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Paavo Nurmi
   2008-04-14 17:14:44    Seite Drucken    cri

Schon zu Lebzeiten war er eine Legende. Weltberühmt und doch den meisten ein Rätsel, begeisterte er wie kein anderer die Massen. Noch 24 Jahre nach seinem letzten Auftritt bei Olympischen Spielen reagierten die Zuschauer bei seinem ersten öffentlichen Erscheinen nach langer Abstinenz frenetisch, einige waren zu Tränen gerührt. Schon kurz nach seinen zweiten Olympischen Spielen hatte ihm sein Land ein Denkmal errichtet und sogar ein Asteroid ist nach ihm benannt. All das ist so außergewöhnlich wie dieser Mann, wie seine Karriere, wie seine sportliche Leistung. In seiner Zeit galt er beinahe als Übermensch und viele bemühten sich vergeblich ihn, das Phänomen, zu erklären. Er ist der größte Athlet des vergangenen Jahrhunderts, da sind sich die Experten ausnahmsweise mal alle einig und obwohl sich seit der Hochzeit seiner Karriere, den 1920er Jahren, im Sport einiges extrem verändert hat, rangiert er in der ewigen Bestenliste nach wie vor unter den ersten drei. Die Kenner unter Ihnen wissen bestimmt längst, von wem hier die Rede ist. Es kann nur einer sein, der schweigende Finne, der fliegende Finne, Paavo Nurmi.

