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Bericht über meine Reise nach Beijing, den Besuch bei CRI mit der Verleihung des Sonderpreises und das Besichtigungsprogramm
   2005-12-31 10:50:38    cri
Wie schnell eine Woche vergeht, wenn sie so vollgepackt ist mit beeindruckenden Erlebnissen. Andererseits wird mir aus dieser einen Woche sicher mehr in Erinnerung bleiben als aus den 55 weiteren Wochen des Jahres 2005.

Hier einige Eindrücke:

Das Flugzeug nach Beijing startet in die Dämmerung, die schnell zur Nacht wird, weil wir uns mit fast 900 km pro Stunde von der sonnenbeschienenen Seite der Erde entfernen. Dafür treffen wir schon nach wenigen Stunden und kurzem Schlaf die Sonne des neuen Tages. Da sind wir gerade über Irkutsk, und dem südlichen Ufer des Baikalsees. Nur noch drei Stunden bis zur Landung. An Schlaf ist nicht mehr zu denken.

Aus der Steppe wachsen rotbraune Berge. Keine Wolke zwischen uns und der Erde. Und keine Anzeichen menschlicher Besiedelung unter uns. Dann werden die Täler breiter, Ackerflächen werden erkennbar, Strassen, Dörfer. Hier müsste irgendwo die grosse Mauer stehen, die doch sogar vom Mond zu sehen ist. Ich finde sie nicht.

Langsam schiebt sich das Flugzeug über die letzten Ausläufer des Gebirges. Vor uns taucht die grosse Ebene auf. Unübersehbar fliegen wir jetzt über eines der menschenreichsten Gebiete der Erde: Jeder Flecken ist genutzt. Dörfer zeigen das Gitternetz ihrer Strassen, gesäumt von gleichmässig rechteckigen Höfen. Rechteckig auch die kleinen Felder zwischen den Siedlungen. Überall Strassen mit dichtem Autoverkehr.

Der Himmel vor uns wird dunstig. Wir nähern uns Beijing. 13 Millionen Einwohner. Die grösste Stadt, die ich je erlebt habe. Und das erste mal, dass ich nach China komme, das Land, dessen Kultur und Entwicklung mich schon immer fasziniert haben.

Am Flughafen wartet Liu Yuanyuan von der deutschen Redaktion. Wir fahren auf breiten Strassen an Neubauvierteln vorbei. Die Häuser schätze ich auf 20 bis 30 Stockwerke. In Berlin würde man sie schon "Hochhäuser" nennen. Überall drehen sich noch Baukräne. Hier entstehen weitere Eigentumswohnungen für die schnell wachsende Mittelschicht der Einwohner Beijings. Liu Yuanyuan erklärt mir, dass in wenigen Jahren zu den vorhandenen drei Autobahnringen um das Zentrum der Stadt drei neue hinzugekommen sind. Planung und Genehmigungsverfahren für eine deutsche Autobahn dauern mindestens 10 Jahren. Auch über 20 Jahre würde sich niemand wundern.

Entlang der Strassen fallen mir die gepflegten Grünanlangen auf. Überall sind Bäume gepflanzt und Rabatten angelegt. Alles noch sommerlich grün, obwohl wir schon Mitte November haben. Ich vermute noch, dass dieser Aufwand nur an wenigen Strecken getrieben werden kann, sehe aber an den folgenden Tagen, dass überall in Beijing auf gepflegtes "Strassenbegleitgrün" geachtet wird.

Nach einer Stunde hält der Fahrer vor dem Hotel Holiday In (West-Beijing), nur zwei U-Bahnstationen von CRI entfernt. Ein luxuriöses Haus, grosse Zimmer mit allem denkbarem Komfort. Die ganze Reise ist vom Reisebüro Caissa hervorragend organisiert.

