Startseite | Nachrichten | Zeitgeschehen | Chinesischkurs | China ABC | Inet Radio | Frage der Woche | Paralympics 2008 in Beijing | Sendeplan
 

-Empfangsbericht
-Feedback   -Archiv

Exklusivgespräch mit Dr. Raimund Lutz, Präsident des deutschen Bundespatentgerichts
   2007-06-29 16:54:55    Seite drucken   cri

Kürzlich war der Präsident des deutschen Bundespatentgerichts, Dr. Raimund Lutz, mit einer großen Delegation von deutschen Patentanwälten zu Besuch in Beijing. Eingeladen wurden sie von der Allchinesischen Patentagentenvereinigung ACPAA zur bisher größten Begegnung von Experten in diesem Bereich. Nach dem erwähnten Fachsymposium war er noch zu Gesprächen beim chinesischen Amt für geistiges Eigentum und den Volksgerichten verschiedener Instanzen eingeladen. Dr. Raimund Lutz war bereits in den 80er Jahren in Shanghai gewesen und kommt noch immer häufig auf Dienstreisen nach China. Im Gespräch mit Radio China International erzählte er uns, wie er und seine Kollegen über die großen Veränderungen in China erstaunt seien. Hören Sie nun das Gespräch mit ihm.

Qiu: Sehr angenehm, Herr Dr. Lutz! Es ist uns eine große Ehre, dass Sie uns hier ein Gespräch gestatten können. Mit Ihnen sind diesmal um die 60 deutsche Patentanwälte nach Beijing gereist. Ich habe mittlerweile schon mit einigen Anwälten gesprochen. Manche sind zum ersten Mal in China und freuen sich sehr, dass sie hier so viele chinesische Kollegen treffen können.

Lutz: Ja, ich möchte mich bei den chinesischen Freunden bedanken, dass sie uns immer so freundlich und so herzlich aufnehmen. Ich finde, diese Begegnungen und der Gedankenaustausch sind die Basis und der beste Weg, um die Freundschaft und das Verständnis zwischen unseren beiden Völkern zu fördern und voranzubringen. Und dabei ein kleines bisschen beizutragen zu können, das freut uns besonders.

Qiu: Sie sind ein alter Freund des chinesischen Patentamtes. Wie sie wissen, ist die Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland auf dem Gebiet des geistigen Eigentums und des Patentschutzes in den letzten Jahren wesentlich verbessert worden. Gibt es noch Nachholbedarf in diesem Bereich?

Lutz: Also, ich meine, das Wichtigste in diesem Bereich ist, dass die Gesetze in den verschiedenen Ländern möglichst gleich sind, möglichst harmonisiert sind. Das hilft den Erfindern in beiden Ländern dabei, Patente im jeweils anderen Land anzumelden. Die existierenden Welthandelsübereinkommen geben nur eine grobe Struktur vor. Was wir jetzt miteinander beraten, das sind entsprechende Vereinheitlichungen. Dabei dreht es sich um Detailfragen, wie zum Beispiel bei Patentanmeldung im Bereich der Biotechnologie, oder im Falle von Erfindungen im Computerbereich. Hier gibt das Patentgesetz keine genauen Vorgaben, wie man diese Dinge behandeln muss. Daher ist die Praxis sehr wichtig. An diesem Austausch der Praktiker, den wir fördern, sind beide Länder sehr interessiert. Es geht nunmehr um die Vereinheitlichung der Details in diesen Patentgesetzen.

Qiu: Da sehe ich aber auch ein Problem. Wie nämlich, kann bei der Formulierung gleicher Gesetze die Sprachgrenze überwunden werden? Denken Sie, dass die Formulierung einer Patentanmeldung eher in Englisch geschrieben werden sollte? Würde das auch einer Harmonisierung dienen? Wie sehen Sie das?

Lutz: Aus der Sicht der Patentanmelder, wäre es natürlich am besten, wenn die Anmeldungen alle in Englisch gemacht würden, auf der ganzen Welt. Aber nach meiner Erfahrung in Europa gelingt uns dies schon in Europa nicht. In Europa streiten wir seit 20 Jahren darüber, in welchen Sprachen man Patentanmeldungen machen darf. Und bis heute sind wir noch nicht weiter gekommen. Aber was wichtig ist, ist, dass die Patentanmeldungen, wenn sie dann erfolgt sind, in der Folgezeit, in einer Sprache, die auch andere verstehen können, veröffentlicht werden. Also, zum Beispiel in Englisch.

