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Die Votivtafel für den Regengott
   2005-10-12 16:37:58    cri
In früherer Zeit lebte in einem Dorf bei Kunming ein alter Mann namens Ma Yingsheng mit seiner Frau. Schon über dreißig Jahre war das Paar verehelicht, war aber ohne Söhne und Töchter geblieben. Wie gern hätten sie einen Nachkommen gehabt!

"Barmherziger Allah, verleih uns ein Kind!" Das war auch im Alter noch das tägliche Gebet der einsamen Leute.

Eines Jahres war die Frau plötzlich gesegneten Leibes. Das war eine unerhörte Freude für das Ehepaar.

Aber ein ganzes Jahr verging, ohne dass die Frau niederkam. Ein zweites Jahr ging ohne Geburt vorbei. Der alte Mann meinte zu seiner Frau: "Du hast bestimmt eine krankhafte Leibesschwellung! Wo gibt's denn so etwas wie eine zweijährige Schwangerschaft?!"

Nach dreijährigem Zuwarten wurde dann aber doch ein Kind, ein Sohn, geboren. Das betagte Paar weinte Freudentränen. Aber nachdem das Kind nicht früher hatte zur Welt kommen wollen, hätte es jetzt besser auch noch etwas länger damit gewartet. Das Geburtsjahr war nämlich ausgerechnet ein schreckliches Dürrejahr. Der Vater gab ihm den Rufnamen Ganhan, "der zur Dürrezeit Eingetroffene".

Mit zwei Monaten konnte Ganhan bereits laufen und mit drei Monaten sprechen. Nach einem halben Jahr ging er schon mit seiner Mutter in die Berge, wo sie Pilze und Brennholz sammelten.

Die Dürre hielt zwei Jahre an, zwei Jahre lang regnete es keinen Tropfen. Auf den Feldern war ans Pflanzen nicht zu denken. Kümmerlich nährten sich die Bauern von Baumrinde und Graswurzeln.

Eines Tages wandte sich Ganhan an die Mutter: "Warum pflanzen und essen wir keinen Reis?"

"Kind, der Drachenkönig schickt keinen Regen, wie soll man da Reispflänzlinge setzen!"

"Mutter, ich gehe zum Drachenkönig."

"Kind, der Drachenkönig wohnt im Drachenpalast, tief im Wasser darunter. Wer zu ihm hin will, muss es lange unter dem Wasser aushalten, muss gut tauchen können!"

Von nun an war Ganhan täglich am Schwarz-Drachen-Teich zu finden, um sich im Schwimmen und Tauchen zu üben. Er übte bei heißem und bei kühlem Wetter, keinen einzigen Tag setze er aus; und jeden Tag suchte er in der Wassertiefe den Drachenpalast.

In welch bodenlosem Abgrund lag der Drachenpalast! Ein Tag verging, zwei Tage vergingen... ein ganzer Monat verging, aber Ganhan konnte nicht hinfinden. Er tauchte und suchte ganze hundert Tage, bekam jedoch den Drachenpalast nicht zu Gesicht.

Am hundertsten Tage hatte Ganhan sich müde gesucht und schlief, ohne sich dessen bewusst zu werden, im Wasser ein. Gleich darauf gelangte er an einen wunderbar durchscheinenden Palast. Aus dem Tor des Palastes trat gemessenen Schrittes eine unvergleichlich schöne Prinzessin heraus. Gekleidet war sie in ein Korallengewand, ihre Schuhe waren aus Achat und mit Perlen besetzt; das Antlitz leuchtete in den verschiedensten Farbtönen, und aus ihren Augen kam ein helles Strahlen, so mild und so lieblich wie der Mondschein im Herbst.

Ganhan staunte die Prinzessin mit großen Augen an. Sie öffnete als erste den Mund: "Ganhan, willst du in den Drachenpalast, dann suche zuerst die Drachenhöhle! Hast du die gefunden, wirst du den Drachenkönig im Schlaf finden. Nimm die gute Gelegenheit wahr: Was du tun musst, tue schnell!" Die Stimme der Prinzessin klang rein und klar wie das Klirren von Kristall; bei jedem ihrer Worte rollte aus dem Mund eine Perle hervor.

Weiter gab die Prinzessin ihm noch an, wie er den Regengott finden könne. Aber ehe sie zu Ende gesprochen hatte, ging ein starkes Wallen durch das Wasser; die Prinzessin wandte sich ab und eilte davon. Eben wollte Ganhan hinter ihr drein-stürmen, da trug ihn ein Wirbel an die Oberfläche. Er wachte auf. Tief holte er Atem und tauchte dann wieder unverzüglich in die Tiefe. Dabei schlug er den Weg ein, den die Prinzessin ihm verraten hatte.

Ganhan spürte jetzt tatsächlich eine mannshohe Höhle auf. Er drang in sie ein. Pechschwarz war es darin und eiskalt. Der Junge biss die Zähne zusammen. Sich einmal nach Osten und einmal nach Westen wendend, tastete er sich voran. Wo seine Hände und Füße anstießen, starrte es von messerscharfen Steinspitzen. Mit unglaublicher Mühe erreichte er das Ende der Höhle. Hier befand er sich vor einem doppelflügeligen Tor, das fest verschlossen und mit scharfen Stacheln besät war.

