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Hans Günther Winkler
   2007-09-17 15:47:11    Seite Drucken    cri

Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde, sagt man und für kaum einen gilt dieses alte deutsche Sprichwort so wie für HGW, Hans Günther Winkler, den Reiter der deutschen Nachkriegszeit. Sein Ritt bei den Reitwettbewerben der Olympischen Spiele von Melbourne, die aufgrund von sehr strengen Quarantänebestimmungen der Australier in Stockholm ausgetragen wurden, machte ihn und seine Stute Halle zu Helden.

Halla, die Wunderstute. Als sie schließlich starb, meldete das sogar die deutsche Tagesschau. Für viele Menschen war es unvorstellbar, dass so ein außergewöhnliches Pferd wie "die Bild" titelte zu Seife verarbeitet wurde. Aber im Tod sind eben dann doch alle gleich und Halla kam daher eben auch in die Abdeckerei. Ihrem Ruhm tat das keinen Abbruch, noch heute bekommt das Pferd zum Geburtstag Briefe geschickt, heute legt der Briefträger diese am bronzenen Standbild von Halla im niedersächsischen Warendorf, dem Sitz des deutschen Olympiakomitees für Reiterei, nieder.

HGW errang diesen Ruhm mit Halla am 17. Juni 1956, am Schlusstag der Olympischen Reitwettbewerbe in Stockholm. Es war ein schwieriger Parcours, den die Offiziellen da gesetzt hatten. Nicht aufgrund der Höhe der Hindernisse oder aufgrund der Zeit. Es war die Art, wie die Hindernisse miteinander kombiniert waren, die Ross und Reiter alles abverlangte. Auf weite Sprünge folgten Steilsprünge, das Pferd musste in diesem Parcours auf den leisesten Schenkeldruck des Reiters reagieren. Das deutsche Team bestehend aus Alfons Lütke-Westhues, Fritz Thiedemann und HGW waren sich aber sicher, dass sie den Parcours packen konnten. Zunächst ritt Lütke-Westhues an. Er sammelte 16 Strafpunkte ein, damit sollte er am Ende zu den besseren zählen. Das Wetter spielte nun auch nicht mehr mit. Fritz Thiedemann musste durch einen heftigen Platzregen reiten und beendete seinen Durchgang mit acht Strafpunkten. Aber die Konkurrenz war stark. Der italienische Weltklasse Reiter Piero d'Inzeo ritt in den Parcours ein - auch er sammelte acht Strafpunkte ein. Nun musste HGW auf Halla ran. Schon beim morgendlichen Training hatte HGW bemerkt, wie wunderbar seine Stute ging, er war daher sehr zuversichtlich. Die beiden nahmen alle Hindernisse ohne Fehler, dann stand das dreizehnte, das vorletzte Hindernis an. Halla wollte einen Fehler vermeiden und gab sich in der Luft einen gewaltigen Ruck. HGW reagierte, um nicht aus dem Sattel geworfen zu werden, und presste die Knie zusammen - in diesem Moment durchfuhr ihn ein stechender Schmerz, er verlor den Steigbügel und kurzzeitig die Kontrolle über Halla. Am letzten Hindernis machten Ross und Reiter daraufhin einen Fehler. Als die beiden über die Ziellinie kamen, hing HGW mehr im Sattel als das er saß. Sowohl in der Mannschaftswertung als auch im Einzel lagen die Deutschen beziehungsweise HGW vorn. Aber HGW litt schreckliche Schmerzen, er musste vom Pferd gehoben werden. Man diagnostizierte einen Leistenbruch, später sollte sich allerdings herausstellen, dass er sich auch noch einen Bauchmuskelriss zugezogen hatte. Aber er wollte reiten, denn eine Medaille war zum Greifen nah. Man verabreichte ihm ein Zäpfchen, das stark genug war, um ein Pferd umzuwerfen, völlig benommen saß er auf Halla und nur ein eilig herbeigebrachter starker Kaffee machte HGWs Kopf wieder klarer. Seine beiden Mannschaftskameraden hatten den Parcours gut bewältig, alles hing von ihm und Halla ab. Die Entscheidung stand an, so beschreibt sie HGW selbst: "Ich grüßte den König, zeigte der Stute ihren Weg und dieses wunderbare Pferd, welches fühlte, dass es ihrem Reiter schlecht ging, machte mir die größte Liebeserklärung, indem sie am langen Zügel nur begleitet von meinen Schmerzensschreien als Einzige über jeden Sprung ohne Fehler ging. Sie ritten zu Gold, ohne das HGW einen Schenkeldruck austeilen konnte. Bei der Radioübertragung waren HGWs Schmerzensschreie deutlich zu hören. Dennoch, die deutschen Reiter hatten das Unmögliche vollbracht, Gold mit der Mannschaft und Gold für HGW in der Einzelwertung. Halla hatte bewiesen, was für ein Ausnahmetalent sie war, sie hatte den Parcours fast alleine bewältigt. Sie, die auf dem deutschen Olympiastützpunkt als untaugliches Militarypferd ausgemustert wurde und unter HGW zum Star wurde. Ein Pferd von zweifelhafter Herkunft, der Vater ein Traberhengst, die Mutter ein französisches Beutepferd. HGW sagte, sie war eine Mischung aus Genie und irrer Ziege, sensibel und intelligent, ein Straßenköter, der alles konnte, auch die Zeitung holen. Er und Halla wären füreinander geschaffen gewesen, beide hätten die guten Seiten ineinander zum Klingen gebracht, sonst wären beide namenlos geblieben. Denn auch HGW war ein Ausnahmetalent, er, dessen Vater Reitlehrer gewesen war und der im Krieg starb, musste als Flakhelfer auch noch in den Krieg und kehrte schließlich zu Fuß aus der Kriegsgefangenschaft heim nach Wuppertal, wo er das Haus der Mutter ausgebombt fand. HGW schlug sich als Reitlehrer bei der US-Armee durch und machte schließlich eine Lehre in einer Frankfurter Textilgroßhandlung. 1950 wurde HGW an den Olympia Stützpunkt Warendorf berufen, 1951 fand er Halla, seine Karriere begann. 1954 wird er in Madrid Weltmeister und lässt auch die letzten Zweifler verstummen, als er den Titel ein Jahr später erfolgreich verteidigt. Dann folgen die Spiele von 1956, der Rest ist bekannt. HGW wird einer der erfolgreichsten Springreiter aller Zeiten, 128 Mal gewinnt er Turniere auf Halla, dann geht die Stute in den Ruhestand und bekommt mit 16 Jahren noch acht Fohlen. HGW setzt seine Karriere fort, er nimmt auch an den Olympischen Spielen 1960, 1964, 1986, 1972 und 1976 Teil. Insgesamt gewinnt er fünfmal Olympisches Gold, einmal Silber und einmal Bronze. Er ist der einzige Reiter, der in einer Disziplin bei sechs Olympischen Spielen eine Medaille erringen kann. Drei olympische Goldmedaillen erspringt er mit Halla. Außerdem wird er einmal Europameister und dreimal Deutscher Meister. Er selbst sagt, er habe immer irgendetwas beweisen wollen, weil er in einer schwierigen Zeit groß geworden sei. Als er sich mit knapp 60 Jahren 1986 aus dem aktiven Reitsport verabschiedet, hat er es sicher allen bewiesen. Und er macht weiter, als erfolgreicher Trainer und als Sportvermarkter - bis heute ist der Terminkalender des inzwischen 81-jährigen voll. Noch heute denkt er oft an Halla, sie war einmalig, sagt er wehmütig.

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