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Beijing anhand seiner Hutongs entdecken
   2008-03-27 13:53:19    Seite Drucken    cri

Für Beijing-Urlauber sind die historischen Sehenswürdigkeiten der Stadt wie der Kaiserpalast, der Sommerpalast und die Große Mauer ein Muß. Die herrlichen und majestätischen Bauten sind Träger der Jahrtausendalten chinesischen Kultur. Ebenfalls ein Muß für Touristen sind aber auch die Hutongs, die sich kreuz und quer durch die chinesische Hauptstadt ziehen.

"Hutong" ist ein mongolisches Wort. Als Beijing im 13. Jahrhundert Hauptstadt der von den Mongolen errichteten Yuan-Dynastie war, wurde auch das Wort Hutong eingeführt. Es ist eine Sammelbezeichnung für kleine Straßen und Gassen.

Die Hutongs sind zum größten Teil sehr schmal. Zu beiden Seiten der Hutongs liegen ausnahmslos graue Häuser mit rot lackierten Holztüren.

Für Florel Trevot, Studentin an der Pariser Architekturakademie, sind die Hutongs lebendige Museen, die die historische Umwandlung sowie die Folklore Beijings widerspiegeln.

Florel Trevot war bereits als Touristin mehrere Male nach China gekommen. Mitte vergangenen Jahres kam sie wieder in Beijing an und ließ sich hier ein halbes Jahr lang nieder, um ihre Magisterarbeit zu schreiben.

"Ich interessiere mich sehr für Denkmalschutz, das ist ein Thema, das heutzutage in China von großer aktueller Bedeutung ist. China kann als das Land mit den schnellsten Veränderungen weltweit bezeichnet werden. Diese Veränderungen ereignen sich jedes Jahr, ja sogar jeden Monat. Es kann passieren, dass zehn Jahre alte Bauten oder auch Jahrzehnte alte Bauten auf einmal nicht mehr stehen. Die Chinesen sind jedoch mittlerweile zu der Erkenntnis gekommen, daß der Schutz der historischen Bauten notwendig ist. Erfahrungen haben aber bewiesen, dass der Schutz sämtlicher alter Bauten unmöglich ist. So hoffe ich, die historischen Bauten auf Fotos, Bildern und schriftlichen Aufzeichnungen festhalten zu können. Ich hatte schon immer einen großen Respekt vor der traditionellen chinesischen Baukunst. Und die Städteplanung hat in China eine lange Tradition. Beijing ist das beste Studienobjekt dafür."

Beijing hat eine mehr als 3.000-jährige städtebauliche Geschichte, als Hauptstadt von sechs Dynastien wurden hier zahlreiche architektonische Meisterwerke hinterlassen. Die Hutongs sind ein typisches Beispiel dafür.

Entstanden sind die Beijinger Hutongs zum größten Teil in der Yuan-Dynastie im 13. Jahrhundert. Schwer zu beantworten ist aber die Frage, wie viele Hutongs es eigentlich in Beijing gibt. "Es gibt 360 bekannte Hutongs, die unbekannten Hutongs sind so unzählig wie Rinderhaar", besagt ein altes Beijinger Sprichwort.

Florel Trevot hat im Laufe ihrer Forschung mehr Kenntnisse über die Beijinger Hutongs erworben:

"Bei dem Wort "Hutong" denken viele an lange, schmale Gassen, hölzerne Türen und steinerne Treppen. Dies sind jedoch nur die grundlegenden Elemente eines Hutongs. Viele Hutongs sehen aufgrund der Geschichte des Wohnviertels, der topographischen Lage und der Identität der Bewohner anders aus. Ich verstand auch am Anfang nicht, warum man oft drei, vier oder sogar sieben Treppenstufen hochsteigen muss, bevor man ein Haus betreten kann. Später erfuhr ich, dass die Anzahl der Treppenstufen die Stellung des Hausherren symbolisierten. Dadurch habe ich ein noch größeres Interesse an den Hutongs bekommen."

