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Jiang Wen, der chinesische Tarantino
  2019-04-04 14:53:08  CRI

 

Das Plakat von „Hidden Man"

Gibt es hinter der großen Mauer einen Filmemacher, der so abgedreht ist wie Quentin Tarantino?

In Frage kommt auf jeden Fall der 56-jährige Jiang Wen, der ähnlich experimentier- und zitierfreudig ist wie der fast gleichalte US-Amerikaner Tarantino. Er ist einer der gefragtesten Regisseure Chinas.

Jiang und Tarantino sind heute vor allem als Regisseure bekannt, aber sie fingen als Filmschauspieler an. Sie sind zudem Drehbuchautoren und Produzenten. Als zwei der wenigen echten Künstler zeigen sie vor und hinter der Kamera einen erfreulichen Sinn für Ironie. Allein dafür sollte man sie lieben.

Tarantino hat mehr Filme gedreht und mehrere Male auch den Part des Kameramanns übernommen. Aber beide leben für den Film. Tarantino gönnt sich häufiger längere Pausen nach einem Projekt.

Quentin Tarantino hatte schon früh einen eigenen, unkonventionellen Stil entwickelt, dem er unverkennbar in fast allen Filmen treu geblieben ist. So dreht Tarantino eben meist Tarantino-Filme, egal ob es Western, Eastern oder Romanzen wie „True Romance" (von 1993, Drehbuch) sind. Viele seiner Filme lassen sich nur schwer einem einzigen Genre zuordnen. Besonders erfolgreich sind jene, in denen er richtig aufdreht und viel Gewalt, Wahnwitz und Genialität zeigt. Seine Schnitte und Dialoge sind ungewöhnlich und innovativ.

Jiang Wen nahm seinen eigenen Stil, wenn es für bestimmte Projekte notwendig war, wohl noch einen Tick mehr als Tarantino zurück. Sein Beitrag zur romantisch-dramatischen Anthologie „New York, I Love You" von 2008 ist „Hollywood" und „Jiang" zugleich. Der chinesische Meisterregisseur ist auch ein begnadeter Kurzgeschichten-Erzähler. „The Sun Also Rises" von 2007 beweist das.

So wie Tarantino ist auch Jiang am besten, wenn er nonkonformistische Filme in seinem eigenen Stil dreht. Beide kennen natürlich die Filmografie des jeweils anderen. Quentin Tarantino lobte Jiang sogar für dessen halbautobiographisches Regiedebüt von 1994, „In the Heat of the Sun", das er einfach „toll" fand. Tarantino, der erst im Jahr 2013 mit „Django Unchained" in die chinesischen Kinos kam, ist als Kenner und großer Fan asiatischer Filme bekannt.

Jiang Wen verweist in seinem jüngsten Kinostreifen „Hidden Man", einem Mix aus Rachegeschichte, Gangsterkomödie, Splattermovie, Kung-Fu-Spektakel und Historiendrama nicht nur auf Tarantino, Hitchcock, Bruce Lee und einige Filmklassiker, sondern auch auf sich selbst. Die Großen dürfen das. Seine wunderschön choreografierten Gewaltorgien sind zum Lachen. Auf diesem hohen Niveau schaffen das sonst nur noch Tarantino und manchmal Rodriguez.

Jiang Wen versteht sein Handwerk, aber der Zuschauer nicht immer alles. Jiang bedauerte einmal, dass Zuschauer das, was sie nicht entschlüsseln könnten, zu leicht für schlecht befänden.

Mit der aufwendigen Actionkomödie „Gone with the Bullets" (2014), die in den 1920er Jahren in Shanghai spielt, verfilmte Jiang die wahre Geschichte vom Mord an einer begehrten Prostituierten. Die Hauptfigur beschreibt der Regisseur als einen Wahrheitssuchenden, der nicht den Weg für Falsches bereiten will. Jiang hält es selbst für wichtig, die Vorurteile der Menschen zu ändern. Das ist eine weitere Gemeinsamkeit mit Tarantino, der gerne Sonderlinge, Außenseiter und Naturcoole jeglicher Couleur glänzen lässt.

Tarantino hat die dickeren Preise eingeheimst. Seine Filme sind vielleicht etwas runder. Beide Filmemacher sind ziemlich cool und mehr oder weniger Kult, weil sie es einfach drauf haben und sich nicht so wichtig nehmen. Quentin Tarantino ließ sich in „Django Unchained", indem er auch als Schauspieler mitwirkte, in die Luft sprengen. Jiang Wen spielte in „Rogue One: A Star Wars Story" (2016) einen Auftragsmörder.

Text: Nils Bergemann

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