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Exklusivgespräch mit dem deutschen Teilchenphysiker Prof. Dr. Christian Kiesling
   2006-05-26 14:11:01    cri
Im Chinesisch-Deutschen Wissenschaftszentrum in Beijing hatten wir vor kurzem Gelegenheit, mit dem deutschen Physiker für Teilchenphysik, Prof. Dr. Christian Kiesling, zu sprechen. Dabei erzählte uns der renommierte Wissenschaftler, dass in seinem Team am Max-Planck-Institut für Physik derzeit auch zwei Chinesen arbeiten. Professor Kiesling zeigte sich von den chinesischen Wissenschaftlern sehr beeindruckt. Gleich mehr dazu in unserem Gespräch mit ihm:

Qiu: Prof. Kiesling, Sie arbeiten schon sehr lange im Max-Planck-Institut für Physik. Sie sind Physiker von Beruf, können Sie Ihre Arbeit etwas näher vorstellen?

Kiesling: Ja, sehr gerne. Ich arbeite auf dem Gebiet der experimentellen Elementarteilchenphysik. Dabei geht es darum, herauszufinden, woraus Materie aufgebaut ist. D.h. wir wollen im wesentlichen die kleinsten Bausteine der Materie finden. Darüber hinaus wollen wir natürlich auch erfahren, welche Wechselwirkungen zwischen ihnen bestehen. Es geht darum, die Kräfte zwischen den Teilchen zu messen. Sie kennen ja die Kraft, die uns zum Beispiel hier auf dem Stuhl hält, also die Gravitationskraft, aber es gibt noch drei andere Kräfte in der Natur, die wir bis jetzt kennen. Diese sind die elektromagnetische Kraft die so genannten starke und schwache Kraft. Um diese vier Kräfte geht es, und dann eben um die kleinsten Bausteinen der Materie. Wir arbeiten an großen Beschleunigern, die uns die Energie zur Verfügung stellen, mit denen wir die Teilchen auf ganz kleine Abstände zusammenbringen können, so können wir dann die Kräfte zwischen den Teilchen vermessen. Das geschieht in großen Laboratorien in Europa, in den Vereinigten Staaten und auch in China. Da gibt es solche Beschleuniger, mit denen man unsere Wissenschaft betreiben kann.

Qiu: Wie glauben Sie, kann die deutsche Seite die Entwicklung der Physikwissenschaften in China unterstützen?

Kiesling: Die Max-Planck-Gesellschaft, der ich angehöre, unterhält schon seit vielen Jahren gute Verbindungen zu China. Wir haben ganz bewusst ein wissenschaftliches Austauschprogramm zwischen Deutschland und China aufgebaut. Dieses sorgt im wesentlichen dafür, dass chinesische Wissenschaftler bei uns arbeiten. Immer mehr kommen auch deutsche Wissenschaftler für kurze Aufenthalte nach China. Das ist also ein sehr lebhaftes Austauschprogramm. In meinem Forschungsteam arbeiten bereits zwei Chinesen. Einer ist ein Doktorand und der andere ein Postdoktorand, also ein schon gestandener Wissenschaftler.

Qiu: Wie beurteilen Sie diesen Austausch und welche Perspektive sehen Sie?

Kiesling: Dazu muss ich sagen, dass gerade in der experimentellen Teilchenphysik, in der ich arbeite, schon seit sehr, sehr langer Zeit international gearbeitet wird. Das liegt daran, dass die Wissenschaft sehr teuer ist. Wir brauchen große Apparate, teure Beschleuniger und so weiter. Diese Wissenschaft lässt sich auf ein Land begrenzt nicht durchführen. Seitdem diese Wissenschaft existiert, sind wir eigentlich gezwungen, international tätig zu sein, aber wir freuen uns auch darüber. Das bringt uns mit allen Kontinenten zusammen, und eben auch mit China. Wir waren immer schon beeindruckt von der hohen Qualität der chinesischen Wissenschaftler, die wir sehr gern willkommen heißen. Deswegen denke ich, dass die Zukunft sich immer mehr globalisiert, natürlich nicht nur in der Teilchenphysik, sondern auch in anderen Wissenschaftszweigen. Die globale Forschung wird letzten Endes dazu führen, dass der wissenschaftliche Dialog zwischen den Nationen auch intensiver wird. Das ist meiner Meinung nach der Schlüssel zum wissenschaftlichen Fortschritt.

Qiu: Pflegen Sie bereits offizielle Kontakte oder einen Austausch mit anderen chinesischen Forschungsinstitutionen wie den Universitäten?

Kiesling: Also, es gibt in Deutschland eine ganze Reihe von Instituten, die mit China Kontakte pflegen). Ich bin erst im letzten Oktober bei einem Symposium in China gewesen, ich war in Lanzhou bei einem Workshop im Institut für moderne Physik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Dort ist gerade ein Schwerion-Beschleuniger im Aufbau, so ähnlich wie der, den wir in Deutschland an der Gesellschaft für Schwerionforschung GSI in Darmstadt haben. Also dort ist die wissenschaftliche Zusammenarbeit extrem intensiv. Und vor allen Dingen beruhen diese Kontakte wirklich auf Gegenseitigkeit. Die chinesische Seite baut Maschinen, die auch für unsere Wissenschaft extrem nützlich sein werden. Also da ist der Austausch echt bilateral. In der Hochenergiephysik sind die Maschinen noch deutlich größer, da liegt momentan das Zentrum wirklich in Europa. In dem Falle ist es so, dass chinesische Wissenschaftler mehr bei uns auftauchen.

Qiu: Teilen Sie die Meinung, dass Grundlagenforschung in mancher Hinsicht auch eine Kultur ist?

Kiesling: Ich selbst vertrete diese Ansicht mit Nachdruck, weil Grundlagenforschung der Motor für Innovationen schlechthin ist. Ohne Grundlagenforschung kommt man nicht auf neue Ideen, neue Verfahren und eine neue Sicht der Dinge. Man muss eben mit der Grundlagenforschung ein bisschen Geduld haben, also man darf nicht unbedingt im nächsten oder übernächsten Jahr sofort ein kommerziell verwertbares Ergebnis erwarten, vielleicht kommt es erst in einer Dekade oder in zwei oder drei. Also, diese Geduld muss man haben. Aber es ist eines klar: ohne den spielerischen Umgang mit der Wissenschaft, der eben gerade in der Grundlagenforschung sozusagen das tägliche Geschäft ist - ohne den gibt es keinen Fortschritt. Und das reine Konzentrieren auf Anwendungstechnologien und Anwendungen der rein technisch-physikalischen Art wäre mit Sicherheit das Ende jeglicher Entwicklung. Ich gebe Ihnen da völlig Recht, wenn Sie sagen, dass Grundlagenforschung ein Teil unserer menschlichen Kultur ist. Das ist völlig richtig.

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