Deswegen gibt es momentan ein großes Projekt, das versucht, die Patenterteilungen, die das chinesische Patentamt vornimmt, ins Englische zu übertragen. Natürlich kann man das nicht in allen Details machen, das wäre ein viel zu kostspieliger Aufwand. Das chinesische Patentamt hat Tausende von Patenten, und das kann nicht alles ins Deutsche oder ins Englische übersetzt werden. Man beschränkt sich stattdessen zunächst mal auf die wichtigsten Auszüge aus den Patenten. Wenn dann jemand beim Lesen diese Auszüge feststellt, dass es ihn interessiert, dann kann er eine komplette Übersetzung anfordern. Das ist allerdings ein sehr wichtiger Punkt, den Sie hier ansprechen. Der Zugang zu Erfindungen in China, der ja zunächst im Chinesischen vorliegt, muss in Zukunft verbessert werden. Deshalb brauchen wir Übersetzungen.

Qiu: Kommen wir noch mal zurück zur Entwicklung des chinesischen Patentwesens. Wie beurteilen Sie den Entwicklungstrend dabei?

Lutz: Nun, das chinesische Patentamt hat sich in den letzten 30 Jahren zu einem der größten Patentämter der Welt entwickelt. Und es wird in den Kreis der führenden Patentämter aufgenommen werden. Wie gesagt, das chinesische Patentamt hat heute schon mehr Patentanmeldungen als das Europäische Patentamt, und das Europäische Patentamt war bisher das zweitgrößte Patentamt auf der Welt.

Qiu: China ist jetzt dabei, eine innovative Gesellschaft aufzubauen. Dieser Vorgang hat in Deutschland schon vor hundert oder mehreren hundert Jahren begonnen. Was meinen Sie dazu?

Lutz: Ja, ich habe in China gelernt, dass dies, was den Schutz der eigenen Erfindung anbelangt, eine andere Kultur ist. Der jetzige Präsident des chinesischen Patentamtes, Herr Tian Lipu, hat mir vor kurzem gesagt, dass er vor 30 Jahren, als wir unsere Gespräche gerade begonnen, als Dolmetscher dabei war. Er spricht hervorragend Deutsch. Er war Dolmetscher für die deutsche Delegation bei den Regierungsgesprächen hier in China. Er hat erzählt, dass es für die chinesischen Kollegen damals fast unvorstellbar war, einen Schutz für Patente einzuführen. Der Grund ist, dass man in China ursprünglich stolz darauf war, wenn die eigene Erfindung nachgebaut wurde, weil es als eine Ehre für den Erfinder galt. Doch auch in China hat man erkannt, dass man von dieser Ehre allein nicht leben kann. Man braucht auch eine finanzielle Anerkennung für die eigene Erfindung. Diese finanzielle Anerkennung braucht man vor allem dann, wenn man vorher viel Geld in die Erfindung investiert hat, also wenn es viel gekostet hat, die Erfindung zu machen. Genau das ist das Ziel des Patentwesens, dass man dem Erfinder den Aufwand, das Geld, das er bereits in diese Erfindung investiert hat, zurückgibt. Für einen kleinen Zeitraum soll er das Exklusivrecht haben, diese Erfindung zu verwerten. Nach Ablauf des Patentschutzes darf dann jeder diese Erfindung benutzen und auch nachahmen.

Qiu: Im Moment denken Sie schon über Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit chinesischen Volksgerichten verschiedener Instanzen nach. Gibt es in Ihrem Kopf schon einen Plan für Ausbildungskurse für chinesische Richter?

Lutz: Solche Überlegungen stellen wir an. Wie gesagt, ich habe darüber mit den Kollegen von den Gerichten noch nicht im Detail reden können. Natürlich muss es gewünscht sein, es muss die Offenheit da sein, für solche Kurse, wir wollen niemandem etwas aufdrängen, das ihn nicht interessiert. Aber auf unserer Seite besteht große Offenheit dahin gehend, dass wir einen solchen Austausch von Richtern tatsächlich durchführen. So könnten sich chinesische Richter bei unseren deutschen Gerichten für eine gewisse Zeit umsehen und sehen wie das bei uns funktioniert. Umgekehrt könnten auch deutsche Richter chinesische Gerichte für einen bestimmten Zeitraum besuchen.

Qiu: Hat es einen solchen Austausch früher noch nicht gegeben?

Lutz: Einen solchen Austausch gibt es bisher noch nicht. Aber vielleicht können wir ihn nun ins Leben rufen.

Qiu: Dann wünsche ich Ihnen damit noch viel Erfolg. Und viel Spaß bei ihrer China-Reise.

Lutz: Vielen Dank!

     mehr zum Thema Ihre Meinung

Not Found!(404)

Not Found!(404)