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Die Rettung der Welt – Dieter Nuhr in Beijing
  2017-09-12 13:50:34  CRI

 

Wie es im Innern eines Bibers aussieht? Das wollten Sie doch bestimmt schon immer mal wissen! Wie sich so ein kleiner Nager von Innen anfühlt. Ob der Biber, der neulich den Vorgarten abgeholzt hat, ein Er oder eine Sie ist? Nein? Wirklich nicht? Dieter Nuhr erklärt es Ihnen trotzdem. Überhaupt beschäftigt sich der bekannte deutsche Kabarettist und Stand-up Comedian neben den großen Themen der Zeit gerne auch mit den kleinen Dingen. Und er plädiert dafür, einfach mal wieder zu staunen, vielleicht sogar ein bisschen dankbar zu sein. Zum Beispiel für die moderne Technik.

„Ich höre immer nur, öhh, ich habe nur zwei Balken, das ist ja wie im Mittelalter… Im Mittelalter hatte man oft nicht mal einen Balken. Wenn man eine Nachricht schicken wollte, schickte man eine Taube. Ohne Lesebestätigung. Man wusste nie, hatte jemand mit Pfeil und Bogen runtergeholt und gebraten. Ich will jetzt nicht wieder auf Guilin zu sprechen kommen. Ich glaube, die holen alles vom Himmel."

Dieter Nuhr ist auf Chinareise. Im Gepäck hat er Ausschnitte seines neuen Programms, das er der Deutschen Community in der bis auf den letzten Platz besetzten Aula der Deutschen Botschaftsschule Peking präsentiert. Auch auf dem nächtlichen Schulhof kann der Auftritt via Liveübertragung verfolgt werden. Nuhr hat die Lacher auf seiner Seite. Heimspiel vor weltoffenem, demokratisch sozialisiertem Publikum. Flachwitze und Genderbashing sind nicht sein Ding. Er nimmt sich sein Publikum zu Brust, mit Humor, aber mit klarer Botschaft: Die Welt ist nicht so schlecht, wie der Deutsche gemeinhin annimmt.

„Sie spüren nicht, dass das, was sie täglich haben, dass sie keine Sorgen haben um das tägliche Überleben, was in der Welt ja normal ist. Dass das kein Normalzustand in der Menschheitsgeschichte ist. Dass wir natürlich immer wieder Gefährdungen erleben werden, das ist doch völlig klar. Wir haben kein Recht auf ein sorgenfreies Leben. Ich rede über Trump über Orban, Petry, über all diese Trottel, die meinen, im Nationalen die Lösung zu finden für die Weltprobleme. Das halte ich in der Tat für die schlimmste Bedrohung im Moment, weil ich glaube, dass Globalisierung schon deshalb so friedensbringend ist, weil eine Bombe auf New York auch den Aktienmarkt in China absinken lässt."

Dieter Nuhr fasst nicht nur in Worte, was er beobachtet, er hält es auch mit der Kamera fest. 30 seiner fotografischen Werke auf feinsten Stoff gedruckt, gestochen scharf und mit einer unglaublichen Sogwirkung, hat er im Koffer nach Beijing transportiert und in Kooperation mit Pékin fine arts und den Matthias Kueper Galleries in Beijings Künstlerbezirk Cao Chang Di ausgestellt.

„Sie sind alle auf Reisen entstanden, haben alle eine morbide Qualität oder strahlen etwas Einsames aus oder etwas Nachdenkliches, glaube ich, und sie sind vor allen Dingen von überall auf der Welt."

Eine Welt, die Nuhr aus anderen Blickwinkeln zu sehen versucht. Er relativiert, überspitzt und zeigt, wie lächerlich die „German Angst" bisweilen sein kann:

„Terror, da haben die Menschen Angst vor. Aber man muss das sachlich sehen, in Deutschland starben in diesem Jahrtausend exakt 14 Menschen durch islamistischen Terrorismus. Das ist schlimm, keine Frage, ich will das nicht verharmlosen. Aber im selben Zeitraum starben ungefähr 10.000 Menschen durch Badeunfälle. Schwimmbäder sind viel gefährlicher als Terrorismus, sogar gefährlicher als Dieselfahrzeuge. Trotzdem kommt kein Brennpunkt im Mai: Die Freibäder öffnen – Todesangst in Deutschland."

Eine Rettung der Welt – unmöglich – aber vielleicht auch gar nicht nötig.

„Es ist albern zu glauben, dass sie in einem Heil enden könnte. Die Menschen, die uns dieses Heil versprochen haben, sind die, die die Welt in Schutt und Asche gelegt haben. Das waren die Religiösen im Mittelalter, das waren die großen Heilsideologien, das waren die Rechten und die Linken, die Faschisten und die Sozialisten und die Kommunisten, genau diese Menschen, die uns das Heil versprochen haben, haben das größte Unheil über die Menschen gebracht. Und die, die sich damit abfinden, dass die Welt kein Ort des Heils ist, sondern etwas, an dem man immer wieder arbeiten muss, das sind die, mit denen ich d´accord bin und mit denen ich an der Verbesserung arbeiten möchte."

Text und Foto: Svenja Schmidt

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