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Wie Phönix aus der Asche
   2008-03-03 17:06:25    Seite Drucken    cri

Vor jeden Olympischen Spielen überschlagen sich die Experten mit Prognosen und Analysen, wer ist der Favorit und warum, welche Chancen haben die Anderen. Immer wieder strafen die Athleten die Experten Lügen und das Publikum liebt vor allem die Underdogs, die wie Phönix aus der Asche völlig unerwartet aufsteigen und die Favoriten hinter sich lassen. Vielleicht haben gerade die Experten ihren Anteil an diesen Geschichten, denn nicht selten scheitern die Favoriten am großen Druck, der auf ihnen lastet, was dann erst den Weg frei macht für die, mit denen keiner gerechnet hat. Wir wollen Ihnen heute einige dieser Publikumslieblinge, dieser Überraschungssieger, vorstellen.

Die Französin Micheline Ostermeyer hatte ihr sportliches Talent schon früh unter Beweis gestellt, sie spielte erfolgreich Basketball und widmete sich dann der Leichathletik. Im Laufen, Werfen und Springen wurde sie mehrfach französische Meisterin, bei den Europameisterschaften 1946 in Oslo gewann sie Silber im Kugelstoßen. Bei diesen Lorbeeren hätte sie doch eigentlich als Favoritin gelten müssen, werden Sie zu Recht sagen. Nun Micheline Ostermeyer war aber eine so außergewöhnlich begabte Frau, dass sie auch noch großes musisches Talent besaß. Sie wurde bereits sehr jung zum Klavierstudium am berühmten Pariser Konservatorium zugelassen. Kurz vor den Olympischen Spielen 1948 stand für Micheline Ostermeyer die Abschlussprüfung am Konservatorium an und sie hatte sich entschieden, sich voll und ganz darauf zu konzentrieren. Daher musste der Sport in dieser Zeit ruhen.

Micheline trainierte wenig, wurde aber dennoch französische Meisterin über 60 Meter und dritte im Diskuswurf. Damit hatte sie sich für die Olympischen Spiele in London qualifiziert. Die Abschlussprüfung am Konservatorium bestand sie unterdessen mit Auszeichnung. Als der französischen Leichathletikmannschaft dann auch noch eine Diskuswerferin fehlte, entschloss sich Micheline quasi in letzter Minute, doch noch an den Olympischen Spielen in London teilzunehmen. Die Experten hatten sie aufgrund ihres Trainingsrückstandes selbstverständlich nicht auf der Liste, noch dazu wo doch der Diskuswurf nicht zu ihren Spezialdisziplinen gehörte. Micheline brachte die Experten durch Leistung zum Schweigen. Sie gewann Gold im Diskuswurf, beim Kugelstoßen und wurde dritte im Hochsprung. Damit war die Konzertpianistin Micheline Ostermeyer nach Fanny Blankers-Koen die erfolgreichste Athletin der Olympischen Spiele 1948 in London. Und wieder sorgte sie für eine Überraschung, als sie ihre Siege mit einem spontan veranstalteten Beethoven Liederabend im französischen Quartier feierte.

Edgar Aabye musste die Experten gar nicht erst eines Besseren belehren, denn sie kannten ihn nicht mal. Der dänische Journalist war zur Berichterstattung über die Olympischen Spiele 1900 nach Paris gereist. Als das schwedisch-dänische Tauziehen-Team noch einen Mann brauchte, fragte man einfach Aabye, ob er nicht mitmachen wolle. Er wollte und schien zudem nicht die schlechteste Wahl gewesen zu sein. Die schwedisch-dänische Mannschaft schaffte es bis ins Finale, zog dort das Team aus Frankreich über die Linie und gewann Gold. Was für eine unglaubliche Geschichte, dass der Olympiaberichterstatter Aabye vollkommen überraschend mit einer olympischen Goldmedaille aus Paris zurückkehrte.

Der irische Student John Puis Boland reiste zwar nicht zum Arbeiten zu den Olympischen Spielen 1896 nach Athen, aber auch nicht als Teilnehmer. Er wollte sich dieses neue Sportereignis mit der großen griechischen Tradition einfach nur anschauen und verband dies mit einem Besuch bei einem Studienfreund. Sein Freund Thrasyvoalos Manaos, der als Assistent des Organisationskomitees der Spiele arbeitete, überredete Boland, sich doch fürs Tennisturnier zu melden. Boland hatte keine Sportausrüstung dabei, meldete sich aber dennoch an. Er trat also in lederbesohlten Schuhen mit Absatz an und gewann überraschend ein Spiel nach dem anderen. Im Endspiel traf er schließlich auf den Griechen Dionysios Kasdaglis, den er mit 6:2 und 6:2 vom Feld fegte. Boland, der ehemalige Zuschauer, hatte die erste olympische Goldmedaille im Tennis bei den Spielen der Neuzeit gewonnen. Und unglaublich aber wahr, das war noch nicht alles. Im Doppel hatte er sich mit dem Deutschen Friedrich Adolph Traun zusammengetan. Die beiden harmonierten offensichtlich optimal, denn sie sicherten sich ebenfalls die Goldmedaille. Boland konnte mit zwei olympischen Goldmedaillen nach Oxford zurückkehren, wo er sein Studium zu Ende brachte.

Für den Amerikaner Paul Pilgrim sah es zunächst gar nicht gut aus. Er hatte zwar bei den Olympischen Spielen 1904 in St. Louis eine passable Leistung gezeigt. Über 800 Meter war er sechster geworden, mit der Mannschaft hatte er im Querfeldeinlauf über vier Meilen sogar Gold geholt. Die Chance überhaupt zu den Olympischen Zwischenspielen 1906 nach Athen reisen zu dürfen, schien er sich nach einem Ausscheiden in der Qualifikation allerdings verbaut zu haben. Er aber war von seiner Leistung so überzeugt, dass er die Offiziellen bat, antreten zu dürfen, wenn er die Reisekosten selbst trüge. Man erlaubte ihm zu starten, denn was sollte er schon anrichten, außer, dass er sich selbst blamieren würde. Über 400 und 800 Meter bewies Pilgrim, dass seine Selbsteinschätzung richtig gewesen war, er holte über beide Distanzen die Goldmedaille. Damit hatte nun wirklich niemand gerechnet. Ob der Verband ihm die Reisekosten im Nachhinein erstattete, wurde nicht festgehalten. Pilgrim war das in diesem, seinem größten sportlichen Moment, vermutlich auch herzlich egal. Bei den Spielen 1908 war aus dem Underdog nun der Favorit geworden und in dieser Rolle schien sich Pilgrim nicht wohl zu fühlen. Über 400 Meter schied er bereits im Vorlauf aus, er gewann nie wieder ein wichtiges Rennen.

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