28. April 2007
Die beste Nachricht des Tages zuerst: Der Sportprinz kommt wieder mit mir zurück nach Beijing. Die Aussicht auf ein Mittagessen mit Fleisch konnte ihn dann doch überzeugen, den Shaolin-Tempel wieder zu verlassen. Und das, obwohl wir zwischen den eindrucksvollen Pagoden des Pagoden-Waldes schon so fleißig geübt hatten. Zuvor hatten wir die heiligen Hallen des Tempels besichtigt, allerdings war unser Zeitplan so eng, dass wir uns leider nicht ausgiebig dort ergehen konnten. Wie unsere Schweizer Interview-Partner feststellten, war es aber auch mit mehr Zeit kaum möglich, den Tempel so richtig zu genießen, denn aufgrund der unzähligen Reisegruppen fehlte die kontemplative Ruhe.
Nun, unsere Gruppe musste auch weiter, denn die Kung Fu-Show wartete. Eine Gruppe Kung Fu-Schüler beeindruckten uns mit ihrer atemberaubenden Show, der kleinste angehende Shaolin-Kämpfer war erst sechs Jahre alt, er konnte sich abartig verbiegen. Die Älteren boten noch spektakulärere Übungen dar, vor allem die Bewegungen mit dem Dreistock faszinierten sowohl den Sportprinzen als auch mich sehr. Der kräftigste unter den jungen Kämpfern bündelte schließlich das Qi so, dass er ein Eisenstück auf seinem Kopf zerbrechen konnte. Schließlich setzen die schwitzenden Jungs uns auf den zahlreichen Fotos noch gut in Szene - und schon mussten wir weiter, zum besagten Mittagessen, bei dem es Gott sei Dank auch wirklich Fleisch gab - denn sonst wäre Kong Jie womöglich noch umgekehrt. Tapfer übernahm der Sportprinz als echter Gentlemen, wie übrigens gestern auch schon, für mich das obligatorische Gan Bei-Trinken mit den Gastgebern aus der Region, sodass ich nur eineinhalb Gläser Wein leeren musste.
Nach dem Mittagessen machten wir uns auf, eine ehemalige Konfuzius-Akademie aus der Zeit der Song Dynastie zu besuchen. Fast wäre uns der Einlass verwehrt worden, denn wir kreuzten zum zweiten Mal am heutigen Tag den Weg eines hohen thailändischen Politikers. Aber wir durften durch. Die Akademie war zunächst als Tempel angelegt worden. Die Anlage, die am Fuß des Songshan-Gebirges liegt, wirkte ehrwürdig und strahlte eine enorme Ruhe aus, genau das, was wir im Shaolin-Tempel ein wenig vermisst hatten. Der Aufstieg zur Haupthalle führte über unzählige Stufen, die von üppigem Frühlingsgrün gesäumt wurden. Es war eine Auszeit für die Seele, die alten, knorrigen Bäume schienen uns ihre Gesichte erzählen zu wollen, der Ort lud zum verweilen ein. Zwei Bäume erzählten ihre Geschichte dann zwar nicht selbst, der Reiseführer übernahm das für sie. Er berichtete, dass in der Zeit der Song Dynastie der Kaiser in den Tempel gekommen sei und eine sehr alte Zypresse erblickt habe. Der Kaiser sagte, so einen großen Baum habe er noch nie gesehen, dieser Baum sei sicher ein General. Daraufhin drehte er sich um und erblickte einen noch größeren Baum. Der Kaiser bemerkte seinen Fehler, aber da es sich für einen Kaiser nicht schickt, Fehler zu zugeben, erklärte er den größeren Baum schlichtweg zum Vizegeneral. Aus Sympathie mit dem Baum, dessen Größe angesichts des Fehlers des Kaisers nicht kundgetan werden konnte, haben wir uns nur mit dem Vizegeneral ablichten lassen. Kong Jie hatte dann noch einen ganz besonders wichtigen Fototermin, mit einem seiner Vorfahren. Denn der Sportprinz stammt nicht nur von einem Buddha ab, er teilt auch mit dem großen chinesischen Philosophen Kong Fu Zi, im Westen besser bekannt als Konfuzius, den Familiennamen.
Schon dröhnte von unten schon wieder die Bushupe, es ging weiter. Wir legten noch einen kurzen Zwischenstopp ein, um uns die Entstehung des mächtigen Songshan-Gebirges erklären zu lassen, es zählt im übrigen zu den fünf heiligen Bergen Chinas. Ich, als Urbayerin mit einer großen Sehnsucht nach den Alpen, genoss den Anblick der Hügel von der Aussichtsterrasse besonders, leider war der Himmel so trüb, dass man die zerklüfteten Hänge nicht wirklich klar erkennen konnte.
Angefüllt mit ein bisschen Heidi-Feeling ging's zurück nach Zhengzhou, nun stand duschen und packen auf dem Programm. Und dem folgte dann für mich eine Premiere. Meine erste Reise mit einem chinesischen Nachtzug. Dem Sportprinzen fiel die vertrauensvolle Aufgabe zu, auf die Sportprinzessin und zwei weitere Kolleginnen aufzupassen, auch wenn wir alle versicherten, dass wir das gerne selbst übernehmen könnten. Aber so ein bisschen Beistand eines Buddha-Nachfahren kann ja auf einer Reise nie schaden....
und dann heißt es auch bald wieder Beijing huan ying ni, Beijing heißt Dich willkommen. Unsere Begegnungen in Henan waren bunt, mannigfaltig und spannend, denn wenn einer eine Reise tut, dann kann er bekanntlich was erzählen. Und wir werden bestimmt auch wieder auf Reisen gehen - und in unseren Tagebüchern nehmen wir Sie dann auch gerne wieder mit. Nicht morgen dann wieder, aber vielleicht übermorgen oder überübermorgen.....
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