltbekannte Lamatempel, dessen Baustil sowohl von der Han-, der Mandschuren-, der Mongolischen und der tibetischen Nationalität geprägt ist, bildet mit seinen über tausend Hallen und Zimmern die größte Stätte tibetischen Buddhismus in ganz Beijing. Auf einer Fläche von über 60.000 m2 birgt der Lamatempel eine unschätzbare Fülle kultureller und religiöser Schätze, von denen der lachende Buddha, der Arhatenberg mit seiner einmalig schönen Holzschnitzkunst sowie die Buddhastatue in der "Halle des leuchtenden Buddha" die wohl bedeutendsten sind. Es ist eine fast schon hörbare Stille und greifbare Weihe, durch die buddhistische Heiligtümer auch auf Menschen aus dem abendländischen Kulturkreis immer wieder eine ganz besondere Anziehungskraft ausüben. Räucherstäbchen, brennendes Papiergeld, in Gebete versunkene Menschen, die Allgegenwart der Drachen- und Phoenix-Symbolik - all das verleiht der Szenerie einen Hauch von Entrücktheit, Stillstand und Ewigkeit.
Glücklich darf sich schätzen, wer chinesische Gastfreundschaft im privaten Familienkreis erleben kann. Am Abend meines ersten Reisetages wurde mir diese seltene und schöne Ehre zuteil. Sun Jingli hatte mir schon vorab geschrieben, dass er mich während meines Aufenthalts in China auch einmal zu sich nach Hause einladen werde. Auch Chen Wei, Cheng Xiufen und Li Zheng waren mit dabei. Groß war die Wiedersehensfreude mit Dou Xiaowen, Sun Jinglis Frau, die ich ebenfalls persönlich kannte, aber seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte. Kühles YanJing-Bier, leckere Salate und Spezialitäten der chinesischen Küche waren die ideale Grundlage für einen schönen Abend mit vielen guten Gesprächen, froher Laune und zugleich intensivem Gedankenaustausch. Schöner, als mit so einem unvergesslichen Abend im Kreise einer chinesischen Familie, hätte der erste Besuchstag nicht ausklingen können.
Zu Gast beim Redaktionsleiter Sun Jingli
Ein besonders anspruchsvolles Programm war für den zweiten Tag meiner Reise vorgesehen. "Beijing 2008": Die olympischen Spiele in China waren das Motto, unter dem der Wettbewerb stand, dem ich diese Traumreise zu verdanken hatte. Sieben weitere Sonderpreisträger aus aller Welt sollten im Vorfeld der Olympiade den olympischen Geist hautnah erleben und die bedeutendsten sportlichen Stätten besuchen dürfen. Es war gewiss nicht einfach, eine Sondergenehmigung für das Betreten des neuen Nationalstadions, das die Chinesen liebevoll "Vogelnest" nennen, zu erwirken. Fotografieren war zwar nicht erlaubt, dafür konnten wir aber das ganze Innere des Stadions ungehindert "ausprobieren", Probe sitzen, die Technik bestaunen und bei den Vorbereitungen für die bevorstehende Eröffnungsfeier zusehen.
"Vogelnest"
Szenen- und Kleiderwechsel: Die stellvertretende Vorsitzende des Ständigen Ausschusses des Chinesischen Nationalen Volkskongresses Chen Zhili war zur Ehrung und Verleihung der Sonderpreise persönlich in die Volkskongresshalle gegenüber dem Tian'An Men erschienen. Daneben waren u.a. auch der CRI-Intendant, ein Vizeminister, die Leiterin des Konfuzius-Instituts sowie Vertreter der verschiedenen Botschaften und Auslandvertretungen erschienen. Dass ich meine Ansprache bei dieser Feier mit einer Weisheit eben dieses Konfuzius eröffnete, wurde von Anwesenden offensichtlich ebenso positiv aufgenommen, wie die kurze Begrüßung der Gäste in chinesischer Sprache. Natürlich war ich schon ein wenig aufgeregt: Eine Rede in solch einem Rahmen, vor einer solchen Kulisse und vor hochrangigen Gästen - das war für mich eine vollkommen neue Erfahrung. Sun Jingli hatte die Rolle des Übersetzers übernommen und so gelang der Vortrag ohne Probleme. Feierlich war auch die Preisverleihung selbst: Ein schöner, mit Blütenmotiven bemalter Porzellanpokal mit persönlicher Widmung wird mich nun für immer an diesen festlichen Tag erinnern. Beim abschließenden Empfang hatten wir die Möglichkeit zu persönlichen Gesprächen mit allen Anwesenden, so dass ich die Gelegenheit nutzen konnte, den Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Beijing, Herrn Christian Schaal direkt kennen zu lernen. Schade, dass ich seine spontane Einladung, zusammen mit Ihm und dem deutschen Botschafter, Herrn Dr. Michael Schäfer das Endspiel der Fußball-EM live in Fernsehen anzusehen, nicht annehmen konnte. Wegen der Zeitverschiebung hätte dies eine schlaflose Nacht bedeutet - was im Hinblick auf mein sehr volles Reiseprogramm nicht in Frage kam.