Wir starten sofort zur ersten Besichtigungstour rund um das Hotel. Der Verkehr ist gewöhnungsbedürftig. Es gibt keine Abstände zwischen den Fahrzeugen. Denn jede kleinste Lücke wird sofort vom Nachbarn genutzt, um die Spur zu wechseln. Dabei fliesst der Verkehr und in den sechs Tagen in Beijing habe ich nicht einen Unfall gesehen. Der europäische Fussgänger sollte allerdings gut aufpassen und sich nach den Einheimischen richten: Grünes Licht für Fussgänger bedeutet keineswegs, dass man nun achtlos über die Strasse schlendern kann. Fahrräder, Mopeds, davon viele mit geräuschlosem Elektroantrieb und abbiegende Autos beanspruchen die Strasse weiter für sich.

Wir schlendern durch eine Markthalle. Mich faszinieren die Lebensmittel. In keinem Markt in Berlin gibt es eine solche Vielfalt an Obst, Gemüse, das ich zum Teil noch nie gesehen habe, Meerestieren und Gewürzen. Elektrogeräte, Bekleidung und Schuhe sind für unsere Begriffe sehr preiswert. Selbst dann, wenn man den angegebenen Preis wirklich zahlen würde, was aber niemand tut. Bei einem ordentlichen Kauf wird gehandelt und der Preis drastisch gesenkt. Überall kleine Stände von denen es verführerisch duftet. Fleischspiesse werden gegrillt, Teigtaschen gedämpft, Nudeln mit Gemüse gebraten.

Dann spazieren wir durch eine Geschäftsstrasse. Sie könnte überall in der Welt sein. Elegante Restaurants neben den globalen Fastfood-Ketten. Edelboutiquen neben Plattenläden mit unglaublich grossem Musikangebot. Nach zwei Stunden schwirrt mir der Kopf. Zurück im Hotel lerne ich Peter Prem aus Salzburg kennen - ebenfalls Preisträger des Aufsatzwettbewerbs. Er hat sich schon intensiv mit der chinesischen Sprache befasst und kann viele Schriftzeichen lesen. In den folgenden Tagen kann ich zusehen, wie er schnell weitere Schriftzeichen dazulernt und oft schon aus den Bestandteilen eines neuen Schriftzeichens auf seine Bedeutung schliessen kann. Das müsste ich doch bis zum nächsten Besuch in China auch schaffen.

Zhu Liwen, die beeindruckend gut Deutsch spricht, ist für die nächsten Tage unsere Fremdenführerin. Mit ihr fahren wir zum Platz des himmlischen Friedens - nur eine gute halbe Stunde mit der U-Bahn entfernt. Im U-Bahnhof fällt mir zum ersten mal auf, was ich dann in allen öffentlichen Einrichtungen sehen werde. Es ist sehr sauber. Kein Abfall, nicht eine einzige Zigarettenkippe und schon gar keine schwarzen Kaugummiflecke auf den Fliesen, wie ich sie aus Berlin kenne. Natürlich gibt es auch keine Grafitti an den Wänden der Durchgänge.

Als wir am Tian An Men-Platz aussteigen, hat ein leichter Wind die Luft geklärt. Die tief stehende Sonne lässt das Tor zur verbotenen Stadt in warmen Ocker- und Rottönen strahlen. Hunderte von Touristen aus aller Welt machen Fotos, auf denen sie vor dem Tor mit dem grossen Bild des Vorsitzenden Mao Zedong stehen. Das Motiv scheint für Langnasen der wichtigste Beweis für den Besuch in Beijing zu sein. Wir fotografieren uns natürlich auch gegenseitig.

Von der Balustrade des Tian An Men schauen wir über den Platz zum Mausoleum Maos und beobachten, wie die Sonne hinter der Grossen Halle des Volkes untergeht. Vorher strahlt sie in die Halle des Torgebäudes und lässt die prächtigen Farben an Wänden und Kassettendecke funkeln. In die Bewunderung für die diffizile Arbeit der Handwerker und Künstler, die das Gebäude gestaltet und ausgeschmückt haben, mischt sich die Hochachtung für den Aufwand der Restauratoren. Man ahnt, dass deren Arbeit im Palast nie zu Ende gehen kann.

