Eingraviert an der Fassade des Kinohauses Daguanlou sind vier chinesische Schriftzeichen, die für Teehaus, Film und Oper stehen - ein Resümee der geschichtlichen Entwicklung des ältesten Kinos Chinas also.

Der Vorläufer des Kinos Daguanlou war das Teehaus Masiyuan aus dem Jahre 1900. Im Teehaus Masiyuan konnte man Tee trinken und gleichzeitig Vorführungen der Pekingoper erleben. Die Besucher des Teehauses damals waren hauptsächlich Männer, denn Frauen nahmen im feudalen China eine ziemlich niedrige gesellschaftliche Stellung ein und durften nicht vor der Öffentlichkeit, wie in Teehäusern, erscheinen. Acht Jahre nach Erfindung des Films in Paris im Jahre 1895 entschied sich Ren Jingfeng, der Besitzer des Teehauses Masiyuan, zwischen den Pekingopern-Aufführungen kurze Filme auf einem über der Bühne gehängten weißen Tuch - gedacht als Filmleinwand - zu zeigen. Damit began die Ära des chinesischen Films.

Filme waren zunächst ausschließlich eine ausländische Kunstform, bis Ren Jingfeng im Jahr 1905 den ersten chinesischen Film drehte, und zwar "Ding Junshan" - die Eroberung des Berges Jun. Er kaufte sich eine Filmkamera in einem deutschen Geschäft und bat Tan Xinpei, den bekannten Pekingoperdarsteller, die Hauptrolle in diesem Film zu spielen.

Der 10minütige Streifen wurde in Ren Jingfengs Studio gedreht und im Kino Daguanlou aufgeführt. Der Film war ein sensationeller Erfolg, ein regelrechtes Filmfieber brach dadurch in Beijing aus.

Dashilan war damals das Handels- und Unterhaltungszentrum Beijings, in dem man leicht Geld verdienen konnte. Das Kino Daguanlou machte da keine Ausnahme. Dort wurden nicht nur Filme gezeigt, sondern auch Speisen und Getränke verkauft. Die Kellner trugen Bauchläden mit vollen Tellern und wanderten vor Beginn und während der Pausen der Filmschau durch das Publikum, ähnlich wie es bei der Peking-Oper-Vorführung im Theater aussieht. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde in der Lobby des Kinos Daguanlou sogar eine Apotheke geöffnet.

Trotz wiederholter Kriege, die während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch das Land fegten, war das Kino Daguanlou niemals geschlossen. Stets wurden Filme gezeigt, auch in stürmischsten Zeiten.

Daguanlou war ein Trendsetter, weil es im Jahr 1930 als erster öffentlicher Platz in Beijing gelang, den Präzedenzfall zu markieren, dass sich Männer und Frauen gemeinsam Filme anschauen konnten. Dadurch wurde ein 20 Jahre altes Verbot gebrochen. China hatte im Jahr 1911 das Verbot über den gemeinsamen Kino-Besuch von Männern und Frauen verhängt. Darüber hinaus mußten Theaters vor Mittenacht geschlossen werden.

Daguanlou galt stets als ein Versuchsfeld für neue filmische Technologien. In den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts konnte Daguanlou bereits 3-D Filme vorführen, weil es die dafür nötigen Anlagen erworben hatte. Zum Beispiel wurde der 3-D-Film "Abenteuer eines Zauberers" innerhalb von 4 Jahren 8.700 Male vorgeführt und von mehr als vier Millionen Besuchern angeschaut. Heutzutage kann man sich in Daguanlou sowohl inländische, als auch ausländische Filme ansehen. Sich Filme in Daguanlou anzusehen, ist etwas Besonderes, die Geschichte des Kinos steigert die Erlebnisfreude.

Anläßlich des 100jährigen Jubiläums des chinesischen Films im vergangenen Jahr wurde das Kino Daguanlou restauiert. Dadurch bekommt Daguanlou ein neues Gesicht, eine Kombination von Alt und Neu. Die graue und dunkelrote Fassade aus Ziegelstein erinnert an Bauten Ende des 19. Jahrhunderts.

Ein kleiner Raum im Erdgeschoß wurde im originalen Stil des Kinos restauiert, ausgestattet mit originalen Stühlen, alten Reklamen, Öllampen und alten Projektionsmaschinen, so wie es früher in diesem Kino üblich war.

Als eine Miniatur der Kultur und Geschichte des Alten Beijing steht Daguanlou nun unter Denkmalschutz der Beijinger Stadtverwaltung.