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Vom Stadion auf die politische Bühne (2)
   2007-11-05 12:06:37    Seite Drucken    cri

In der vergangenen Sendung haben wir Ihnen ja bereits einige ehemalige Athleten vorgestellt, die nach dem Ende ihrer sportlichen Karriere der Öffentlichkeit als Politiker erhalten geblieben sind. Und ich habe Ihnen nach einem Ausflug in die USA versprochen, von den ehemaligen Sportlern auf der politischen Bühne im alterwürdigen England zu berichten. Von jenem Multitalent, das Ihnen in den kommenden Jahren in den Medien vermutlich noch öfter begegnen wird. Und wir wollen klären, ob im traditionsbewussten Japan Sportler auch in die Politik dürfen und wie sich ein Streiter für die irische Unabhängigkeit vom olympischen Geist gefangen nehmen ließ.

Begeben wir uns also erstmal nach England. Der Leichtathlet David Burghley gewann 1928 bei den Spielen in Amsterdam über 400-Meter Hürden die Goldmedaille. Später hatte Lord David Burghley einen Posten inne, um den ihn bestimmt viele beneiden. Drei Jahre nach seinem Olympia Sieg war er nämlich ins britische Parlament gewählt worden, zeitweise wurde er als Gouverneur von Bermuda eingesetzt.

Noch höher dekoriert wurde allerdings ein weiterer englischer Athlet. Philip Noel-Baker war bei den Olympischen Spielen 1920 in Antwerpen Zweiter über 1.500-Meter. 36 Jahre lang saß er nach dem Ende seiner Sportler-Karriere im Parlament, wo er ganz im Sinne des olympischen Geistes stets für den Frieden eintrat. Er war ein engagierter Pazifist. 1959 wurde er für sein unermüdliches Bemühen zur Förderung der Abrüstung mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Der britische Sportler, der über die Politik wieder noch enger mit dem Sport verbunden wurden, ist deutlich jünger als die vorgenannten. Die Rede ist von Sebastian Coe, dem dominierenden Mittelstreckenläufer der 1980er Jahre. Bei den Olympischen Spielen 1980 und 1984 gewann er Gold über die 1.500-Meter. 1992 zog er für die konservative Partei ins Parlament ein, bei den Wahlen 1997 verlor er seinen Sitz. Im Jahr 2000 wurde er auf Lebenszeit in den Adelstand erhoben, seither ist er offiziell Baron Coe. Er stieg dadurch ins House of Lords auf. Und das ist bei Weitem noch nicht alles.

Als bekannt wurde, dass London sich um die Austragung der Olympischen Spiele 2012 bewirbt, wurde Coe zunächst Botschafter für die Bewerbung, 2004 wurde er schließlich Vorsitzender des Bewerbungskomitees. Experten gehen davon aus, dass seine Berufung der Londoner Bewerbung das nötige Charisma und den Schwung verlieh. Der Coe-Faktor habe erheblich dazu beigetragen, dass London schließlich den Zuschlag bekam. Seitdem ist Sebastian Coe der Vorsitzende des Londoner Olympischen Organisationskomitees. Und in dieser Funktion wird dieser charismatische Athlet, heute Baron und Politiker, Ihnen in den kommenden Jahren bestimmt noch öfter begegnen. Man munkelt sogar, dass er eventuell der nächste IOC-Präsident werden könnte. Lassen wir uns also überraschen, welch große Karriere Sebastian Coe seiner ersten außergewöhnlichen Karriere folgen lassen wird.

Nun machen wir aber einen Ausflug auf die asiatische Insel Japan. Hier hat es zwar kein Sportler, dafür aber ein Trainer in die Politik geschafft. Allerdings nicht irgendein Trainer, sondern ein weltbekannter, fast schon gefürchteter Trainer, Hirofumi Daimatsu nämlich. Unter ihm gewann die japanische Frauen-Volleyballmannschaft 1964 die Goldmedaille. Der Trainer hatte seine Mannschaft mit härtesten Trainingsmethoden zum Erfolg geführt, für die er auch berüchtigt ist. Seine Spielerinnen mussten sechs Stunden täglich trainieren und das sieben Tage die Woche. Verabredungen mit Männern waren streng verboten, sie hätten negative Auswirkungen auf die Konzentration der Spielerinnen haben können. Passte ihm die Leistung der Spielerinnen nicht, trieb er sie mit Beleidigungen zu Tränen, oft schüchterte er sie mit verbalen Attacken ein. Als Politiker sind diese Verhaltensweisen von ihm nicht mehr bekannt. 1968 zog er in den Rat des japanischen Parlaments ein.

Weniger aggressiv trat dagegen der Ire John Pius Boland auf. Er reiste 1896 nach Athen, um einen Freund zu besuchen. Er wollte die Gelegenheit nutzen, den ersten Olympischen Spielen als Zuschauer beizuwohnen. Die olympische Atmosphäre faszinierte ihn derart, dass er sich in letzter Minute für das olympische Tennisturnier anmeldete. Er überstand alle Turnierrunden und fand sich schließlich sichtlich überrascht im Finale gegen den Griechen Dionysios Kasdaglis wieder. Mit 6:2 und 6:2 gewann er die Olympische Goldmedaille. Und auch im Doppel der Männer war er erfolgreich. Er hatte mit Fritz Traun aus Dresden einen deutschen Partner gefunden. Traun war zuvor in der Leichtathletik im Vorlauf über 800 Meter ausgeschieden, im Tennis war er dafür dann aber umso erfolgreicher. Traun und Boland gewannen Gold. 18 Jahre lang saß der Ire Boland später im britischen Parlament. Er war ein engagierter Befürworter der irischen Unabhängigkeit und stieg in seiner Fraktion der gemäßigten irischen Nationalisten zum Whip, zum Fraktionsgeschäftsführer auf.

Bolands Geschichte eröffnet ganz neue Perspektiven. Wer weiß, vielleicht gibt es bei den Spielen im kommenden Jahr auch einen Zuschauer, der plötzlich Ambitionen entwickelt. Allerdings kann man sich heute Gott sei Dank oder vielleicht auch leider nicht mehr kurz entschlossen zu den Spielen melden. Aber vielleicht treffen sich die Kurzentschlossenen dann einfach zum gemeinsamen Sport als Rahmenprogramm der Spiele. Gemäß dem olympischen Geist wäre das eine schöne Entwicklung und Boland hätte so was bestimmt gefallen.

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