Wir essen in einem Restaurant in der Nähe unseres Hotels und erleben zum ersten Mal, was wir an den folgenden Tagen bestätigt finden: Alleine schon die chinesische Küche würde die lange Reise rechtfertigen. Sie zeichnet sich durch eine unglaubliche Vielfalt an Gerichten aus, die punktgenaue frische Zubereitung und nicht zuletzt die kommunikative Art, wie die Gerichte serviert und genossen werden. Kaum sitzt der Gast, wird Tee gebracht. Dann wird untereinander und mit der Bedienung über die Speisenauswahl diskutiert. Viele Lokale haben Speisekarten in denen Fotos der Gerichte dem Fremden eine erste Orientierung ermöglichen. Wir bitten Zhu Liwen möglichst typische Gerichte auszusuchen. Diese werden dann nochmals ausführlich mit der Kellnerin erörtert, umgruppiert, ergänzt und dann notiert. Obwohl die Gerichte offensichtlich frisch zubereitet sind, stehen kurze Zeit später die ersten Schüsseln, Schalen und Teller auf dem Tisch, aus denen man sich nach Lust und Laune bedient. Dann wird gekostet, kommentiert, gelobt, erzählt, wo man dieses Gericht noch besser gegessen hat. Wie eintönig ist dagegen die europäische Methode: Jeder ist auf den Teller beschränkt, den er bestellt hat. Allenfalls ein Buffet zur Selbstbedienung könnte mit einer chinesischen Tafel verglichen werden. Solche Buffets gibt es in Europa aber nur bei besonderen Einladungen.

Überhaupt das Essen: Alleine darüber müsste man ein Buch schreiben. Und dabei müsste man zuerst einmal klar stellen, dass die Chinarestaurants in Deutschland sich leider stark europäischen Gewohnheiten angepasst haben und dabei von den besten Traditionen der chinesischen Küche Abschied nehmen. Wir erleben in den folgenden Tagen verschiedene und sehr unterschiedliche Regionalküchen. Zum Beispiel die scharfe Sezuan-Küche, die mir besonders liegt. Liwen erklärt uns allerdings, dass für die Ausländer auf die volle Schärfe verzichtete wurde.

Beeindruckend ist nicht nur die Qualität in den grossen Restaurants sondern auch in den einfachen Selbstbedienungsgaststätten, in denen die Beijinger zu Mittag essen. In einem solchen Lokal, nicht weit von der Peking Universität, werden vor allem Suppen serviert. Hinter einer Glasscheibe wird der Nudelteig ausgezogen und wie grosse Tücher durch die Luft gewirbelt. Vor der Glasscheibe werden auf einem Holzkohlegrill würzige Fleischspiesse zubereitet. Vielfalt und Frische. Das ist selbst in den einfachen Lokalen selbstverständlich. Der Gast fragt sich, wie die langweiligen (und vergleichsweise teuren) Hamburger der fast-food-Ketten mit solchen Gerichten konkurrieren können.

Abends nimmt man sich dann sehr viel mehr Zeit zum Essen. In einem bekannten "Nudelhaus" gibt es natürlich nicht nur die Teigtaschen mit ihren immer wieder neuen und überraschenden Füllungen, sondern auch "Zeitfisch", ein Fisch der ganz vorsichtig und viele Stunden lang (Zeit) gedämpft wurde, was ihn unglaublich zart und intensiv im Geschmack werden liess. Während man von den verschiedenen Tellern auf der Drehscheibe in der Mitte des Tisches nascht, kann man durch die grosse Glasscheibe die Köchin und ihre Helferinnen in der kleinen Küche beobachten, die jedem separierten Gästeraum angeschlossen ist. Die Köchin hat auch nichts dagegen, dass die Gäste in die Küche kommen, ihr über die Schulter schauen und Fotos machen. Zur Abwechslung besuchen wir auch ein koreanisches Lokal, in dem jeder Gast mit lauten Rufen der zahlreichen Kellner begrüsst wird. Hier wird am Tisch gegrillt. Auf einem Holzkohlebett liegt ein Rost, der spätestens nach fünf Minuten ausgetauscht wird. Huhn, Fisch, Rind, Schwein, alles in dünnen Scheiben und pikant mariniert werden je nach Geschmack zart oder kross gebraten und mit verschiedenen Salaten und Sossen verspeist. Hier zeigt sich, wer wirklich mit Stäbchen hantieren kann und seine Fleischstücke nicht auf den langen Wegen von der Platte zum Grill oder vom Grill zum Teller verliert. Liwen schafft es leicht, zwei unbeholfene Langnasen so zu bedienen, dass sie satt werden, ohne allzu viel Gesicht zu verlieren.

