Das Frühlingsfest hat viele überlieferte Bräuche, von denen einige bis heute noch beibehalten werden. Der Vizevorstandsvorsitzende des Instituts für chinesische traditionelle Sitten und Gebräuche, Professor Tao Lifan, erläuterte uns:

"Das Frühlingsfest ist für Chinesen das wichtigste traditionelle Familienfest des Jahres und hat eine ähnliche Bedeutung wie Weihnachten für andere Länder. Es hat schon eine Geschichte von einigen tausend Jahren. Streng genommen dauert das Frühlingsfest von Anfang des zwölften Monats des Mondjahres bis zum ersten Monats des nächsten Mondjahrs, also mehr als einen Monat lang. Die wichtigsten Tage dazwischen sind aber der Silvesterabend und die ersten drei Tage des neuen Mondjahres."

Wie Professor Tao Lifan erzählt, ist das Frühlingsfest das wichtigste Fest in China. Mit den folgenden Stichwörtern können wir es besser verstehen. Zuerst geht es um das Festessen im Familienkreis.

"Am letzten Tag des alten Jahres bereitet jede Familie gemeinsam ein traditionelles Festessen. In Nordchina sind die Jiaozi. Diese gefüllten Teigtaschen sind unverzichtbarer Bestandteil, weil sie erstens den Abschied vom alten Jahr und die Begrüßung des neuen Jahres bedeuten und zweitens wie schuhförmige Gold- oder Silberbarren, ehemals Zahlungsmittel im feudalen China, aussehen und man glaubt, dass das Verspeisen Reichtum und Wohlstand bringt. Die Jiaozi werden übrigens nie alle aufgegessen, weil der Rest dafür sorgt, dass die Familie im nächsten Jahr immer genug zu essen hat. Die Menschen in Südchina essen gern zum Frühlingsfest Neujahrskuchen, den sogenannten Nian'gao, weil auch er als Glücksbringer angesehen wird."

Zweites Stichwort beim Thema Frühlingsfest ist "Reinigung" und "Schmücken". Vor dem Frühlingsfest führt man eine Großreinigung durch, indem man die Wohnung sauber macht und die Kleidung, das Bettzeug und alle Gebrauchsgegenstände wäscht beziehungsweise säubert. Zum Frühlingsfest wird das Haus oder die Wohnung der Familie schön geschmückt. Dazu sagte der Vizevorstandsvorsitzende des Instituts für chinesische traditionelle Sitten und Gebräuche, Professor Tao Lifan:

"Die Neujahrssprüche werden von Kalligraphen auf rotem Papier geschrieben und auf langen Papierstreifen senkrecht neben dem Haupteingang angebracht. Der Inhalt dieser Spruchrollen handelt meist von den Idealen der Hausherren oder von dem Wunsch nach Glück im neuen Jahr. Außerdem klebt man Bilder des Türgottes oder des Gottes des Reichtums an die Tür, in der Hoffnung, dass es der Familie gut geht und dass der Wohlstand der Familie wächst. Das Glückszeichen "fu", wird meistens umgekehrt auf die Eingangstür geklebt. Glück heißt auf Chinesisch "fu". Auf den Kopf gestellt heißt das Zeichen "dao" und bedeutet auf Deutsch "ankommen". Also bedeutet das falsch herum angeklebte Zeichen: "Das Glück kommt"."

Nun zum dritten Stichwort. Ich schweige dazu, hören Sie selbst:

Genau, das dritte Stichwort heißt "Krach". Feuerwerkskörper abzubrennen gehört seit eh und je zum Frühlingsfest. Das neue Jahr wird mit ohrenbetäubendem Lärm begrüßt, so werden die bösen Geister vertrieben und die guten Geister gerufen. Leider ist das Abbrennen von Feuerwerkskörpern in machen Städten wegen Sicherheitsbedenken, Lärm und Luftverschmutzung total oder in bestimmten Zonen verboten. Als Ersatz spielen dann viele Leute Tonaufnahmen von Feuerwerken ab oder zertrampeln kleine Luftballons. Hauptsache es macht Krach. Manche Leute hängen im Wohnzimmer ein paar Feuerwerkskörper-Attrappen auf, die kunstgewerbliche Produkte sind.

Ein weiteres wichtiges Stichwort heißt "Durchhalten". Am Silvesterabend wird die Nacht durchgemacht. Eine durchgemachte Neujahrsnacht symbolisiert ein langes Leben. Daran scheinen allerdings viele Chinesen, wie ich zum Beispiel, nicht mehr recht zu glauben und gehen lieber ins Bett.

Das letzte Stichwort heißt Besuch.

"Am 1. Tag des neuen Jahres sind Besuche im Kreis der Verwandtschaft üblich und sehr wichtig. Die Kinder wünschen den Älteren alles Gute zum Neujahr und werden mit kleinen Geschenken belohnt, die früher meistens aus kleinen roten Umschlägen, in denen sich ein Geldbetrag befand, bestanden. Nach und nach werden aber auch zum Beispiel Bücher verschenkt. Es muss immer jemand zu Hause bleiben, damit mögliche Gäste nicht vor einer verschlossenen Tür stehen. Daher gehen nie alle Familienmitglieder gleichzeitig auf Besuchstour. Vom 1. bis zum 5. Tag des ersten Mondmonats statten Verwandte, Freunde, Kommilitonen und Kollegen einander Besuche ab, machen einander Geschenke und gratulieren einander zum Neujahr.

In der Festwoche finden zahlreiche Kulturveranstaltungen statt. Während manche Darbietungen wie Löwentänze, Drachentänze, Bootstänze und Stelzengehen traditionell und weit verbreitet sind, sind andere ortstypisch und haben modernen Charakter, zum Beispiel der Eisskulpturenwettbewerb in Harbin und die Blumenausstellung in Guangzhou.

Zum Schluss, liebe Hörer, gebe ich Ihnen einige Tipps zum Frühlingsfest. Wer zur Zeit des Frühlingsfests in China ist, kann einen der vielen Neujahrsmärkte besuchen, die in der Regel am Neujahrstag beginnen und einige Tage dauern. Sie finden vor allem in alten Tempelanlagen und Parks statt. Neujahrsmärkte sind eigentlich immer gut besucht, sehr farbenfroh und lebhaft - sie sind in etwa vergleichbar mit den westlichen Weihnachtsmärkten.

Da das Frühlingsfest ein wichtigste Familienfest ist, Familien aber häufig weit verstreut in China wohnen und arbeiten, setzen sich unmittelbar vor Silvester ungeheure Menschenmengen in Bewegung - um einige Tage später natürlich wieder die Rückreise anzutreten. Viele Chinesen verlängern neuerdings gerne den Urlaub zum Frühlingsfest um einige Tage und brechen zu kleineren touristischen Reisen auf, die das Verkehrsaufkommen weiter steigern. Die kurzfristige Buchung von Flug- oder Zugtickets in der Zeit des Frühlingsfestes kann daher zu einem echten Problem werden.