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Chinas ungleiche Töchter - High-Tech Wissenschaft und traditionelles China
   2007-04-04 09:30:31    Seite drucken   cri

 

3. April 2007

Heute hat der Wettergott ein Einsehen und uns Sonnenschein geschickt! Um acht Uhr dreißig steht der inzwischen vertraute Bus vor der Tür, um uns zur Entwicklungszone für Wissenschaft und Technik zu bringen. Auf dieser Fahrt wird mir erst richtig klar, wie groß Hefei ist! Und wie nötig der bereits so oft erwähnte Straßenbau ist. Unser Bus muss oft nicht nur abbremsen, weil ihm ein anderer Verkehrsteilnehmer einfach vor den Kühler fährt, sondern manchmal eben auch, weil plötzlich die Straße in eine Baustelle übergeht. Dies passiert hier in China oft unangekündigt und unvermittelt. Und gebaut wird an allen Ecken und Enden, die Stadt platzt aus allen Nähten. Überall sprießen neue Wohnviertel, Industriezonen, Wissenschaftsparks, Einkaufsviertel und Hotelbauten wie Pilze aus dem Boden.

Bereits weit außerhalb des Stadtzentrums in einem Neubaugebiet, das sich rechts und links der Straße erstreckt, fällt mein Blick auf eine sich im Bau befindliche christliche Kirche. Der Neubau ist ausgesprochen modern und erinnert mich an die Kirche, an der ich jeden Tag auf dem weg zur Uni vorbei musste. Die Religionsfreiheit in China ist unglaublich groß. Hier interessiert niemanden, an wen oder was der Nachbar glaubt, wenn er nur nett ist. Alle haben überhaupt kein Problem, den jeweiligen Glauben oder Ahnenkult zu akzeptieren und vor allem gemeinsam zu feiern. Sonst würde man die Nachbarn ja doch nur stören, da ist es doch viel besser, sie zur Fete auch einzuladen. Und wenn der Gast bestimmte Speisen nicht essen darf, wird der Gastgeber sie ihm eben nicht anbieten, damit der Gast sich wohl fühlt. Muslime müssen kein Schweinefleisch essen, es gibt doch genügend andere Gerichte auf dem Tisch. Mir gefällt diese Toleranz besonders, da sie sich auch auf das Trinken bei Tisch erstreckt und ich mit Rotwein anstoßen darf, weil ich keinen Schnaps vertrage.

Wir lassen uns den Weg noch einmal telefonisch beschreiben und für mich ist es irgendwie tröstlich, dass auch Chinesen bei den vielen neuen Straßen und Umleitungen mit der Orientierung Probleme haben und nicht nur ich, weil ich die Schriftzeichen nicht lesen kann.

Bei JAC dürfen wir in die Produktionshalle, dürfen Kamera und Mikrofon zücken und überall hin, wenn wir die gelbe Sicherheitslinie am Boden respektieren. Es ist beeindruckend laut, und hier und da sprühen auch schon mal die Funken. Ansonsten sieht es wie in einer modernen Produktionshalle eben aus. Nur an einer Stelle stutze ich und gehe noch einmal zurück. Ich habe aber richtig gesehen und eine neue Verwendung für meine Gardinen entdeckt, wenn ich mir das Muster übergesehen habe: Einige Bauteile werden tatsächlich in einer Stellage mit Blümchenstoff aufbewahrt. Das habe ich noch in keiner Produktionshalle gesehen. Sowieso gibt es zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen erstaunlich viele Pflanzen und ich frage mich, warum ich das in Deutschland noch nie gesehen habe. Gibt es das dort nicht oder hat China meine Sinne für derartiges geschärft?

Bei der chinesischen Tochterfirma von Hitachi (HCM) lernen wir dann den japanischen Firmenchef kennen, der soviel für den Umweltschutz, die Integration ausländischer Mitarbeiter und die Entwicklung der internationalen Beziehungen der Stadt geleistet hat, dass er ein Dauer-Freifahrkarte für die öffentlichen Verkehrsmittel erhalten hat. Ob er sie jemals benutzt hat, weiß ich nicht.

