Startseite | Nachrichten | Zeitgeschehen | Chinesischkurs | China ABC | Inet Radio | Frage der Woche | Paralympics 2008 in Beijing | Sendeplan
 

-Empfangsbericht
-Feedback   -Archiv

Dabei sein ist alles
   2008-04-28 16:52:25    Seite Drucken    cri

Dabei sein ist alles?das IOC wollte vielleicht mal wieder an dieses ursprüngliche Motto erinnern, als es zur Förderung des Schwimmsports in Drittweltländern vor den Olympischen Spielen in Sydney 2000 einer Initiative zustimmte, die Sportlern aus diesen Ländern eine Teilnahme an den Olympischen Spielen mit einer Wildcard und ohne vorherigen Leistungsnachweis gestattete?.dabei sein ist alles dachte sich da auch ein 22-Jähriger aus Äquatorialguinea, einer ehemaligen spanischen Kolonie in Westafrika. So reiste Eric Moussambani dann also nach Sydney, um sein Land im Schwimmbecken über 100 Meter Freistil zu vertreten, er sollte weltberühmt werden.

Nach seinem ersten Auftritt bei Olympischen Spielen brodelte die Gerüchteküche. Er, der arme Sohn eines Bauern, sollte in den meterhohen Wellen des Atlantiks trainiert haben. In seiner armen Heimat sei das längste verfügbare Schwimmbecken nur 20 Meter lang, einige sahen ihn auch in krokodil-verseuchten Flüssen seine Bahnen ziehen, es gab kaum eine Version, die Eric Moussambani nicht angedichtet wurde. Mit der Wirklichkeit hatte das allerdings alles wenig zu tun. Moussambani hatte vor den Spielen nur ein bisschen trainiert, und sein Vater ist kein armer Bauer, sondern Anwalt. Aber nach seinem legendären Auftritt im Aquatic Center von Sydney interessierte das niemanden mehr. Denn in seinem Vorlauf, in dem er ganz alleine antrat, weil seine Gegner bereits wegen Fehlstarts disqualifiziert worden waren, hatte sich Moussambani als fast Nichtschwimmer hervor getan. Schon sein Start war ausgesprochen unelegant, auf der Bahn wirkte er eher wie ein tollpatschiger Hund, der durch wilde Ruderbewegungen nach vorne zu kommen versuchte als wie ein Schwimmer. Nie zuvor war Moussambani mehr als 50 Meter am Stück geschwommen und die Strecke von 100 Metern forderte seine letzten Kräfte. Die Zuschauer aber waren begeistert von diesem Außenseiter, der so gar nichts von der Perfektion der anderen Olympioniken hatte, der so menschlich und so durchschnittlich war. Zehn Meter vor dem Ziel wirkte Moussambani dann wie ein Ertrinkender, die Betreuer wollen schon eingreifen und ihn retten, aber das Publikum gönnte dem jungen Afrikaner seinen Erfolg, er sollte den Lauf zu Ende bringen. Mit stehenden Ovationen und wilden Anfeuerungsrufen treibt das Publikum Moussambani in Richtung Beckenrand und er schafft es, aus eigener Kraft schlägt er nach einer Minute und 52,72 Sekunden an. Das ist die langsamste je geschwommene Zeit in einem olympischen Rennen über 100 Meter Freistil, aber Moussambani ist das egal. Hauptsache, er hat es hinter sich. Dass er sogar sieben Sekunden langsamer war als der Weltrekord über 200 Meter, ist für ihn vollkommen unwichtig, er muss sich erstmal erholen. Und auch das Publikum interessieren die Zeiten und Weltbestleistungen plötzlich nicht mehr, sie haben den jungen Beckenplantscher ins Herz geschlossen, er ist das belebende Element, die lockere Natürlichkeit in einem Sport, der immer mehr perfektioniert wird und immer weiter vom sportlichen Erlebnis des einzelnen Durchschnittsmenschen entfernt ist. Das spüren auch die Medien und die Werbeindustrie, beide sind unmittelbar zur Stelle. Der schlechteste Schwimmer aller Zeiten bekommt fast genauso viel Aufmerksamkeit wie die Stars, ein namhafter Sportartikelhersteller dreht mit Moussambani am Strand von Sydney einen Werbespot und die Medien senden eben jene erwähnten Gerüchte um die Welt.

In die nächste Runde schafft es Moussambani dennoch nicht und er ist darüber trotz allem mit Sicherheit schmeichelhaften und spannenden Rummel um seine Person sehr enttäuscht. Schließlich hatte er seinen Vorlauf doch gewonnen, mehr gegen sich selbst als gegen irgendwelche Gegner, aber immerhin. Seine Zeit ist aber einfach zu schlecht und Moussambani räumt ein, dass er am Ende schon kurzzeitig befürchtet habe, er könne ertrinken, insofern nimmt er schließlich die Entscheidung der Offiziellen, vielleicht insgeheim sogar mit ein bisschen Dankbarkeit, auf.

Was aber nicht heißt, dass er aufgibt, ganz im Gegenteil. Er will nicht nur der etwas belächelte, mitleiderregende Athlet aus Afrika sein. Er will zurückkommen und besser sein. Also beginnt er nach seiner Rückkehr in die Heimat ernsthaft zu trainieren, denn den Titel als langsamster Profischwimmer der Welt will er so schnell wie möglich loswerden. Ein Jahr nach den Olympischen Spielen von Sydney tritt er bei der Schwimmweltmeisterschaft in Japan an - und wird immerhin Vorvorletzter.

Allerdings interessiert sich jetzt niemand mehr für ihn, er ist in das wenige spannende Mittelfeld der nicht außergewöhnlich talentierten Profis hinein geschwommen, diese Sportler schwimmen eben so mit, nicht mehr und nicht weniger. So geht es nun auch Moussambani, keine Standing Ovations mehr, keine Anfeuerungsrufe, so hatte er sich das sicher nicht vorgestellt. Zu den Olympischen Spielen nach Athen sendet ihn sein Land nicht mehr. Das Nationale Olympische Komitee von Äquatorialguinea habe ihm mitgeteilt, es habe ihn nicht für die Spiele melden können, weil es sein Passfoto nicht gefunden habe, sagte Moussambani, der ehemalige Fast-Nichschwimmer, sichtlich enttäuscht.

Eric Moussambani ist mit Sicherheit einer der unterhaltsamsten Anti-Helden der Olympischen Spiele, aber er ist bei Weitem nicht der Einzige.

     mehr zum Thema
     Ihr Kommentar

Not Found!(404)

Not Found!(404)