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Paavo Nurmi (2)
   2008-04-21 15:21:27    Seite Drucken    cri

Der schweigsame, rätselhafte Finne, um den sich schon zu Lebzeiten die wildesten Gerüchte rankten, wird uns heute wieder begeistern und in Staunen versetzen. Denn in unserer heutigen Sendung werden wir den Höhepunkt seiner Karriere erleben. Am Ende dieser Sendung werden wir dann auch verstehen, warum er mehr als 15 Jahre nach seinem Tod im Jahre 1973 und über 60 Jahre nach seinem letzten Auftritt bei Olympischen Spielen vom Internationalen Leichtathletikverband zum besten Läufer aller Zeiten über die 5.000 und zum zweitbesten über die 10.000 Meter gewählt wurde.

Nach seinem erfolgreichen Debüt bei den Olympischen Spielen 1920 in Antwerpen machte sich Paavo Nurmi auf, zum dominierenden Läufer seiner Zeit zu werden. Am 22. Juni 1921 stellte er in Stockholm erstmals einen neuen Weltrekord auf, für die 10.000 Meter brauchte er nur noch 30:40,2 Minuten. Diesem ersten Weltrekord sollten weitere 21 folgen, seine Hallenweltrekorde sind herbei nicht verbucht, denn diese erfasst der internationale Leichtathletikverband erst seit 1987. Bis 1923 hatte sich Nurmi die drei prestigeträchtigsten Mittel- und Langstreckenweltrekorde gesichert, den über die Meile und die über die 5.000 und 10.000 Meter. Nie zuvor hatte ein Athlet das erreicht. Aber es war nicht diese Leistung, mit der sich Nurmi in die Geschichtsbücher eintrug. Die dafür entscheidende Leistung errang er erst 1924 auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Bei seiner Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1924 teste Nurmi den sehr eng gesteckten Wettkampfplan der herannahenden Spiele in Paris. In Paris sollten der 1.500 und der 5.000 Meter Lauf innerhalb von einer Stunde gestartet werden. Und Nurmi, der Analytiker, bereitete sich exakt auf diese körperliche Herausforderung vor. Am 19. Juni 1924 startet er in Helsinki zu Trainingszwecken erneut über diese beiden Distanzen innerhalb von einer Stunde. Über die 1.500 Meter stellte er einen neuen Weltrekord auf, nur um diesem 50 Minuten später einen weiteren über 5.000 Meter folgen zu lassen. Die Welt war verzückt und hätte ihm schon deshalb einen Eintrag in die Geschichtsbücher gesichert, aber es sollte besser kommen, bei den Olympischen Spielen 1924 in Paris.

