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Essen wie zu Omas Zeiten: Chinas Küche erinnert an vergangene deutsche Essgewohnheiten
  2019-08-06 14:26:17  CRI

Mit chinesischem Essen assoziieren viele Menschen Exotik: Wohlriechende Gewürze, Sojasprossen, Bambus und Lotus sowie ungewöhnliche Geschmackskombinationen und zuweilen betäubend hohe Schärfegrade. Einige Deutsche denken vielleicht auch an gebratene Schlangen oder frittierte Heuschrecken. Diesen sei aber gesagt, dass für das Gros der Chinesen solche Gerichte genauso exotisch und ungewöhnlich sind wie für uns Deutsche. Vermutlich werden in hippen Berliner Szene-Restaurants mehr Grashüpfer verdrückt als in ganz Beijing.

In einigen der chinesischen Provinzen, die sich auch in ihren Regionalküchen unterscheiden, werden tatsächlich schon mal Insekten aufgetischt. Frittierte Seidenraupen sollen nussig schmecken. Aber auch die meisten Chinesen schrecken vor solchem Getier zurück.

In Deutschland sind asiatische Speisen schon sehr lange bekannt und beliebt. Zunächst bestimmten stark europäisierte Speisen in sehr kitschig und klischeehaft eingerichteten Restaurants das kulinarische Bild von China. Hühner- oder Schweinefleisch Chop Suey waren angesagt und Schmalspur-Versionen der Peking-Ente. In China stellt die Peking-Ente hingegen ein mehrteiliges Festmahl dar. Vorweg schlürften die Deutschen damals Sauerscharfsuppe oder andere Suppen mit dem Versprechen „der acht Kostbarkeiten" im Namen. Viele Gäste fragten sich wohl, warum es denn unbedingt acht Kostbarkeiten sein mussten, wo doch aller guten Dinge drei sind und sich Himmlisches durch die Zahl Sieben ausdrückt.

Im Laufe der 1980er und 1990er Jahre und weiter nach der Jahrtausendwende kamen dann mit den neuen chinesischen Einwanderern mehr und mehr authentische chinesische Speisen auf den deutschen Markt. Die neuen Gerichte schmeckten manchmal fast so gut wie in China. Die chinesische Küche in Deutschland wurde vielfältiger. Man konnte nun zum Beispiel kantonesische Speisen oder Gerichte nach Art der Min-Küche probieren.

Auch in vielen deutschen Heimküchen findet man heute Sojasauce, Tofu, grünen Tee und Reiswein. Mit chinesischen Gewürzen werden auch europäische Speisen aufgepeppt. Der Koch von Welt nutzt Ingwer für Saucen und heilende Tees und schmeckt auch schon mal mit Zitronengras asiatische Gerichte ab.

Exotisches ist dem Deutschen heute also nicht mehr fremd. Was aber im Namen der heiligen acht Kostbarkeiten macht dann die chinesische Küche heute überhaupt noch exotisch für uns Langnasen?

Um das zu begreifen, muss man tiefer gehen, bis in die Eingeweide sozusagen, und vor allem muss man ganzheitlicher denken. Aber am Ende werden Sie sehen, dass auch das nicht so neu ist.

Nun ans Eingemachte: In Beijing ist Eingeweidesuppe eine lokale Spezialität, die aber wohl auch bei den Einheimischen viel weniger nachgefragt wird als etwa amerikanische Hamburger. Lammleber oder Knorpeliges am Spieß und Entenblut im Feuertopf oder Schweinebauch lassen sich aber sehr viele Chinesen schmecken.

Der Chinese zollt dem geschlachteten Tier offensichtlich weit mehr Respekt als der gemeine Deutsche. Er lässt nämlich nicht ein Drittel des Viechs verkommen oder links liegen, so wie das schätzungsweise in Deutschland geschieht. Die holistische Sicht auf Kreaturen mit Nährwert ist sympathisch, nachhaltig und in der Regel auch kulinarisch eine Bereicherung. Wer Tiere isst, sollte schließlich keine halben Sachen machen, oder?

Chinesen, das darf man ruhig verallgemeinern, sind auch nicht solche verzärtelten Esser wie wir Europäer. Wo viele Deutsche schon ein Karpfen voller Greten überfordert, fischen Könner aus dem Reich der Mitte einfach beim Kauen die Greten heraus.

In China landet oft auch der Kopf eines Tieres auf dem Teller. Nicht nur Kalbs- oder Fisch-Bäckchen sind eine Delikatesse, sondern auch Hähnchen- oder Kaninchenköpfe kann man sich schmecken lassen. Esa gibt viele Fischkopf- und auch ein paar Kaninchenkopf-Restaurants in Beijing. Die kleinen Hoppler haben übrigens mehr im Kopf, als man denkt.

Hühnerfüße sind hier ebenso beliebt wie Schweinefüße; beide haben einen sehr hohen Fettanteil, schmecken aber umso aromatischer.

Wer nicht vegan oder vegetarisch leben will, sollte möglichst viel vom Tier probieren, denke ich. Innereien und ungewöhnliche Körperteile wie etwa Schweineohren und Hühnerherzen sind in Chinas Küchen natürlich viel alltäglicher als in Deutschland, was diese wiederum exotisch macht.

Aber halt! Gibt es nicht auch in Deutschland heute noch Blutwurst und Wellfleisch und haben nicht schon unsere Großeltern Köstlichkeiten aus Innereien gezaubert?! Und Schweinskopfsülze wird schließlich auch heute noch gerne gegessen.

Ja klar. Und seit einigen Jahren zählen auch im Reich von Eisbein und Sauerkraut wieder die inneren Werte etwas mehr – vielleicht nur ein kurzlebiger Trend: Mit etwas Curry und Zitronengras und in Scheiben geschnitten, werden Organe als kulinarische Offenbarung verkauft. „Das Kochbuch der verpönten Gerichte" von Gastro-Kritiker Wolfram Siebeck, das solche Speisen vorstellt, verkaufte sich übrigens gut.

Viele Menschen verziehen heute angewidert das Gesicht bei der Vorstellung, Bries, Kutteln oder Hoden essen zu müssen. Sie sind einfach anders sozialisiert worden und meistens aufgewachsen, ohne unter Not leiden zu müssen.

Bei bald acht Milliarden Menschen ist eine Erweiterung des Speiseplans weltweit wohl nicht verkehrt. Aber keine Angst: Es gibt auch viele köstliche Gerichte, die rein pflanzlich zubereitet werden können, auch hier in China.

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