Der Höhepunkt unserer kulinarischen Erlebnisse ist allerdings die echte "Peking-Ente", zu der stellvertretender Intendant Cheng Minyi uns nach der Preisverleihung einlädt. Nie habe ich zuvor den Wohlgeschmack erlebt, den das zarte Entenfleisch, durchdrungen vom eigenen Fett, belegt mit der marinierten krossen Haut entfaltet. Unser Versuch es den Gastgebern nachzutun und elegante Röllchen aus Fladen, Entenscheiben, Lauch und Pflaumensosse herzustellen, sorgt für Heiterkeit. Die Peking-Ente ist eine Legende und ein Beispiel für die künstlerische Phantasie und handwerkliche Akuratesse der chinesischen Küche, die zu Recht international Furore macht. Selbstverständlich wird auch die berühmte Peking-Ente von einer unübersehbaren Fülle weiterer Spezialitäten umrahmt, bis hin zu den heissen süssen Sesambällchen, die man immer zuletzt nehmen sollte. Denn danach geht bestimmt nichts mehr. Zur Ente gab es übrigens einen chinesischen Rotwein, der jeden Vergleich mit grossen italienischen oder französischen Rotweinen aushält.

Von den vielen weiteren kulinarischen Erlebnissen hier nur noch ein letztes. Der köstliche Jasmintee, zum Beispiel im Teehaus am Qian Men, in dem - wie die Fotos im Treppenhaus zeigen - auch schon Helmut Kohl und Ronald Reagen zu Gast waren. Hier erleben wir zu Tee und Kuchen klassische Musik und Szenen aus der Peking-Oper.

Der zweite Tag ist für den Besuch von China Radio International reserviert. Der Sender residiert in einem neuen Gebäude an dem vertikal in grossen, eleganten, von Deng Xiaoping gezeichneten Schriftzeichen der Name des Senders prangt. Wir werden in der deutschen Redaktion von Redaktionsleiter Sun Jingli und seinen Mitarbeitern begrüsst. Die Redaktion arbeitet in hellen Grossraumbüros, mit viel Computer-Technik. Die Stimmung ist locker und wie in den meisten Redaktionen der Welt offenbar sehr kameradschaftlich. Ich fühle mich sofort heimisch. Bevor ich mit dem Studium begonnen habe, war ich zwei Jahre Redakteur bei einer süddeutschen Zeitung. Während des Studiums habe ich als freier Mitarbeiter des (west-) berliner Rundfunksenders gearbeitet.

Die Redaktion hat viele alte Kollegen eingeladen, die zum Teil schon bei der Gründung der deutschen Abteilung vor 45 Jahren dabei waren. Sie alle sprechen, ebenso wie die aktiven Redakteure, hervorragend Deutsch. Ich bin immer wieder über den korrekten Einsatz der Grammatik erstaunt, die ja auch vielen Muttersprachlern nicht leicht fällt.

Wir erfahren spannende Geschichten aus den früheren Jahren des Senders und von den vielen Auslandsaufenthalten der Redakteure. Viele haben in Deutschland studiert, die jungen im vereinigten Deutschland, die alten in der DDR (Leipzig). Es ist schön zu sehen, wie die früheren Mitarbeiter nach wie vor zur Familie gehören und zu den Festen der Familie eingeladen werden.

Dann werden im Rahmen einer Feierstunde, zu der neben den alten und neuen Mitarbeitern der deutschen Redaktion auch Vertreter der Leitung des Hauses und der deutschen und österreichischen Botschaft erschienen sind vom stellvertretenden Intendanten Chen Minyi und dem Redaktionsleiter Sun Jingli die Preise überreicht: Eine grosse, sehr schöne Cloisonee-Vase mit Urkunde, wunderschöne Seidenschlafanzüge (für Sie und Ihn) und ein Reiseradio. Wir sind bewegt und bedanken uns von ganzem Herzen.

