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Muss ich so viel lernen? - Jun Jun und ihre Musikstunden
   2007-04-06 14:58:14    Seite drucken   cri

In China, insbesondere in Großstädten leiden Schulkinder oft sehr unter einem gewissen Leistungsdruck. Nach dem Unterricht und auch an Wochenenden werden viele Kinder von ihren Eltern noch in verschiedene Kurse außerhalb ihrer Schule gesteckt. In der heutigen Ausgabe von "Bildung online" lernen wir Jun Jun kennen, ein siebenjähriges Mädchen aus einer normalen bürgerlichen Familie in Beijing. Seit vier Jahren erhält sie Musikunterricht und erlernt das Musizieren auf der chinesischen Kniegeige Erhu.

Es ist Wochenende. Bereits am frühen Morgen spielt Jun Jun auf ihrer Erhu, einem chinesischen Saiteninstrument, auch Kniegeige genannt. Jun Jun ist im zweiten Schuljahr. Ihr Vater ist Taxifahrer und ihre Mutter Verkäuferin. An Wochenden und Feiertagen wohnt Jun Jun bei ihren Großeltern, die sich bereits im Ruhestand befinden. Ein richtiges Wochende hat Jun Jun nicht, denn sie hat an jedem Wochenende ihren Musikunterricht. Nach dem Frühstück und zweimal Üben des frisch erlernten Stücks verlässt Jun Jun mit ihrem Großvater das Haus.

"Anfangs war es ja wirklich ein Druck für sie. Doch später haben wir gefunden, dass das Musikspielen für die Entwicklung ihrer Intelligenz von besonderem Nutzen ist. Sie muss viele Musiknoten auswendig lernen, was sehr gut für ihr Gedächtnis ist. Heute kann sie daher Texte im Chinesisch-Unterricht auch sehr gut auswendig lernen."

Dass das Musikspielen positiv Auswirkungen auf Intelligenzentwicklung von Kindern ausübt, ist in der Tat aber nicht das Wichtigste für viele Eltern. Sie gehen eher davon aus, dass Kinder mit mehr Fertigkeiten bei Aufnahme in bessere Mittelschulen, Hochschulen und Universitäten gewisse Vorteile genießen. Was Jun Jun schon ab dem 3. Lebensjahr lernen musste, gehört also auch zu den Vorbereitungen auf ihre spätere Hochschulaufnahmeprüfung.

"Als sie drei Jahre alt war, hielt ich sie an der Brust und tanzte mit ihr. Sie kannte die Melodie und deren Rhythmus sehr gut. Nachdem sie das Tanzen mit mir ein Jahr lang gelernt hatte, haben wir sie zum Erhu-Spielen angemeldet. Mit solcher Begabung kann man zusätzliche Noten bei der Hochschulaufnahmeprüfung bekommen, nicht wahr?"

Hier spricht Jun Jun's Großvater von den sogenannten "Begabungsnoten". Bei Aufnahmeprüfungen der Mittel- und Hochschulen können Prüfungsteilnehmer zusätzliche Noten erhalten, wenn sie eine besondere Fertigkeit besitzen. Das Erhu-Spielen zählt zu diesen Fertigkeiten. Wenn ein Schüler beim entsprechenden Vorspielen überzeugt, erhält er bei der Hochschulaufnahmeprüfung zusätzliche Noten. Das Tanzen gehört nicht zu den Begabungen, egal, wie gut man auch tanzen kann. Man erhält keinen Bonus dafür. Deshalb verzichtete Jun Jun auf das Tanzen und spielt nun die Erhu. Das ist aber noch nicht alles.

Neben dem Erhu-Spiel nimmt das Mädchen auch an anderen außerschulischen Kursen teil. Sie besucht Kurse für Kalligrafie, Zusatzkurse in Mathematik, Englisch und Chinesisch-Schreiben.

Das arme Mädchen fühlt sich ermüdet von den so vielen Kursen.