Dabei ließ es Nurmi, der Minutenzähler, zunächst einmal ganz langsam angehen. In der Qualifikation für die 5.000 Meter lief er zunächst so langsam, dass er sich dabei in Ruhe mit seinem Landsmann Eino Seppälä unterhalten konnte. Erst als das Publikum durch Pfiffe seinen Unmut kundzutun begann, startete Nurmi durch, rollte das Feld von hinten auf und gewann mit Leichtigkeit. Die 1.500 Meter Qualifikation nutzte Nurmi wieder ganz Stratege, um seine Laufgeschwindigkeit zu testen. Nach der ersten Runde steht fest, er ist schnell genug, er nimmt Tempo raus und gewinnt dennoch. Lag zwischen den beiden Qualifikationen wenigstens noch ein Tag, so stehen nun am 10. Juli die beiden Finalläufe innerhalb von einer Stunde an. Zunächst geht es über die 1.500 Meter. Paris erlebt eine ungeahnte Hitzewelle, vielleicht für einen Läufer aus dem kühlen Norden eine Beeinträchtigung. Aber nein, dem kühlen Nurmi können auch die hohen Temperaturen nichts anhaben. Schon nach 200 Metern führt Nurmi, er zieht das Tempo gnadenlos an und setzt sich ab. Nach 800 Metern liegt seine Zeit schon drei Sekunden unter seinem Weltrekord vom Juni. Bis zur letzten Runde versucht Ray Watson aus den USA dranzubleiben, dann schwinden auch ihm die Kräfte, Nurmi wird siegen, das steht bereits fest, also nimmt er das Tempo etwas raus. Er holt sein viertes Olympisches Gold, unterbietet seinen eigenen Weltrekord am Ende aber nicht. Während die anderen Athleten sich noch von den Strapazen des Laufes in der heißen Pariser Luft erholen, bereitet sich Nurmi auf den Start im 5.000 Meter Lauf vor. Denn in diesem Rennen trifft er auf einen ernstzunehmenden Rivalen, sein Landsmann Ville Ritola tritt ebenfalls an. Ritola hat Selbstbewusstsein getankt, er ist einige Tage zuvor bereits über die 10.000 Meter und die 3.000 Meter Hindernis zu Gold gelaufen und Nurmi hat die 1.500 Meter noch ganz frisch in den Beinen. Der Schwede Wide will es auch noch wissen und startet in einem extrem hohen Tempo in den Lauf, Ritola bleibt dran, Nurmi führt das Feld an. Wide muss nach 2.000 Metern langsamer werden, Nurmi übernimmt die Führung, Ritola bleibt ihm auf den Fersen und so soll es bis zur letzten Runde bleiben. Dann naht die letzte Runde und Ritola setzt zum Sprint an. Nurmi kann aber kontern, er verschärft das Tempo und erreicht als erster das Ziel, einen Meter vor Ritola. Seine beiden Olympiasiege lagen aufgrund einer kurzfristigen Verschiebung des zweiten Laufes nur 75 Minuten auseinander. Innerhalb von zwei Monaten hat er zweimal das unglaubliche geschafft, er hat innerhalb von weniger als zwei Stunden zwei Rennen gewonnen und dabei einmal sogar in beiden Läufen neue Weltrekorde aufgestellt. Dafür wird man Nurmi nie wieder vergessen.

Einen Tag später ist Nurmi immer noch topfit. Gemeinsam mit seinem Gegner vom Vortag, mit Ville Ritola, deklassiert er das restliche Feld in der Qualifikation für die 3.000 Meter Mannschaftswertung. Der nächste Tag, Samstag der 12. Juli ist der heißeste Tag dieses Sommers, es herrschen 42 Grad in der Sonne. Schön vielleicht für die Pariser, aber ein Debakel für die Olympioniken, die an diesem Tag zum Querfeldeinlauf über 10.650 Meter starten. Denn die Strecke führt an der Seine entlang, weit und breit kein Fitzelchen Schatten, außerdem wird die Luft von einem Kraftwerk in der Nähe verpestet. 38 Läufer gehen an den Start, darunter auch wieder der Schwede Wide, selbstverständlich Ville Ritola und Paavo Nurmi. Wide versucht die Rivalen wieder mal mit einem schnellen Anfangstempo abzuschütteln, aber unter den gegebenen Bedingungen ist das eine Fehlentscheidung. Schon nach knapp fünf Kilometern setzten sich die beiden Finnen ab, um auf der weiteren Strecke durch die sengende Sonne und über dorniges Unkraut hinweg, einen Zweikampf zu betreiben. Am Ende gewinnt Nurmi die Goldmedaille und Ritola holt Silber. Um als Mannschaft erfolgreich zu sein, muss ein weiterer Finne ins Ziel kommen. Nurmi, der einen kaum erschöpften Eindruck macht, nutzt die Zeit, um im Innenraum noch ein paar Stretchübungen zu absolvieren, inzwischen stolpern die Reste des Feldes vollkommen entkräftet ins Stadion. Von den 38 Startern kommen 15 ins Ziel, acht müssen direkt ins Krankenhaus eingeliefert werden. Unter denen, die es ins Ziel schaffen, ist auch ein weiterer Finne. Heikki Liimatainen sichert dem Team die Goldmedaille, es ist Nurmis vierte bei diesen Spielen. Die Leistung, die Paavo Nurmi in der Hitzeschlacht von Columbes, wie ein deutscher Journalist dieses Rennen nannte, vollbrachte, veranlasste das französische Sportmagazin Miroir des Sports zu vermelden: Paavo Nurmi überschreitet die Grenzen der Menschheit. Und da waren die Spiele noch nicht zu Ende.

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