Am Nachmittag, gestärkt durch die wunderbare Peking-Ente, werden wir interviewt und befragt, seit wann wir CRI hören und wie wir das Angebot des Senders nutzen. Ich nehme auch als Gast an einer Live-sendung teil, in der Hörer per E-Mail Fragen stellen können. Ich erfahre, welchen hohen Stellenwert deutsche Musik in China hat. Denn auf Hörerwunsch fordert mich die Moderatorin auf, ein Lied zu singen. Zum ersten und hoffentlich auch letzten Mal in meinem Leben betätige ich mich als Sänger im Radio und gebe das auch als Volkslied populäre "Am Brunnen vor dem Tore" von Franz Schubert zum besten.

Am folgenden Tag, Donnerstag, beginnt unser Tourismusprogramm mit dem Besuch der grossen Mauer. Aufregend gestaltet sich schon die Hinfahrt im PKW, den CRI gestellt hat. Wir fahren lange durch Beijing und seine Vororte. Wir sehen viel traditionelles Leben, aber auch viele Aspekte der neuen Zeit. Überall wird an Strassen und repräsentativen Gebäuden gebaut. Ganz offensichtlich verdienen viele Unternehmen schon gutes Geld und können sich gute Architektur und Repräsentation leisten. Bei dem späteren Besuch der Beijing-Universität erfahren wir, dass ein guter Teil des Etats der Universität durch unternehmerische Ausgründungen und An-Institute aufgebracht wird, in denen die Forschungsergebnisse wirtschaftlich umgesetzt werden. So ist zum Beispiel auch Lenovo entstanden, das vor kurzem die Computersparte von IBM gekauft hat und eines der ersten chinesischen Unternehmen ist, das selbst zu einer internationalen Marke wurde.

Mit unserem Ausflug zur Mauer haben wir grosses Glück. Das Wetter ist phantastisch. Die Sonne scheint. Ein leichter Wind hat die Luft geklärt. Die Fernsicht ist überwältigend. Wir lassen den Wagen an dem in klassischem Stil neu errichteten Besucherzentrum stehen und wandern los. Weil wir früh gestartet sind, sind wir fast die einzigen Touristen. Die grosse Mauer folgt unbeirrt einem Höhezug, steigt in die Senken hinab, den frühere Ströme in den Höhenzug gefräst haben und schwingt sich dann zu immer neuen Gipfeln empor. Dazwischen die Wachtürme. Im strahlenden Sonnenlicht bietet diese gigantische Bauwerk in inniger Verbindung mit der pittoresken Landschaft einen sehr eleganten Anblick.

Wir wandern los. Viele Kilometer auf dem breiten Geh- und Reitweg, der für die Verteidiger geschaffen wurde. Die Steigungen bringen uns zum Schwitzen. Mäntel und Pullover werden überflüssig. Jeder neue Gipfel belohnt uns mit neuen Ausblicken.

Am folgenden Tag steht die verbotene Stadt auf dem Programm. Über diese bedeutendste historische Palastanlage der Welt habe ich vorher viel gelesen. Nichts ist übertrieben. Ein unvorstellbarer Reichtum an Formen und Farben eingebettet in eine klare, grosszügige Architektur. Fasziniert lauschen wir den GPS-gesteuerten Recordern, von denen die Stimme eines Mitarbeiters der deutschen Redaktion von CRI Geschichte und Geschichten zu den einzelnen Gebäuden und Anlagen berichtet. Um den Kaiserpalast angemessen zu würdigen, müsste man viel mehr als einen Tag hier verbringen. Oder wiederkommen.

Zur Erholung streifen wir anschliessend durch die engen Gassen mit historischen Hutongs um den Trommelturm und den Glockenturm. Dann machen wir einen Besuch in der grössten Buchhandlung Beijings. Hier wird eine weitere Facette des modernen China deutlich. In der Konkurrenz mit den elektronischen Medien zieht sich im Westen die Lesekultur zurück. Weniger Menschen als vor 50 Jahren lesen heute noch regelmässig Bücher. Hier aber scheint das Lesen noch Volkssport zu sein. In jeder Ecke stehen Menschen, in ein Buch vertieft, das sie offenbar gleich an Ort und Stelle lesen wollen. Gekauft wird stapelweise. Bücher scheinen hier noch ein unverzichtbares Grundnahrungsmittel zu sein.