Bei der Preisverleihung mit Botschaftsvertreter Christian Schaal
Ebenfalls feierlich war das großartige Abendessen im ganz neuen CRI-Hotel, das der Sender exklusiv für seine Gäste und externe Mitarbeiter erbauen ließ. Direkt gegenüber dem Funkhaus gelegen, verfügt es neben Gästezimmern und Freizeiteinrichtungen auch über ein sehr edles Restaurant, das uns an diesem Abend mit den Feinsten Delikatessen verwöhnte, die man sich von der chinesischen Küche nur vorstellen kann. Zusammen mit Li Zhongshan, dem stellvertretenden CRI-Chefredakteur, dem Redaktionsleiter Sun Jingli und anderen Gästen befand ich mich in bester Gesellschaft: Gut gelaunt und mit interessanten Gesprächen ging ein schöner, festlicher Tag seinem Ende entgegen.
Ein Besuch des Tian'anmen darf natürlich bei einem Chinabesuch nicht fehlen. Bei schönstem Sonnenschein versammelten wir uns zum Gruppenbild an der dortigen Tafel für den Olympia-Countdown. Der Tian'anmen ist der größte und bedeutendste öffentliche Platz in ganz China. Wer diesen Platz besucht, wird sicher von den unzähligen Menschen überwältigt sein, die sich täglich dort einfinden. Die Chinesen haben eine ganz besondere Beziehung zu diesem Platz, auf bzw. neben dem sich auch der Tian'anmen-Turm, die Große Halle des Volkes, das Nationalmuseum, die Gedenksäule der chinesischen Volkshelden sowie das Mausoleum des früheren Staatspräsidenten Mao Zedong befindet. Nicht zu übersehen ist dessen großformatiges Portrait am Tian'anmen-Tor, hinter dem die Verbotene Stadt mit Ihren zahllosen Palästen, Verwaltungsgebäuden und religiösen Stätten befindet. Die verbotene Stadt ist die größte Palastanlage der Erde. Hier sonnten sich einst die absoluten Herrscher des Reichs der Mitte im Licht Ihrer "göttlichen Herkunft" und ließen sich als "Söhne des Himmels" verehren. In Form und Farbe bestimmen Harmonie und Symmetrie das Gesamtbild. Eine Achse, auf der sich alle wichtigen Hallen befinden, durchzieht die Palastanlage von Nord nach Süd. Nebenhallen und kleinere Höfe sind symmetrisch rechts und links der Achse angeordnet. An sonnigen Sommertagen üben die dortigen Gärten auf die Besucher einen ganz besonderen Zauber aus. Trotz der vielen Besucher atmen die alten Bäume, die Felsen und Standbilder einen Hauch von Ewigkeit und Frieden. Man möchte verweilen...
Verbotene Stadt
Fröhlich ging es beim Mittagessen mit traditionellen Delikatessen zu, so dass wir das unfangreiche Tagesprogramm bald darauf mit neuer Energie fortsetzen konnten.
Der Sommerpalast ist das wohl Reinste und Integerste, was menschliche Vorstellungskraft und architektonisches Genie jemals hervorgebracht haben. Es gibt nur wenige Orte, die an einem Sommertag eine so tiefe Ausgeglichenheit und Ruhe in sich bergen. Die herrlichen Gärten hatte Kaiser Qianlong als Nachbildung des Westsees von Hangzhou, den er sehr liebte, für sich anlegen lassen. Sogar die Drachenboote gleiten lautlos über das Wasser. Geheimnisvoll hebt sich das schimmernde Weiß des Marmorschiffs aus dem satten Grün der Gärten und dem fast unbewegten Blau des künstlichen Gewässers hervor. Alles wirkt, als habe der Westsee in der chinesischen Hauptstadt zum zweiten Mal Gestalt angenommen.
