2. April 2007
Um viertel vor Sieben heute morgen klingelt mein Wecker.... Um sieben Uhr klingelt zum ersten Mal der - nicht von mir! - bestellte Weckdienst. Er erwischt mich unter der Dusche.... Um zehn nach sieben erreicht mich die zweite Front. Diesmal sitze ich am Computer, direkt neben dem Telefon. Als um Viertel nach Sieben das Telefon zum dritten Mal klingelt (zum Glück gibt es einen Zweitapparat im Bad!), bitte ich die freundliche Dame, mir zu glauben, dass ich wirklich bereits das Bett verlassen habe und wach bin.
Um sieben Uhr dreißig trifft sich unsere Truppe zum Frühstück im Hotel. Nachdem ich es gestern noch geschafft habe, sowohl meinen Text als auch die passenden Bilder nach Beijing zu übermitteln, bin ich erst gegen Morgen eingeschlafen. Vielleicht hat mich die Stille irritiert. Nicht nur, dass hier die Straßen viel leerer sind als in der Hauptstadt, es ist auch viel leiser hier. Ich glaube, es ist meine erste Nacht seit Wochen, in der ich nicht mitten in der Nacht von Sirenen, Hupen oder anderem Krach wach wurde. Nein, diese Nacht hat mich die Stille geweckt.
Trotzdem bin ich pünktlich. Ein wenig aufgeregt, weil ich doch im Namen der ausländischen Kollegen bei CRI die Dankesrede halten soll. In meiner grünen, traditionellen chinesischen Jacke finde ich mich ziemlich gutaussehend und auch elegant und professionell wirkend.
Die gute Organisation zeigt sich erneut, pünktlich zum verabredeten Zeitpunkt holt uns wieder der Bus ab, und wir fahren zum örtlichen Radiosender. Dort werden wir vom Generalsekretär der Provinz Anhui Zhang Yun, dem Amtsleiter für Funk und Fernsehen Zhang Suzho, dem ehemaligen Amtsleiter für Funk und Fernsehen Li Zhiyin, dem stellvertretenden Leiter für Handelswesen Zhang Jian, dem Leiter des Pressebüros der Provinz Anhui Zhang Zonglian, dem stellvertretenden Intendanten des Anhuier Radiosenders begrüßt. Der stellvertretende Intendant von Radio China International Professor Dr. Li Yhongshang bedankt sich im Namen von CRI für die Einladung.
Eigentlich wäre ich jetzt dran, mich im Namen der ausländische Mitarbeiter von CRI zu bedanken. Doch, schwups, steht der Generalsekretär der Provinz Anhui am Mikrofon und erklärt die Veranstaltung für eröffnet. Er müsse jetzt leider zu einem anderen Termin. Und ich habe doch eben noch so fleißig all die Namen auswendig gelernt, damit ich die Herren auch richtig ansprechen kann. Und: Wirklich erleichtert bin ich gar nicht, die Rede nicht habe halten zu können. Irgendwie sogar ein wenig enttäuscht.
Auf der anschließenden Pressekonferenz werden wir sehr umfassend über die wirtschaftliche Entwicklung der Provinz Anhui und ihre Besonderheiten informiert und haben Gelegenheit, Fragen zu stellen.
Es sind auch einige Kollegen der regionalen Fernseh- und Hörfunksender zu dieser Informationsveranstaltung erschienen. Ich kann nicht genau sagen, ob es meine chinesische Jacke oder etwas anderes ist, jedenfalls werde ich für das Fernsehen interviewt. Ich fühle gleich noch einen Kopf größer! Und dass, wo ich hier in China mit meinen in Deutschland eher bescheidenen 1,75 Metern sowieso meist alle überrage.....
Chinesen haben etwas ganz wichtiges begriffen: Ein leerer Bauch studiert nicht gern! Deshalb gibt es im Anschluss erst mal zum Mittagessen. Sehr lecker, sehr reichlich, wie immer in China. Ich liebe diese Essen in großer Runde am großen Tisch!
Nach dem Mittagessen gibt es eine kleine Pause, wir haben im Hotel die Möglichkeit, uns für den Nachmittag umzuziehen.