Ähnlich wie die Treppenstufen die Stellung des Hausherren erahnen ließen, so geben die Türpfeiler beiderseits der Haustür Auskunft über die Ämter der Bewohner. Viereckige Türpfeiler waren ein Symbol für zivile Angestellte, da sie wie die Bücherkoffer der Gelehrten aussehen. Runde Türpfeiler waren hingegen ein Kennzeichen für das Haus von Militärbeamten, weil sie von der Form her Kriegstrommeln ähneln. Und löwenförmige Türpfeiler durften nur am Haus von Angehörigen der Kaiserfamilie angebracht werden. Außerdem darf man nur über die Türschwelle hinein ins Haus eintreten. Das Betreten der Türschwelle ist verboten, da die Türschwelle der Abwehr von bösen Geistern dient und praktischerweise auch noch vor Straßendreck schützt.

Die alten Gassen Beijings sind nicht nur wegen ihrer architektonischen Besonderheiten, sondern auch wegen ihrer Bewohner sehr sehenswert. Die alten Beijinger sind noch gewohnt, in ihrem kleinen Wohnhof ein paar Dattel- oder Granatapfelbäume und verschiedene Zierblumen anzupflanzen und bei warmem Wetter etwas Ruhe und Behaglichkeit in ihren Wohnhöfen zu genießen.

Das Taubenzüchten ist ein Lieblingshobby der alten Beijinger. Ein Taubenzüchter lebt normalerweise mit dutzenden Tauben unter einem Dach. Die Tiere haben ihren eigenen Raum, egal, wie klein das Haus des Taubenzüchters auch sein mag. Es bereitet den Taubenzüchtern große Freude, ihre Tauben am frühen Morgen und am Abend fliegen zu lassen. Die hoch über den Hutongs widerhallende Taubenpfeife ist immer wieder faszinierend zu vernehmen und zieht zahlreiche Besucher in ihren Bann. Florel Trevot sagt dazu:

"Für uns Ausländer sind die Hutongs vor allem dank ihrer Bewohner sehr attraktiv. Die in den Hutongs lebenden alten Beijinger halten an ihrer Tradition und ihren alten Lebensgewohnheiten fest. Ich genieße es, sie beim Taubenfüttern, beim Spazierengehen mit einem Vogelkäfig in der Hand oder bei der Pflege ihrer Zierpflanzen zu betrachten. Die alten Beijinger sind alle sehr gesprächig und machen gerne Witze. Jeder hat scheinbar unendlich viele Geschichten zu erzählen, bei ihnen ist eindeutig eine positive Lebenshaltung wahrzunehmen."

Florel Trevot hat außerdem zum Malpinsel gegriffen und oft stundenlang ihre Lieblingshäuser gemalt.

"Ich beobachte alles in meiner Umgebung, Häuser, Menschen und Landschaften. Dabei werde ich wiederum auch von anderen beobachtet, das ist sehr interessant. Oft spricht mich jemand an und fragt mich, woher ich komme und was ich hier tue. Alle sind sehr freundlich, neugierig und gesprächig. Ich habe von ihnen viele Informationen erhalten, über ein Bauwerk oder einen Brauch etwa. Ich wurde auch als Gast in mehrere Beijinger Familien eingeladen. Es wundert mich sehr, dass in den meist düsteren und schäbigen Häusern so große Vitalität verborgen liegt. Zu finden sind in den Wohnhöfen Dattel- und Granatapfelbäume, Zierpflanzen und Aquarien. Dieser große Kontrast zwischen dem Inneren und dem Äußeren wundert mich immer wieder sehr."

Den fest verschlossenen Türen in den Beijinger Gassen gegenüberstehend, habe sie immer den Wunsch, sich nach den Geschichten hinter diesen Türen zu erkundigen, sagt Florel Trevot. Dieses Gefühl habe sie gegenüber den Bauten in anderen Ländern nur selten gehabt. Und der Prozeß dieser Erkundigungen mache zudem großen Spaß, so die Französin.

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