Sommerpalast
Beijing und Pekingente - das gehört einfach zusammen. Nirgendwo auf der Welt kann man die knusprig gebratenen Häppchen, in feine Teigmäntelchen gehüllt, so ursprünglich genießen, wie in einem Entenrestaurant der Chinesischen Hauptstadt. Schöner kann so ein Tag nicht ausklingen.
Unterhaltung und Kultur: Am vierten Tag meiner Reise ging es nach dem Frühstück zum Beijinger Aquarium. Besondere Attraktion dort war eine Delphin- und Seehund-Vorführung mit zahlreichen artistischen Einlagen.
Der Nachmittag war der Kultur und Geschichte der chinesischen Hauptstadt gewidmet. Das Stadtmuseum Beijings, ein neues, durchaus avantgardistisches Bauwerk, wartet mit einer umfangreichen historischen Dokumentation von den frühen Anfängen bis in die Neuzeit auf. Besonders sehenswert ist die Ausstellung zur Pekingoper, die ich am Ende dieser Reise ebenfalls noch erleben sollte.
Auch ein chinesischer Stau kann ganz schön Zeit kosten. Nach ca. zweieinhalb Stunden erreichten wir das größte Bauwerk der Erde - die große Mauer. Es war der fünfte Reisetag. Badaling liegt zwar nicht allzu weit von Beijing entfernt, durch das hohe Verkehrsaufkommen kann so eine Fahrt aber doch ein paar Stunden dauern. In den Bergen vor Beijing herrschten recht angenehme Temperaturen und die prächtigen Berge waren von der Sonne beschienen, so dass das neu angebrachte, überdimensionale Emblem mit der Aufschrift "Beijing 2008" recht gut zu sehen war. Qin Shi Huang (259-210 v. Chr.), der eigentlich Yingzheng hieß, kam mit 13 Jahren als König des Fürstenstaats Qin an die Macht. Er gilt als der eigentliche Erbauer der großen Mauer. Seine Nachfahren erweiterten den Bau unter erheblichem Einsatz menschlicher Ressourcen, insbesondere der eigenen Armee. Größe und Weite: Wenn man bei Badaling entlang der großen Mauer nach oben klettert, ahnt man die nahezu grenzenlose Machtfülle chinesischer Kaiser. Die spektakuläre Schönheit der Bergwelt um Badaling ist schier atemberaubend.
Ganz oben auf der Mauer: Felsvorsprung des Vorsitzenden Mao
Nach dem Mittagessen war noch genug Zeit für die Besichtigung des Himmelstempels im Herzen von Beijing. Blau ist die dominierende Farbe des Tempels und all seiner Nebengebäude, denn diese Farbe symbolisiert den Himmel und dessen Mächte. Der Himmelstempel war die religiöse Stätte der Kaiserlichen Familie bis zum Ende der Qing-Dynastie. Tiantan, so der chinesische Name, ist eines der schönsten Bauwerke der chinesischen Hauptstadt und ist zudem der größte Tempelkomplex in China überhaupt. Umgeben von einer Mauer und durch eine weitere Mauer in einen inneren und einen äußeren Bereich geteilt, verlaufen beide Mauern im Norden in einer Rundung und im Süden rechteckig - nach tradierter Vorstellung symbolisierte die Rundung den Himmel und das Quadrat die Erde. 1421 erbaut, war der Himmelstempel über Jahrhunderte der Ort für die Zwiesprache der irdischen Herrscher mit dem Himmel.
Miao-Minorität posiert vor dem Himmelstempel
Am Abend ging es mit dem Nachtzug im Schlafwagen Erster Klasse auf die Reise ins östliche Qingdao... Die Provinz Shandong ist bekannt für den Anbau von Obst, Gemüse und sogar Wein. Da ich in Nachtzügen nicht besonders gut schlafen kann, konnte ich nach dem Aufgang der Sonne aus dem fahrenden Zug heraus das ländliche China - den Zauber der schönen Dörfer, der grünen Felder und des morgendlichen Erwachens - erleben.