Wir müssen gut überlegen, was wir noch bewältigen können. Der Sommerpalast muss sein, die Ming-Gräber bleiben einem späteren Besuch vorbehalten. Wenn in der verbotenen Stadt noch die Touristen dominierten, so sind wir im weitläufigen Park des Sommerpalast überwiegend unter Einheimischen. Auf den breiten Wegen demonstrieren Kalligraphen ihre Kunst und werfen mit grossen Pinseln schwungvoll flüchtige Schriftzeichen aus Wasser auf den Stein. Drum herum steht das fachkundige Publikum und kommentiert die Ergebnisse. Auf der Siebzehn-Bogen-Brücke lassen alte Männer ihre Drachen in den Himmel steigen. Tai-Qi-Gruppen üben Wolkenhände. Viele Spaziergänger nutzen den Spaziergang für Qi-Gong. Jüngere Besucher schiessen mit Schuhsohle und Ferse einen Federball im Kreis herum und zeigen dabei akrobatische Reaktionen. Alles wirkt unangestrengt, freundlich und lebensfroh. Eindeutig eine Verbesserung gegenüber der steifen und zeremoniellen Nutzung des Parks durch die Herrscherfamilie und die Palastbediensteten, wie sie der letzte Kaiser Pu Yi in seinen Memoiren beschreibt.

Zurück in Beijing besuchen wir eine grosse Markthalle und kaufen Geschenke für unsere Lieben. Zhu Liwen, die aus dem Süden Chinas stammt, hat Vergnügen am Handeln. Zunächst muss sie erklären, dass die beiden Langnasen überhaupt kein Geld haben. Dazu nicken wir ernst. Ihre Fähigkeiten treibt die Verkäufer fast zur Verzweiflung und wir können uns das Lachen kaum verbeissen.

Am letzten Tag unseres Aufenthaltes wollen wir noch einmal Kontakt zur Geschichte des Landes aufnehmen und den Himmelstempel auf uns wirken lassen. Danach aber werden wir uns durch die belebten Strassen treiben lassen, um das moderne China zu geniessen.

Als wir am Himmelstempel ankommen, hat die Sonne den letzten Morgennebel vertrieben und zeigt, dass sie auch im November noch Kraft hat. Keine Spur von Smog. Deshalb hat sich offenbar auch halb Beijing entschlossen, heute den gepflegten Park zu nutzen. Wir spazieren durch die wunderschönen Alleen, betreten die umfriedeten Anlagen des Himmelsaltars und der Halle des Himmelsgewölbes. Die Halle der Ernteopfer wird restauriert und soll zur Olympiade im alten Glanz erscheinen. Wir spüren die geomantische Kraft des Ortes. Feng shui ist inzwischen auch im Westen bekannt. In Berlin bieten viele echte und weniger echte feng-shui-Berater ihre Dienste für die Einrichtung einer Wohnung an. Mich zieht das Institut der himmlischen Musik an. Es handelte sich offensichtlich um eine wissenschaftliche Forschungseinrichtung, die allerdings nach anderen Prinzipien arbeitete, als die westliche Wissenschaft. Das Dao als Erkenntnisprinzip findet aber auch im Westen zunehmende Anerkennung. Zum Beispiel in der Medizin, wo die Wirkungen der Akupunktur nicht mehr angezweifelt werden, auch wenn sie durch westlich-wissenschaftliches Denken noch nicht erklärt werden können.

Danach lassen wir uns durch die Geschäftsstrassen in Richtung Tian anmen-Platz treiben, schauen in Seitengassen beobachten das geschäftige Treiben kaufen noch Tee ein, erfahren dabei, dass es auch Geschäfte gibt, in denen nicht gehandelt wird, und geniessen den schönen Tag.

Als wir auf dem Platz ankommen geht die Sonne unter und die abendliche Flaggenzeremonie beginnt. Wir wissen, dass wir wieder kommen werden.

Matthias Schillo

Dezember 2005

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