Wir erfahren, dass HCM in der Vergangenheit mehrfach ein großes Problem hatte: Ausgehend davon, dass mehr Aufträge und noch mehr Aufträge besser und ganz viele Aufträge am besten sind, hatten die chinesischen Mitarbeiter alle Aufträge angenommen. Da die vorhandenen Kapazitäten jedoch bei weitem nicht ausreichend sind, die verkaufte Stückzahl zu produzieren, musste HCM bereits mehrfach Strafe zahlen. Manches Unternehmen träumt davon, dass die Nachfrage auch nur das Angebot erreicht. Aber wenn die Nachfrage so groß ist, muss man eben etwas tun, HCM jedenfalls hat beschlossen, den Laden kräftig zu erweitern, man will ja nicht dauernd Strafe zahlen müssen.

Am Nachmittag machen wir in Kultur. Wir fahren in das Städtchen San He, was soviel wie "Stadt an drei Flüssen" heißt. Hier ist die Altstadt wunderschön erhalten geblieben, zwar noch zum großen Teil bewohnt, aber als Ganzes unter Denkmalschutz gestellt.

Endlich bin ich auch mal Mitglied einer Reisegruppe, die einer mit einem bunten Wimpel und einem Megaphon bewaffneten Reiseleiterin hinterher läuft. Bisher war ich in China nur auf eigenen Faust unterwegs. Die alte Stadt ist wirklich sehenswert. Die engen Gassen winden sich am Fluss entlang, die Häuser stehen dicht gedrängt und strömen die Atmosphäre einer längst vergangenen Zeit aus. Der Baustil ist eigenwillig, besonders die doppelt geschwungenen Dächer fallen ins Auge. In einem der als Museum eingerichteten Häuser muss ich an eine Geschichte über zwei junge chinesische Frauen denken, die ihr ganzes Leben Freundinnen blieben. Viele der Szenen spielen in einem solchen "geteilten Haus". Warum geteilt? Das Haus ist zweistöckig, unten wickelte der Hausherr - eventuell mit anderen männlichen Mitgliedern der Familie - seine Geschäfte ab, oben gingen die Frauen ihren weiblichen Beschäftigungen nach und pflegten weibliche Tugenden. Als ich im oberen Stockwerk von der Balustrade eine Blick nach unten in den Bereich der Männer werfe, habe ich die beiden Freundinnen lebhaft vor Augen. Hier sind sie oft gestanden, haben den Männergesprächen gelauscht und trotzdem nicht gegen die guten Sitten verstoßen.

Ein Stück weiter bietet sich die Gelegenheit, eine kurze Rast zu einem Gespräch mit dem stellvertretenden Leiter unserer Zentralredaktion zu führen. Zang Julin und ich setzen uns ein Weilchen in einen kleinen Pavillon und genießen gemeinsam die friedliche Stimmung.

Ein paar Schritte weiter wird es dann gefährlich. Meine Kollegen kommen angerannt, aber sie wollen mich gar nicht retten, sondern wollen mich fotografieren, während ich einem Löwen zärtlich über die Stirn fahre. Zum Glück ist der Löwe aus Stein und lässt es ganz ruhig mit sich geschehen.

Nach einem Interview mit unserer Reiseleiterin und einem kurzen Gespräch mit einer 83-jährigen Bewohnerin der Stadt, die ihr ganzes Leben hier verbracht hat, ist es Zeit zum Aufbruch.

Antje aus Anhui

Bevor ich es vergesse: Ich hatte recht, einige Kollegen haben meinen gestrigen Tanz-Auftritt bildlich festgehalten. Hier ist der Beweis, dass ich tatsächlich in einer Karaoke-Bar als ein Star des Abends aufgetreten bin!

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