Am Nachmittag darf ich ihn dann wirklich sehen, den Tokamak! Geschrieben habe ich über das Projekt schon mehrfach. Aber es ist doch ganz anders, dieses Teil fast anfassen zu können! Wir erfahren, dass China erkannt hat, dass im Land ohne friedliche Energie aus alternativen Quellen irgendwann die Lichter ausgehen. Am Institut für Plasmaphysik läuft die Forschung deswegen auf Hochtouren. Und erfolgreich: Im September 2006 und im Februar 2007 sind jeweils wichtige Durchbrüche erzielt worden. Leider hält den Vortag ein Wissenschaftler durch und durch! Und die sind wohl überall auf der Welt gleich. Für mich bleibt vieles auch in der deutschen Übersetzung, die meine Kollegin Dou Xiaowen phantastisch liefert, immer noch Fachchinesisch. Wir werden in der Redaktion noch viel Fachliteratur wälzen, damit wir das Thema richtig darstellen können.
Bei der zweiten Firma an diesem Nachmittag ist es nicht weniger spannend. IFLYTEK bringt Telefonanlagen, Videospielen, Computern, Kinderspielzeugen und GPS-Orientierungssystemen das richtige Sprechen bei. Ich würde mir auch lieber von einer sympathischen Stimme sagen lassen, dass ich mal wieder zu früh abgebogen bin oder dass mein Kühlschrank leer ist, als von einer dieser schwer verständlichen, blechern klingenden Digitalstimmen aus Sciencefiction-Filmen! So eine richtig tiefe warme Männerstimme würde mir gefallen.....
IFLYTEK jedenfalls hat in den letzten Jahren etliche Preise für sympathische Kunststimmen abgeräumt. Auch wir müssen zustimmen, dass die künstlichen Stimmen nur noch schwer von natürlichen zu unterscheiden sind.
Auf der anschließenden Pressekonferenz der Stadtverwaltung erfahren wir, dass Anhui und insbesondere Hefei schwer loslegen wollen und auch bereits damit begonnen haben. Aus der kleinen Stadt zur Zeit der Gründung der Volksrepublik ist ein Wirtschaftsraum geworden, in dem sich internationale Konzerne wie Bosch-Siemens und Unilever angesiedelt haben. Außerdem gibt es hier viele Außenstellen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Einflussreiche Politiker und ein Nobelpreisträger nennen ebenfalls Anhui ihre Heimat. Anhui im Herzen Chinas hat auch touristisch attraktive Reiseziele zu bieten und ist auch ein idealer Wohnort.
Als der Oberbürgermeister der Stadt Hefei wider Erwarten doch noch an der Pressekonferenz teilnehmen kann, wird er mit Beifall begrüßt und mit Fragen überhäuft. Wir erfahren unter anderem, dass in Hefei der Akademikeranteil der höchste von ganz China ist.
Nachdem wir alle Informationen eingesammelt haben, ist es wieder Zeit, ans Essen zu denken. Glücklicherweise ist bereits ein Raum in einem Restaurant bestellt und unser Bus wartet schon darauf, uns hinzubringen.
Während des Essens werden Visitenkarten getauscht und manches Glas wird gemeinsam geleert. Unsere Freundschaft beginnt zu wachsen. Dieser Abend erhält seinen krönenden Abschluss in einem Besuch in einer Karaoke-Bar. Jede Redaktion soll ein Lied vortragen. Die deutschsprechenden Mitarbeiter bei CRI singen gemeinsam ein Lied, das Dou Xiaowen und Prof. Dr. Li ausgesucht haben. Da ich nicht singen kann - und auch wenn ich es könnte, mit den chinesischen Zeichen Schwierigkeiten hätte-, muss ich eben tanzen. Meine Güte, das gefällt so gut, dass ich doch tatsächlich noch einmal auf die Tanzfläche muss. Mit einem jungen Chinesen aus Hefei, der vor lauter 'Ehre' ganz kalte Finger hat, aber seine Sache sehr gut macht. Leider habe ich keine Beweisfotos, werde aber versuchen, morgen eins nachzuliefern. Meine Kollegen haben dieses denkwürdige Ereignis sicher festgehalten.
Tja, gerade eben ist noch heute - und ich muss den Text noch in die Redaktion mailen! Also, gute Nacht für heute und bis morgen!
Antje in Anhui
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