Wer sich für chinesische Literatur interessiert, kann in Suzhou in der ostchinesischen Provinz Anhui die ehemalige Wohnung der bekannten Schriftstellerin Pearl Buck besuchen. Sie war Amerikanerin, konnte aber perfekt chinesisch sprechen und schreiben. In China war Pearl Buck als Perle Sai, oder Sai Zhenzhu bekannt.
Pearl Buck erhielt 1938 den Nobelpreis für Literatur für ihren in Chinesisch geschriebenen Roman "Die gute Erde". In der Begründung der Schwedischen Königlichen Akademie hieß es, Pearl Buck erhalte den Nobelpreis "für ihre reichen und wahrheitsgetreuen epischen Schilderungen des chinesischen Bauernlebens und für ihr biographisches Meisterwerk".
Pearl Buck, geborene Sydenstricker, wurde 1892 als Tochter eines Missionars in West-Virginia geboren. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie in China.
Als kleines Kind bereiste sie mit ihren Eltern die Dörfer in der Nähe der Stadt Zhenjiang in Ostchina. Direkte Kontakte mit chinesischen Bauern bescherten ihr die Möglichkeit, ein wahres Bild von China und seinen Menschen zu erhalten.
Nach einem Philosophiestudium im US-Bundesstaat Virginia kehrte Pearl nach China zurück, wo sie 1917 den Missionar John Lossing Buck heiratete. Fortan wohnten Pearl und ihr Mann zusammen mit ihren adoptierten Kindern für fünf Jahre in der Ortschaft Suzhou.
Die Zeit in Suzhou war für Pearls Literatur wertvoll. Jeden Tag fuhr Pearl Buck mit ihrem Rad durch die Gassen in Suzhou, ab und zu stoppte sie und unterhielt sich mit den Bauern.
In ihrem Tagebuch schrieb sie über ihre Erlebnisse in Suzhou:
"Ich lerne die Kraft und die Tugenden der chinesischen Bauern zu schätzen. Sie sind humorvoll und erstaunlich intellektuell. Manchmal benehmen sie sich zynisch, aber ihre Anschauungen sind einfach. Ich halte es sogar für einen großen Verlust, dass sie nicht zu Wort kommen dürfen, nur weil sie Analphabeten sind. Mir gefallen die Werke nicht, die Chinesen als komische und absurde Menschen beschreiben. Mein größter Traum ist, ein richtiges Bild von dieser Nation, das ich hier in China erhalten habe, in meinem Buch zu präsentieren, solange ich kann."
Inspiriert von einem Satz aus einem Gespräch des Konfuzius übersetzte sie den chinesischen klassischen Roman "Geschichten vom Liangshan-Moor" ins Englische. Mit der Überschrift "Alle Männer sind Brüder" ist es die bisher beste englische Version des Romans.
Das Leben in Suzhou motivierte Pearl Buck auch dazu, die chinesische Landwirtschaft und die ländliche Bevölkerung zu studieren. Nach langer Forschung verfasste sie die Arbeit "Über die Bodennutzung in China".
In der Ortschaft Suzhou sind vielerorts Spuren der amerikanischen Schriftstellerin zu finden. Die Familie Buck hatte in Suzhou drei Wohnungen. Eine befand sich in einem Haus neben einer Kirche in der Südlichen Dahe-Straße, eine weitere in der städtischen Klinik und die dritte im Stadtteil Nanguan. Die Wohnung in der Nähe der Kirche ist die am besten erhaltene. Hier schrieb Pearl Buck ihren mit dem Nobelpreis gekrönten Roman "Die gute Erde". Heute kann man in der Wohnung noch die Jahrzehntealte Feuerstelle sehen.
Die Südliche Dahe-Straße hat auch heute nichts von ihrer Lebendigkeit eingebüßt. Kleine Läden, in denen man Reis, eingelegtes Gemüse, Sesamöl und Fleisch kaufen kann, erinnern an die 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts.
Am nördlichen Stadtrand ist noch ein Stück der alten Stadtmauer erhalten. In der Abenddämmerung empfiehlt sich dort ein Spaziergang. Denn da ist besonders viel los. Wandernde Händler verkaufen hier Süßwaren, Dattel, Holzkämme, Scheren und Messer...
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