"Ich bin einfach sehr müde. Seit dem Semesteranfang habe ich keinen einzigen Tag frei gehabt. An jedem Samstag und Sonntag habe ich Unterricht."

Wie Jun Jun ergeht es vielen Kindern in chinesischen Städten. Laut Statistiken erlernen oder erlernten über die Hälfte der Stadtkinder ein Musikinstrument. Mindestens die Hälfte der Kinder besucht in den Semesterferien noch Kurse außerhalb der Schule, viele besuchen Kurse in mindestens 3 Fächern.

Viele Familien in Beijing wollen ihre Kinder in eine Schule, die über gute Lehrqualitäten verfügt, schicken. Das ist der Grund, warum es so viele außerschulische Kurse gibt. Sun Yunxiao ist Vize-Vorsitzender der Forschungsgesellschaft für Jugendliche und Kinder. Er sagt:

"Die Erwartung der Eltern ist gut zu verstehen und hat auch ihre positive Seite. Oft aber führt die hohe Erwartung auch zu einem gewissen Druck auf die Kinder. Die Eltern fürchten, dass ihre Kinder schon beim Start ihrer Schulkarriere zurück bleiben."

Doch allein die vielen Kurse reichten für das Mädchen Jun Jun nicht aus, um in einer guten Grundschule zu lernen. Jun Jun's Familie hatte damals eine große Menge Geld zahlen müssen, um sie auf eine Schwerpunktschule zu schicken. Gemäß der lokalen Bildungspolitik in Beijing sollen Schulkinder an Schulen lernen, die in der Nähe ihrer Wohnung liegen. Wenn Eltern ihre Kinder in eine bessere Schule schicken wollen, müssen sie extra Geld zahlen. Das Geld wird als "Schulwechsel" bezeichnet. Es ist heute in Beijing sehr populär, dass man gewisse Schulen für die Kinder wählt und dafür speziell hohe Summen zahlt.

"Im Fengtai-Bezirk, wo wir wohnen, gibt es keine guten Schulen. Wenn man Kinder in Schulen anderer Bezirke anmeldet, muss man spezielles Geld bezahlen. Es kostet 15.000 Yuan RMB, etwa 1.500 Euro umgerechnet. Das entspricht schon dem Jahreslohn von Jun Juns Mutter."

Statistischen Angaben zufolge benötigen Eltern in Beijing mindestens 200.000 Yuan, umgerechnet 20.000 Euro, damit ein Kind den Mittelschulabschluss hat. Wenn das Kind von der Grundschule bis zur Mittelschuloberstufe einmal oder mehrere Male die Schule wechselt, werden die Eltern zusätzlich mehrere zehntausend Yuan RMB bezahlen müssen. Die Frage der Kosten, die ein Schulwechsel nach sich ziehen, bleibt offensichtlich ein Schlüsselpunkt für die Reduzierung der Ausbildungsbelastungen der Familien.

Das neu revidierte "Gesetz für Pflichtbildung" sieht vor, die Bildungsressourcen rationell zu verteilen und dadurch eine gleiche Bildung für alle zu verwirklichen. Der chinesische Bildungsminister Zhou Ji sagte unserem Reporter, dass die Schulwechsel damit verboten seien.

"Im vergangenen Jahr hat China das Gesetz für Pflichtbildung neu revidiert. Darin ist festgeschrieben, dass Kinder in der Phase der neunjährigen Pflichtbildung an Schulen in der Nähe ihrer Wohnsitze lernen müssen. Das bedeutet, dass man die Schulen nicht mehr wählen darf und damit auch kein unnötiges Geld zu zahlen braucht. Es gilt, die nicht so guten Schulen umzugestalten und zu verbessern, damit alle Schulen im wesentlichen die gleiche Lehrqualität anbieten. Nur so kann die Frage "Schulwechsel" gut gelöst werden."

Jun Jun setzt ihre Erhu-Kurse weiter fort. Verschiedene außerschulische Kurse erwarten auch weitere Schulkinder. Die Konkurrenz ist groß zwischen den Schülern. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis die Maßnahmen der Regierung wirken.

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