Der erste Tag in Qingdao begrüßte uns mit strömendem Regen. Von "Trübsal blasen" war aber keine Spur. Der Tag begann erst einmal mit einer Dusche und einem gemütlichen Frühstück im neuen Hotel. Am ersten Besuchstag in der östlichen Küstenstadt durften wir erleben, dass man sich in China in Sachen "Terminplanung" sehr flexibel zeigen kann. Wegen des Regens wurden ausschließlich wetterfeste Sehenswürdigkeiten besucht. Nach dem Wohnhaus von Chiang Kai-Shek und einer kurzen Mittagspause besuchten wir die Residenz des ehemaligen deutschen Gouverneurs aus der Kolonialzeit. Besonders amüsant fanden meine Gastgeber, dass die historische Schwarzwald-Standuhr des ehemaligen Gouverneurs vom selben Schramberger Hersteller stammte, wie die Uhr an meinem Arm. Beim anschließenden Besuch der Tsingtau-Brauerei durfte eine Bierprobe natürlich nicht fehlen. In diesem Fall blieb es aber nicht nur bei einer einzigen Probe: Wir durften das edle Gebräu zuerst unfiltriert und hefetrüb und nach einer weiteren Führung in seiner Endfassung probieren. LECKER!!!
Deutsche Braukunst in China
Ich hatte keinesfalls den Eindruck, dass die deutsche Kolonialzeit im heutigen Qingdao heute noch negative Erinnerungen weckt. Im Gegenteil: Die von Deutschen erbaute Brauerei, der Lebensstil, die Bauweise der Häuser - vieles, was man heute in Qingdao sieht, ist Ausdruck eines positiven Bezugs der Bewohner zur chinesisch-deutschen Vergangenheit. An keinem Ort der Erde wurde ich trotz bzw. wegen meiner Herkunft so freundschaftlich und liebenswert aufgenommen, wie in der ostchinesischen Küstenstadt Qingdao.
Wo immer man sich aufhielt - ganz Qingdao war im Olympia-Fieber. Ebenso, wie Beijing, gehört auch Qingdao zu den Austragungsorten der 29. Olympiade. Hier werden in diesem Jahr die Wettkämpfe für die olympische Segelregatta stattfinden. Die Stadt an sich ist eine wahre Perle, umgeben von Hügeln, Bergen und Meer, viel Grün, luxuriöse Villen und mit charmanten, lebensfrohen Menschen. In Vorfeld der bevorstehenden Olympiade hat sich die Stadtverwaltung eine Menge einfallen lassen. Fassaden wurden restauriert, vieles frisch lackiert. Die Straßenlaternen symbolisieren olympische Fackeln - Fähnlein, Kunstwerke, Fuwa, wohin das Auge blickt. Überall wurden und werden unzählige Blumen gepflanzt, Girlanden aufgehängt und Plakatwände aufgestellt.
Festlich war der abendliche Empfang beim Bürgermeister der Küstenstadt, der das Programm mit feinem Essen und schönen Geschenken sehr harmonisch abrundete. Wer chinesische Gastfreundlichkeit noch nicht selbst erlebt hat, kann sich kaum ein Bild machen...
Das olympische Dorf in Qingdao ist wirklich imposant. Von einem "Dorf" kann eigentlich keine Rede sein, schon eher von einem Fünf-Sterne-Quartier. Wenn die olympischen Spiele zu Ende sein werden, dann wird der Stadt ein ganz ausgezeichnetes Hotel mit einzigartigem Ambiente zu Verfügung stehen.
Direkt beim Olympischen Dorf liegen die Anlagen für die olympische Segelregatta, die wir ebenfalls besuchen durften. Bei der anschließenden Rundfahrt auf einem Schiff der chinesischen Küstenwache wurde ich leider seekrank, so dass mir die anschließende Mittagsruhe sehr entgegen kam.
Nachmittags flanierten wir bei schönem Sonnenschein durch den "Ba Da Guang"-Park von Qingdao sowie den Badestrand. Baden war nicht nur aus Zeitgründen unmöglich, sondern leider auch wegen der schlimmen Algenplage, von der Qingdao derzeit heimgesucht wird.
