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Ein Stuhlbein kommt zu Olympischen Ehren
   2007-10-22 14:50:40    Seite Drucken    cri

In Beijing geht die Auswahl der Fackelträger nun in die entscheidende Phase. Unzählige bewerben sich darum, das olympische Feuer tragen zu dürfen. Dabei war das olympische Feuer zunächst kein Bestandteil der Olympischen Spiele der Neuzeit. Erst 1936 in Berlin suchte man nach einer noch deutlicheren Annäherung an die Spiele der Antike, nach einem noch feierlicheren Beginn und erfand den Fackellauf. Seither ist er Teil der Olympischen Spiele.

Der engagierte australische Student Barry Larkin fand, dass der Fackellauf aufgrund dieser Historie vollkommen überbewertet und viel zu sehr verklärt wurde. Er wollte zusammen mit einigen Freunden die Welt darauf aufmerksam machen, dass der Fackellauf zu den Spielen der Nationalsozialisten 1936 in Berlin erfunden wurde. Ob er diese Botschaft vermitteln konnte, ist fraglich, aber Larkin sorgte für den erfolgreichsten Studentenstreich rund um die Olympischen Spiele.

Als die Olympischen Spiele 1956 in Melbourne, Australien, stattfanden, wurde das olympische Feuer von Cairns nach Melbourne getragen. Und die Fackel kam sehr langsam voran. Das Wetter setzte den Läufern und der Fackel zu. Sinnflutartige Regenfälle durchnässten die Fackel, ein paar Mal ging sie sogar aus, dann wiederum setzte die Hitze den Läufern so zu, dass sie kaum durchhalten konnten. In Sydney kam es dann aber noch viel besser. Barry Larkin und seine Freunde wollten, wie gesagt, die schon fast heilige Atmosphäre rund um den Fackellauf entweihen. Daher nahmen sie ein Stuhlbein, strichen es mit Silberfarbe an und setzten eine alte Blechdose oben drauf. Fertig war die olympische Fackel. Einer der Jungs zog weiße Sportklamotten an, der andere schlüpfte in seine Reservisten Luftwaffenuniform und setzte sich auf ein Motorrad. Da waren sie also, die so lang Erwarteten, der Fackelträger und die Eskorte. In die Fackel hatten die Jungs eine in kerosingetränkte Unterhose gesteckt, sie zündeten sie an und begaben sich in die Menge. Zu Beginn bemerkten wohl noch einige, dass es sich hierbei um einen Scherz handelte, sogar die Polizisten lachten über den Streich. Und dann geriet die Sache etwas außer Kontrolle. Der vermeintliche Fackelträger schwang die Fackel zu heftig, so dass die kerosingetränkte Unterhose aus der Fackel fiel. Er legte die Fackel in Panik nieder und rannte davon. Larkin hob die Stuhlbein-Fackel auf, ein anderer Freund versuchte die Unterhose zu löschen. Nun drängte die Menge bereits auf Larkin zu, sie hielten ihn für den richtigen Fackelträger und feuerten ihn an. Inzwischen wurde er auch schon von verschiedenen Polizisten eskortiert und er musste wohl oder übel mitspielen, also setzte er sich Richtung Rathaus in Bewegung. Als er dort ankam, stürzte ihm der aufgeregte Bürgermeister Pat Hills bereits entgegen. Er war von der frühen Ankunft der Fackel überrascht worden. Er hatte seine Vorbereitungen für den Empfang der Fackel nicht mehr abschließen können, daher versuchte er die Situation zu retten, indem er die Fackel übernahm und umgehend mit seiner Rede begann. Erst dann realisierte der Bürgermeister, dass dieses hölzerne Teil, das er da in der Hand hielt, unmöglich die Fackel sein konnte. Aber er setzte seine Rede fort, er musste mitspielen. Larkin selbst hatte nur einen Gedanken, nachdem er die Fackel übergeben hatte. Er wollte so schnell wie möglich weg, hinein in die Menge. Aber er durfte keinesfalls losrennen, solange er noch auf den Stufen des Rathauses war. Es gelang ihm, zu entkommen. Dennoch machte die Geschichte natürlich die Runde. Aber die Australier hatten genug Humor, um über diesen sehr gelungenen Streich zu lachen.

Als die echte Fackel das Rathaus erreichte, war die Mehrheit der Zuschauer bereits nach Hause gegangen. Die von Larkin so abgelehnte feierliche Stimmung hatte er auf jeden Fall erfolgreich vertrieben.

Am Morgen danach kam sogar der Rektor der Sydney University, an der Larkin studierte, auf Larkin zu. "Gut gemacht", sagte er. In der Mensa bekam Larkin Standing Ovations. Eine Prüfung, die Larkin an diesem Morgen ablegen musste, bestand er allerdings nicht.... Vielleicht war es doch alles ein bisschen viel Nervenkitzel gewesen.

Heute findet Larkin, dass es doch durchaus sehr passend war, dass die Fackel ausgerechnet mit dem größten Studentenstreich der australischen Geschichte auf dem australischen Kontinent ankam. Allerdings hat er eine ganze Weile lang jede Aussage zu diesem etwas aus dem Ruder gelaufenen Streich verweigert.

Und das, obwohl Larkin für seinen Streich nicht weiter bestraft wurde. Und das lag nicht nur daran, dass die meisten die Aktion sehr amüsant fanden. Der Organisator des richtigen Fackellaufs Marc Marsden war ein alter Bekannter von Larkin. Die beiden hatten beim Melbourne Football Club zusammen Football gespielt. Und für einen Sportkumpel kann man auch wirklich mal ein Auge zu drücken.

Die echte Fackel zog unterdessen ohne weitere Vorfälle im Olympiastadion von Melbourne ein, die Spiele konnten beginnen.

Auch die Beijinger Fackel wird auf ihrer langen Reise sicherlich einige Hindernisse bewältigen müssen. Das größte wird aber sicher kein Studentenstreich sein, sondern die Besteigung des höchsten Berges der Welt, des Mount Everest. Und nachdem auch ich mich als Fackelträger für die Olympischen Spiele beworben habe, allerdings in Beijing, nicht auf den Mount Everest, erwarte ich dieses Ereignis natürlich mit besonderer Freude. Und bei nächster Gelegenheit teile ich Ihnen auch mit, ob ich die Fackel auch wirklich tragen darf.

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