Ganhan drückte mit den Händen gegen das Tor, bis die Hände zerstochen waren; er trat mit den Füßen dagegen bis auch sie zerspießt waren; er stemmte sich mit seinem ganzen Körper dagegen, bis auch am Körper keine heile Stelle mehr war.

So klopfte und drückte er einen ganzen Tag und eine ganze Nacht, aber das Tor blieb fest verschlossen. Da hörte er auf einmal die zarte Stimme der Prinzessin dicht neben seinen Ohren rufen: "Ganhan, ach, Ganhan! Willst du das Tor öffnen, hole flugs die Drachentafel herbei!"

Auf der Stelle wandte Ganhan sich vom Tor ab und verließ die Drachenhöhle. Wieder dem Wasser entstiegen, suchte er sich auf dem Berg hinter dem Teich einige Heilkräuter, die er auf seine Wunden legte.

Nachdem er zu Hause angekommen war, fragt er wieder die Mutter: "Wo ist die Drachentafel?"

"Kind, die Drachentafel befindet sich in der Moschee."

Ganhan eilte sofort zur Moschee. An jenem Tag war gerade Freitag, der allwöchentliche Gebetstag der Muslime. Schon seit vierzig Tagen wollte man eine Bittprozession um Regen abhalten, an der alle Moslems teilnehmen wollten; aber es fehlte noch der Mann, der brauchgemäß, dem Regen- und Wassergott zu Ehren, eine kupferne Votivtafel, die "Drachentafel", in der Drachenhöhle aufstellen würde.

Ganhan begrüßte den Vorsteher der Gläubigen. Dann sagte er: "Ich möchte die Drachentafel holen!"

"Du möchtest die Drachentafel aufstellen? Ausgezeichnet!" Der Vorsteher hatte sich etwas verhört und hocherfreut verstanden, der Votivtafeltaucher habe sich endlich gefunden. Freundlich fragte er weiter: "Wie heißt du? Bist du auch mit dem Wasser vertraut?"

"Ich heiße Ganhan und bin im Wasser wie zu Hause, ich kann sogar unter Wasser schlafen!"

"Moslems! Allah sei gedankt!" rief der Vorsteher in die Versammlung. "Nun haben wir jemand, der die Votivtafel aufstellt!"

Alle falteten die Hände. Auch Ganhan schloss sich dem Gebet an.

Dann setzte sich die Bittprozession in Gang. Niemand trug eine Kopfbedeckung, niemand hatte Schuhe an den Füßen; alle hielten Weihrauchstäbe in den Händen, und von ihren Lippen kamen fromme Gebete. Einer der Vorsteher trug die Drachentafel in seinen Händen hoch erhoben voran.

Ganhan folgte der langen Reihe zum Schwarz-Drachen-Teich. Hier erst fanden die von der sengenden Sonne verbrannten und fieberglühenden Leiber einige Kühlung.

Ganhan empfing aus den Händen des Vorstehers die Drachentafel. Er nahm sich nicht einmal die Zeit zum Entkleiden und tauchte mit beherztem Sprung in die Tiefe. Sobald er sich in die Drachenhöhle hineingetastet hatte, pochte er mit der Drachentafel an das Tor, dessen Flügel sofort von selbst aufsprangen. Vor ihm tat sich ein hellschimmernder Palast auf, der Drachenpalast, den eine weichzarte Musik durchtönte. In seinem langen schwarzen Prachtgewande lag der Drachenkönig auf seinem üppigen Lager und schlief. In seinem Munde hielt er locker eine blutrote, kostbare Perle.

Ganhan trat geschwind, wie ihn die Prinzessin gemahnt hatte, an den Drachenkönig heran, entriss ihm die kostbare Perle und verschluckte sie.

Verstört schrak der Drachenkönig aus seinem Schlummer auf; aus Nase und Rachen stieß er Feuer hervor und schrie dröhnend: "Wer hat meine Perle gestohlen?"

"Ich hab' sie verschluckt", bekannte Ganhan voller Mut.

Wutentbrannt sprang der Drachenkönig auf, ergriff sein Schwert und drohte fürchterlich: "Schnell die Perle herausgerückt! Säumst du, hackt dich der alte Drache in acht Stücke!"

"Du schwarzer Tölpel! Wie viele Menschen auf der Welt hast du in den Hungertod getrieben! Heute in einem Jahr wird das Jahresgedächtnis deines Todes gehalten! Lass jetzt deinen eigenen Schädel den Standort wechseln!" Mit diesen Worten hob Ganhan die Drachentafel in die Höhe: ein Schlag, und er hatte den Drachenkönig zu Boden geschmettert; ein zweiter Schlag, und er hatte dem Drachen die Hörner abgeschlagen; ein dritter Schlag, und er hatte den Schädel des Drachen vom Rumpfe getrennt.

Als der Drachenkönig tot war, verwandelte sich Ganhan selbst in einen Drachen und flog aus der Drachenhöhle hervor, und überall ging ein gewaltiger Regen nieder.

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