Erstaunlicherweise hat Nurmi seine Popularität keineswegs einer bewussten Vermarktung seiner Person zu verdanken, Ideen dieser Art waren ihm vollkommen wesensfremd, er hatte eine ehrliche Abneigung gegen jeglichen Rummel um seine Person, aber gerade das scheint dazu beigetragen zu haben, ihn noch interessanter zu machen. Die Gerüchte und Fehlannahmen sind ebenso zahlreich wie die Lobeshymnen auf ihn, die Amerikaner glaubten, er ernähre sich nur von Haferflocken, die Welt glaubte lange, er sei Vegetarier, beides erwies sich als falsch. Der Versuch zu erklären, warum Nurmi seine Gegner so deklassierte und so lange dominierte, trieb eben immer wieder Blüten, dabei war Nurmis Rezept eigentlich eher simpel. Er trainierte unbeschreiblich hart und vor allem, was für seine Zeit ungewöhnlich war, sehr systematisch. Seine Schweigsamkeit und die Kälte, die man ihm nachsagte, waren vielleicht die Voraussetzung für seine Fähigkeit, sich selbst im Training, im Wettkampf und im Leben zum Äußersten zu treiben. Wer weiß, wie Nurmi aufgewachsen ist, kann vielleicht ein bisschen besser verstehen, was ihn zu diesem rätselhaften, beinahe sagenumwobenen Erfolgsathleten machte. Nurmi wurde an einem Sonntag, am 13. Juni 1897, in der finnischen Hafenstadt Turku geboren. Er war das zweite Kind, allerdings starb seine ältere Schwester im Alter von zwei Jahren. Sein Vater war ein Kleinbauer und Pächter, später bekam er eine Stelle als Schreiner. Und dennoch lebte die Familie unter einfachsten Bedingungen ein hartes und entbehrungsreiches Leben. Der Vater war schweigsam, gottesfürchtig und sehr sparsam, seine Mutter herzlich und einfühlsam. In seiner freien Zeit trainierte der kleine Nurmi bereits, bei allen Spielen lief er immer schneller als seine Altergenossen und bald entwickelten die Nachbarskinder ein hartes Trainingsprogramm. Jeden Tag standen Springen und Werfen auf dem Programm, viermal in der Woche ging es auf langen Läufen querfeldein. Ein älterer Junge machte den Trainer. 1908 lief der gerade elfjährige Nurmi auf einem sandigen Kurs die 1.500 Meter bereits in 5:02 Minuten. In Finnland lag das Laufen damals in der Luft. Finnland, das noch ein Teil des russischen Reiches war, durfte bei den Olympischen Spielen 1912 als eigenes Land antreten, das allein beflügelte die junge Nation. Als dann Hannes Kolehmainen auch noch dreimal Gold holte, löste das in Finnland eine Art Laufepidemie aus. Kolehmainen wurde auch Nurmis großes Vorbild und nach dessen Siegen beschloss Nurmi, Läufer zu werden, ein Ziel, das er nie wieder in Frage stellte. Aber der Weg dahin war hart. Denn 1910 war sein Vater gestorben, seine Mutter musste Paavo und seine zwei Geschwister mit Gelegenheitsarbeiten durchbringen. Und Nurmi musste mit anpacken, er fuhr Backwaren aus, hackte Holz und schleppte Wasser. Freie Zeit blieb da kaum noch und wenn, verbrachte er sie, wie er sich erinnert, gehend. Jede auch noch so schwere Arbeit war für ihn nur deshalb erträglich, weil er sie als wertvolles Training betrachtete. Er lernte früh, dass er, der Junge armer Eltern, sich nur durch Leistung abheben konnte, und dass er härter arbeiten musste als andere. In der Schule war er der viertbeste, aber es war kein Geld da für eine weiterführende Schule. Nurmi fing in einem Ingenieurladen an, von seinem ersten Geld kaufte er sich nach dem 10.000 Meter Gold Kolehmainens sein erstes Paar Laufschuhe. Denn im Laufen würde er die Chance haben, zu zeigen, was in ihm steckte und dafür würde er arbeiten, so hart, wie er es eben gewohnt war. Im Alter von 17 Jahren trat Nurmi dem Sportclub seiner Heimatstadt bei und auch als erfolgreicher Athlet hielt er ihm die Treue. 1919 musste Nurmi zum Wehrdienst, 1920 durfte er zu seinen ersten Olympischen Spielen, eine außergewöhnliche Karriere sollte beginnen. Bei den Olympischen Spielen in Antwerpen 1920 trat Nurmi in vier Disziplinen an. Er startet über die 10.000 Meter, im Querfeldeinlauf in der Einzel- und Teamwertung und über die 5.000 Meter. Nurmi war sehr entspannt, er, der kühle Analytiker ging sein Olympia-Debüt sehr rational an. In der Qualifikation für die 5.000 Meter schonte er sich, hielt sich im Feld und wurde schließlich zweiter. Fürs Finale hatte sich Nurmi eine aggressive Strategie zurechtgelegt, er wollte seine gefährlichen Gegner, die Schweden Backman und Falk, durch ein hohes Tempo ermüden. In Runde drei übernimmt er die Führung und baut sie weiter aus. Nur einer bleibt hartnäckig an Nurmi dran und es ist kein Schwede, es ist Joseph Guillemot aus Frankreich. Am Ende kann Guillemot sogar noch einen Sprint ansetzen, in der letzten Kurve zieht er an Nurmi vorbei, Guillemot gewinnt, es wird das letzte Mal sein, dass Nurmi so einfach zu schlagen sein wird. Nurmi gewinnt dieses Mal nur Silber. Es folgen die 10.000 Meter, in der Qualifikation lässt er es wieder ruhig angehen. Das Finale wird spontan einige Stunden vorverlegt, der belgische König hatte darum gebeten. Für Nurmi, der schon damals immer mit der Stoppuhr in der Hand lief, war das kein Problem. Er lief mit der Uhr in der Hand weniger gegen seine Gegner als gegen die Zeit. Heute werden den Athleten die Zwischenzeiten auf Tafel angezeigt beziehungsweise zugerufen. Nurmi musste sich diesen Service noch selbst zur Verfügung stellen, war damit seiner Zeit aber weit voraus. Nun auch im 10.000 Meter Rennen folgte der Analytiker also seiner Taktik. Er hängt sich zunächst an den schnellsten Mann aus der Qualifikation, als sich dies als gefährlich erweist, schließt Nurmi mit einer scheinbar kinderleichten Tempoverschärfung zur Spitze auf. Einen Kilometer vor dem Ziel ist Nurmi wieder vorne dabei, sein einziger Konkurrent heißt Joseph Guillemot. Und Nurmi schlägt ihn mit seinen eigenen Waffen, nachdem Nurmi den Franzosen bis zur letzten Kurve die Führungsarbeit machen lassen hat, zieht er schließlich vorbei, Guillemot kann das Tempo nicht mehr mitgehen. Nurmi holt sein erstes olympisches Gold. Der schweigsame, eigenwillige Finne nimmt die Medaille vollkommen emotionslos entgegen und begeht das Ereignis in einer Art, die für ihn bald kennzeichnend werden soll, er verlässt den Ort des Geschehens, wie schon eingangs gesagt, Nurmi hasste jede Form von Rummel. Die Spiele sind schon fast zu Ende und Finnland ist im Freudentaumel. Sein großer Held, Nurmis Idol, Hannes Kolehmainen hatte im Alter von 31 Jahren einen Tag zuvor den Marathonlauf gewonnen. Für Nurmi steht aber noch der Querfeldeinlauf an. Acht Kilometer und einige Schwierigkeiten liegen vor den 51 Läufern, aber einen Nurmi voller Selbstbewusstsein kann das nicht schrecken. Er legt ein rasantes Tempo vor und führt schon nach kurzer Zeit. Keiner kann sein Tempo mitgehen. Kurz vor dem Stadion läuft Nurmi 50 Meter vor dem Schweden Backham, aber er lässt ihn rankommen. Der Schwede läuft zuerst ins Stadion ein, 200 Meter vor dem Ziel setzt Nurmi zu einem eindrucksvollen Sprint an und siegt. In den späteren Jahren lief Nurmi nur dann Sprints, wenn es unbedingt sein musste, denn eigentlich lautete seine Taktik, wie er selbst viel später einmal erklärte, ganz anders. „Wenn Du gegen die Zeit läufst, brauchst Du nicht zu sprinten. Die Anderen können Dein Tempo nicht mithalten, wenn Du das Tempo konsequent bis zum Ziel hoch genug hältst." Und das sollte er in Zukunft tun. Aber noch sind wir bei den Spielen in Antwerpen, beim Querfeldeinlauf.

In diesem Lauf wird ein weiterer Finne Dritter, und auch den fünften Platz besetzten die Finnen. Damit gewinnen sie in der Mannschaftswertung Gold. Denn, um mit der Mannschaft zu gewinnen, musste ein Land mindestens drei Läufer ins Ziel bringen, deren Platzierungen wurden in Punkte umgerechnet, das Team mit der niedrigsten Punktzahl gewann. Nurmi gewinnt damit bei seinem Debüt bei den Olympischen Spielen in allen vier Disziplinen, in denen er angetreten ist, eine Medaille, drei davon sind Gold, eine ist Silber. Die Sportwelt hat damit diesen scheinbar so emotionslosen Mann kennen gelernt.

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