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...wenn die Regeln im Weg sind
   2008-06-02 16:38:11    Seite Drucken    cri

Schneller, höher, weiter, das wollen alle Athleten bei Olympischen Spielen sein. Nicht immer gelingt das problemlos auf fairem und ehrlichem Wege. Daher gab es immer wieder Sportler, die zu den seltsamsten Mitteln und keineswegs nur zu chemischen Mitteln griffen, um ihre Leistung ohne allzu großen Aufwand zu verbessern.

Bei den Olympischen Spielen 1904 in St. Louis wollte ein gewisser Bollinger sein Glück bei den Wettkämpfen versuchen. Er meldete sich als Carroll Burton an. Carroll Burton war ein in St. Louis bekannter Leichtgewichtsboxer. Bollinger alias Burton gewann seinen Erstrundenkampf, dann flog der Schwindel allerdings auf. Bollinger wurde disqualifiziert, sein Gegner Peter Sturholdt kam eine Runde weiter. Er landete am Ende auf Rang vier, nachdem er im Kampf um Bronze den Kürzeren gezogen hatte.

Frank Shorter, der Olympiasieger im Marathon bei den Olympischen Spielen 1972 in München hatte es gar nicht nötig, seine Leistung weiter zu steigern, er lief ohnehin gut vorne weg. Allerdings missachtete in diesem Fall ein Zuschauer sämtliche Regeln der sportlichen Fairness, weil er sich einen Spaß machen wollte. Der 16-jährige deutsche Schüler Norbert Südhaus kletterte kurz bevor der Erstplazierte Marathonläufer ins Stadion einlaufen würde über die Absperrung und begab sich mit seiner selbstgemalten Startnummer 72 auf die letzte Runde ins Stadion. Die Fans feuerten ihn an und jubelten, bis der Fall von Sicherheitskräften wenig später bemerkt wurde. Sie stützten auf die Bahn und nahmen den Schüler fest. Das betrogene Publikum begann nun laut zu buhen und seinem Unmut kraftvoll Ausdruck zu verleihen. Just in diesem Moment lief der eigentlich Führende Frank Shorter in vollkommener Unkenntnis der Situation ins Stadion ein. Gut, dass ihm niemand direkt auf den Fersen war, denn sonst hätte sein Erstaunen vielleicht dem anderen die Gelegenheit geboten, Shorter zu überholen. Denn Shorter war total überrascht und auch ein wenig verwirrt ob der negativen Reaktion, die er beim Publikum auslöste, erst nach seinem Sieg konnte man Shorter aufklären und er war wieder mit Zuschauern versöhnt. Norbert Südhaus bereute seinen Streich wenig später, in einem Brief entschuldigte er sich bei Shorter, der hatte aber offenbar kein Interesse daran, dem Störenfried zu antworten, denn bei Südhaus ging nie eine Antwort ein.

Völlig anders lag die Situation da schon bei Stanis?awa Walasiewicz. Die Polin emigrierte im Alter von zwei Jahren mit ihren Eltern in die USA. Immer wieder versuchte sie später die amerikanische Staatsbürgerschaft zu bekommen, aber erst als sie sich zu einer guten Leichtathletin entwickelt hatte, sollte ihr das ermöglicht werden. Dazu hätte sie aber ihren Amateurstatus aufgeben müssen, daher entschied sie sich, bei den Spielen 1932 für Polen anzutreten. Im Vorlauf und im Halbfinale des 100-Meter-Laufes stellte Walasiewicz den Weltrekord ein, sie gewann vor der Kanadierin Hilda Strike. Im Diskuswurf wurde Walasiewicz am selben Tag sechste. In Berlin, bei den Spielen 1936, wollte die Polin ihren Titel verteidigen, sie musste sich allerdings der Amerikanerin Helen Stephens geschlagen geben. Diese warf nach dem Wettkampf die Frage auf, ob Walasiewicz ein Mann sei. Das Thema wurde fallengelassen und Walasiewicz holte bei den Europameisterschaften 1938 Gold über die 100 und die 200 Meter, mit der 4 x 100 Meter Staffel und im Weitsprung gabs Silber. 1947 heiratete Walasiewicz, von nun an war sie Amerikanerin und hieß Stella Walsh Olsen. Im Alter von 40 Jahren gewann sie ihren letzten amerikanischen Meistertitel.

1980 wurde sie als unbeteiligte Passantin bei einem Raubüberfall in Cleveland von Schüssen tödlich getroffen. Das allein wäre noch nicht so erwähnenswert, hätte nicht die Obduktion zu Tage gefördert, dass Helen Stephens 1936 mit ihren Vorwürfen vielleicht doch nicht ganz daneben gelegen hatte. Denn es stellte sich heraus, dass Stella Walsh intersexuell war, das heißt, sie hatte zwar primäre weibliche Genitalien, aber auch Hoden. Zu dieser Erkenntnis passte, dass man später feststellte, dass ihre Geburtsurkunde auf Stefan Walasiewicz ausgestellt worden war.

Ähnliches vermuteten die Konkurrentinnen bei den Press Schwestern. Die russischen Athletinnen Tamara und Irina Press gewannen in den 1960er Jahren so ziemlich alles, was es zu gewinnen gab. Die stämmigere Tamara dominierte den Diskuswurf und das Kugelstoßen. Irina, die jüngere, etwas weniger stämmige Schwester, siegte 1960 in Rom bei den Spielen über die 80 Meter Hürden und bei den Spielen 1964 in Tokio im neu eingeführten Fünfkampf. Im Zeitalter des Kalten Krieges hatte auch die Presse harsche Worte für die beiden Athletinnen. Sie nannte sie die Press-Brothers und äußerte Vermutungen, dass die beiden Schwestern mit männlichen Hormonen gedopt worden seien. 1968 führte der Internationale Leichtathletikverband den so genannten Geschlechtstest ein, der im Übrigen erst zu den Spielen 2000 in Sydney wieder abgeschafft wurde. Alle Sportler musste demnach ihr Geschlecht in einem Test überprüfen lassen. Die Press-Schwestern starteten nach der Einführung dieses Tests nie mehr bei internationalen Wettkämpfen, die westliche Presse feierte das als Eingeständnis, die russische dementierte. Bis heute konnte daher keiner der Vorwürfe bewiesen werden, die beiden Schwestern gehen also als Frauen in die Olympischen Analen ein.

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