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Der Marathon - mehr als ein Wettlauf  (2)
   2007-08-20 17:01:29    Seite Drucken    cri

Beim olympischen Marathon in St. Louis 1904 sah zunächst alles nach einer Riesensensation aus. Mit einer Viertelstunde Vorsprung kam der Amerikaner Fred Lorz ins Ziel. Er genoss den Jubel sichtlich, wenngleich dieser allerdings nicht von Dauer war. Denn ein Zuschauer berichtete, dass Lorz einen weiten Teil der Strecke in einem Begleitauto zurückgelegt habe. Lorz gab dies dann auch ohne Umschweife zu, er habe sich nur einen Spaß erlauben wollen. Es war auch mehr ein Zufall gewesen, dass er ins Ziel gelaufen war. Nachdem er bei Kilometer 14 aufgrund von Dehydrierung einen Muskelkrampf bekommen hatte, war er in ein Begleitfahrzeug gestiegen. Als das Auto kurz vor dem Ziel mit einem Motorschaden liegen blieb, stieg er aus. Und weil er nicht in der Sonne warten wollte, lief er dann doch ins Ziel. Das Olympische Komitee verstand allerdings in diesem Fall keinen Spaß und schloss Lorz lebenslang von den Olympischen Spielen aus. Der amerikanische Verband hatte mehr Humor, er ließ die Strafe schon 1905 auslaufen. Dies gab Lorz die Gelegenheit zu beweisen, dass er auch mit fairen Mitteln gewinnen konnte, 1905 siegte er beim Boston Marathon auf ehrliche Weise. Kommen wir aber zurück zum olympischen Marathon von St. Louis. Der zweite, der ins Ziel einlief, war Thomas Hicks, er war der rechtmäßig Sieger des Laufs. Aber auch da gibt es so einiges zu berichten. Bei Kilometer 24 war Hicks zum ersten Mal dem Zusammenbruch nah, das Rennen fand bei 28 Grand Celsius statt, weite Teile der Strecke lagen in der prallen Sonne. Hinzu kommt, dass bei den ersten Marathonläufen die Wasseraufnahme strengstens untersagt war, die Athleten trockneten oft lebensbedrohlich aus, aber man wusste es damals einfach nicht besser. Hicks bat bei Kilometer 24 um Wasser, aber er durfte sich nur den Mund damit ausspülen. Drei Kilometer weiter bekam er ein Eiklar mit einem Milligramm Strychnin. Das Gift wirkt schmerzstillend. Bei Kilometer 32 gabs zwei Eiklar, etwas Strychnin und einen Schluck Brandy, außerdem wurde Hicks mit warmem Wasser abgewaschen. Auf der letzten Meile sollten dann zwei weitere Eier und ein bisschen Brandy für den Endspurt sorgen, allerdings wirkte Hicks Zieleinlauf dennoch nicht wie ein Spurt. Völlig entkräftet kam er ins Ziel. Heute würde Hicks allerdings nicht als Sieger sondern als Dopingsünder Schlagzeilen machen. Die Episode zeigt, wie rückständig das sportmedizinische Wissen 1904 noch war und welchen Risiken sich die Athleten damals aussetzten. In St. Louis hielt außerdem ein Stau die Läufer auf. Nach einem Unfall blockierten zwei Autos die Straße so, dass die Läufer warten mussten, bis die Unfallstelle geräumt war.

Und der Marathon blieb eine außergewöhnliche Veranstaltung, der Lauf der Leiden machte seinem Namen auch in London bei den Spielen 1908 alle Ehre. Nach wie vor war die Wasseraufnahme während des Laufs strengstens verboten. Diese Regel kostete den jungen Italiener Dorando Pietri die Goldmedaille. Es war ein dramatisches Finish dieses Laufs, das den Marathon über Nacht zu einer weltweit bekannten Laufdisziplin werden ließ. Pietri lief als erster Läufer ins Stadion ein, aber die Kräfte schwanden zusehends. Er fiel um, stand wieder auf, taumelte erneut und fiel wieder, er brauchte für die letzten 355 Meter unsagbar lange 9:46 Minuten. Als der erste Verfolger das Stadion erreichte, hielt es einige Offizielle nicht mehr auf ihrem Posten. Einer von ihnen war der Sherlock-Holmes-Schriftsteller Sir Arthur Doyle. Sie stützen Pietri bis ins Ziel. Ob sie ihm damit wirklich einen Gefallen taten, ist fraglich, denn obwohl sie ihm nur wenige Meter vor der Ziellinie geholfen hatten, wurde der tragische Held disqualifiziert. Der Amerikaner John Hayes gewann.

Seit den Spielen in London müssen die Läufer im Übrigen die Strecke von 42,195 Kilometern zurücklegen. Die britische Königin bat darum, den Start des Marathons in den Schlosspark von Windsor zu verlegen, damit ihre Kinder den Start sehen konnten. Und wie das eben so ist mit königlichen Wünschen, man erfüllte ihn ihr. Der Marathonlauf begann im Windsor-Park, bis zur Loge der König im White-City-Stadion waren es exakt 26 Meilen und 385 Yards. Rechnet man die Strecke in Kilometer und Meter um, erhält man die heutige Streckenlänge. Seit den Olympischen Spielen von Paris 1924 sind die 42, 195 Kilometer von London die offizielle olympische Marathondistanz.

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