In einem Restaurant in Form eines tropischen Gewächshauses klang der Tag mit leckeren lokalen Spezialitäten und kühlem Tsingtau-Bier sehr angenehm aus. Auch die CRI-Intendatin, Frau Wang Dongmei und Vertreter der lokalen Administration waren mit dabei. Kühles Tsingtao-Bier, das wundervolle Essen, die prächtigen Pflanzen und das einzigartige Ambiente werde ich sicher niemals vergessen. Auch die fröhliche und optimistische Lebensart der Menschen in Qingdao wirkte ansteckend - ganz sicher war das nicht mein letzter Besuch in der Ostchinesischen Küstenstadt.
Die schönen Tage in Qingdao gingen viel zu rasch zu Ende. Am letzten Tag unserer Reise fuhren wir zuerst in das nahe gelegene Laoshan-Gebirge, einem fast schon mystischen Ort mit einem ganz besonderen Zauber aus landschaftlicher Schönheit, prächtiger Vegetation und geheimnisvollen Tempelanlagen. Im Laoshan-Nationalpark befindet sich ein bedeutendes Zentrum des chinesischen Daoismus - das zweitgrößte in China. Der große Touristenandrang verhinderte, dass man ganz in die jenseitige Welt entrücken konnte.
Laoshan
Beim anschließenden Mittagessen konnte ich zum ersten Mal Huo Guo probieren, das ist der chinesische Feuertopf - in gewisser Hinsicht mit dem europäischen Fondue zu vergleichen... aber noch interessanter.
Bei der anschließenden Betriebsbesichtigung der Firma Haier wurde uns die Firmengeschichte sowie die gesamte Produktpalette vom Kühlschrank bis zum Mikro-Chip vorgestellt.
Nach einem unvergesslichen Abschiedsessen in einem der feinsten Restaurants der Stadt fiel der Abschied nicht gerade leicht. Der Rückflug mit Air China dauerte nur etwas mehr als eine Stunde und auch der Transfer zum Beijinger Hotel war so perfekt organisiert, dass wir bereits vor Mitternacht zur Ruhe kamen.
So schnell geht eine Traumreise vorüber. Zum Abschluss des Programms durfte ich am letzten Tag das CRI-Funkhaus besuchen. Ein besonders herzlicher Empfang wartete in der deutschen Redaktion auf mich und ich war glücklich, bekannte Redaktionsmitarbeiter nach langer Zeit wieder zu sehen und zugleich Neue kennen zu lernen.
Nach der netten Begrüßung ging ich erst einmal mit Lu Shan ins Tonstudio, um zwei kurze Interviews aufzunehmen: Für den Briefkasten und das Olympia-Sonderprogramm.
Für das anschließende Büffet in der Redaktion hatte man anlässlich meines Besuches allerlei Leckereien besorgt. Noch während des Essens kehrten dann Chen Wei und Redaktionsleiter Sun Jingli von einer wichtigen Besprechung zurück. Schön war das, noch einmal in locker aller Ruhe über verschiedene CRI-Themen zu sprechen. Es war, als gehöre ich zur Familie.
Familienbild mit Gastgeschenk
Ich hatte vor längerer Zeit anlässlich eines Sendebeitrags über die Jahresbilder von Yang Liu Qing an die Redaktion geschrieben, dass ich diese einmaligen Kunstwerke gerne einmal mit eigenen Augen sehen würde. Dass man als ganz besondere Überraschung ein wirklich herrliches Exemplar für mich besorgt hatte und mir dieses als Geschenk überreichte, das verschlug mir doch die Sprache ...
Beim nachmittäglichen Einkaufsbummel versuchte ich mich im Feilschen mit chinesischen Verkäuferinnen, was wirklich viel Spaß machen kann.
Kunst zum Ausklang: Außerhalb des offiziellen Reiseprogramms hatte meine gute Beijinger Freundin Wang Zhu Karten für die Peking-Oper besorgt. Lautstark, aber in bester Gesellschaft und mit beeindruckenden akrobatischen Leistungen ging mein letzter Reisetag seinem Ende entgegen.
Wahre Freundschaft kann man fühlen: Wie schon bei der Ankunft, war auch die Verabschiedung des Gastes Chefsache. Abschied schmerzt immer ? besonders dann, wenn ein Teil des Herzens zurück bleiben muss. Dass mein lieber Freund Sun Jingli es sich auch beim Abschied nicht nehmen ließ, mich persönlich in die Arme zu nehmen, hat mich sehr bewegt und zeigt, dass Freundschaft in China mehr ist, als nur ein Wort.
Herbolzheim im Breisgau, 9. Juli 2008
Helmut Matt
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