B: So, und damit nun zunächst einmal zu den ersten beiden der insgesamt drei Akteure in diesem Sprichwort. Mit Schnepfe ist hier ausdrücklich jener Vogel mit langen Beinen und einem langenen Schnabel gemeint. Die so ausgerüstete Schnepfe lebt normalerweise dort, wo es Wasser gibt, und stakst mit den langen Beinen im Wasser herum und fischt mit dem langen Schnabel nach Kleinlebewesen wie Fischen, Krabben und Muscheln.

A: Und Venusmuscheln kennen Sie sicher auch, nicht zuletzt aus unseren Kochrezepten. Da hatten wir mal Venusmuschel-Sauce zu Linguine, was echt Klasse schmeckt. So, und das weiß nun wahrscheinlich auch die langbeinige Schnepfe, und so kommt es zwischen Schnepfe und Venusschmugel unvermeidlich oft zum Streit, in dem es um Leben oder Tod geht.

B: Allein von der Größe her scheint die Schnepfe zwar einen absoluten Vorteil zu haben, aber die kräftige und scharfkantige Schale der Venusmuschel hat es denn auch in sich, und so ist nicht in jedem Fall von vornherein klar, für wen der Streit tödlich endet.

A: Aber wie gesagt, es handelt sich um ein Rennen auf Leben und Tod. Wer wird also Sieger sein, wenn Schnepfe und Venusmuschel aneinander geraten? - Pst! da haben wir ja gerade so einen Kampf ums Ganze:

C: Die Venusmuschel hat ihre Schale am Meeresstrand im Sonnenschein etwas geöffnet ? um Meeresluft zu schnuppern. Und auch die Schnepfe genießt bei ihrem Strandspaziergang die Luft ? bis sie der leckeren Muschel ansichtig wird. Hinein also mit dem langen Schnabel, um an das Muschelfleisch zu kommen. Genau in dem Moment klappt die Venusmuschel blitzschnell die Schale zu, und damit ist der Schnabel der Schnepfe eingeklemmt. Die Schnepfe, die nun statt des Muschelfleisches im Schnabel die elend scharfe Muschel auf dem Schnabel hat, versucht ihr Bestes, das plötzlich lästige Schalentier loszuwerden. Der Venusmuschel ist die Sache ebenfalls zunehmend lästig. Zumal die blöde Schnepfe nun auch noch landeinwärts rennt, weg vom Wasser, wo die Venusmuschel doch nur schwimmen, nicht aber laufen kann. Bei einem derartigen Interessengegensatz müsste es eigentlich zu einem lautstarken und wortgewaltigen Streit kommen. Und da sind unsere Kontrahenten nun ausgesprochen schlecht dran: Die Schnepfe kann mit ihrem von der Muschel eingeklemmten Schnabel kaum was sagen, und so zischt sie missmutig: "Es regnet einen Tag, es regnet zwei Tage nicht. Und du kannst nicht ins Wasser zurück ? also wirst du ohne Wasser sterben!" Die Venusmuschel wird fast zur Miesmuschel, presst aber schön weiter den Schnabel der Schnepfe zusammen und kann deshalb nur nuscheln: "Wenn ich dich nicht freilasse, kannst du deinen Schnabel nicht herausziehen und auch nicht öffnen ? also wirst du nach ein oder zwei Tagen verhungern!" Schnepfe und Venusmuschel zanken sich also, aber das Ganze sieht wirklich nach einer echten Pattsituation aus. In diesem Augenblick kommt nun ein Fischer vorbei, sieht die beiden mit sich selbst beschäftigt ? und fängt sie beide.

A: Also, weder Schnepfe noch Venusmuschel konnte den Streit gewinnen, aber der dritte Akteur, der Fischer also, der eigentlich mit dem Streit nichts zu tun hatte, profitiert gewaltig.

B: Genau ? wie im deutschen Sprichwort "wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte". So, und das heißt nun nichts weiter, als dass man vernünftig bleiben und die Situation richtig bewerten soll, um nicht von den anderen ausgenutzt zu werden. Manchmal ist ein guter Kompromiß mit dem Gegener die bessere Wahl für beide ? dann profitiert wenigstens nicht der Dritte.