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Der Kunshan-Fall, ein Meilenstein für juristischen Fortschritt in China
  2018-09-07 09:16:08  cri


In der Stadt Kunshan, die in der ostchinesischen Provinz Jiangsu liegt, welche an die Metropole Shanghai grenzt, ereignete sich am Abend des 27. August ein Vorfall, der chinaweit für Diskussionen sorgte.

Liu Hailong, ein BMW-Fahrer, versuchte unter Alkoholeinfluss mehrfach einen Radfahrer namens Yu Haiming mit einem 59 Zentimeter langen Hackmesser auf der Straße zu attackieren. Vermutlich aufgrund seiner Trunkenheit verfehlte er ihn aber. Das ursprüngliche Opfer Yu konnte Liu das Messer entwenden und wehrte sich. Er stach auf seinen Angreifer ein und tötete Liu mit mehreren Messerstichen.

Der sogenannte Kunshan-Fall hat eine große Debatte in den chinesischen sozialen Netzwerken eröffnet. Ein User kommentierte auf der chinesischen Plattform Weibo:

„Der Radfahrer muss nicht strafrechtlich verurteilt werden, denn er ist eigentlich das Opfer. Er hat sich nur verteidigt. Wenn das Gesetz einen in so einer gefährlichen Situation nicht mehr schützt, wie kann man sich in Zukunft noch sicher fühlen?"

Der Tat war eine kleine Streitigkeit im Straßenverkehr vorausgegangen. Gegen 21:00 Uhr fuhr der Radfahrer Yu mit einem E-Bike auf dem Radweg auf eine Kreuzung zu, als der BMW plötzlich auf seinen Radweg steuerte. Daraufhin stieg der betrunkene Autofahrer Liu aus dem Auto aus und versuchte, den Radfahrer mit einem Hackmesser zu attackieren. Als ihm das Messer entglitt, griff sich Yu die Waffe und stach den Angreifer nieder. Er stach fünf Mal zu und verfehlte ihn weitere zwei Mal. Liu starb am Straßenrand.

Die Polizei vor Ort und die Staatsanwaltschaft nahmen die Ermittlungen am Folgetag auf. Nach dreitägigen Ermittlungen bestätigte die Polizei in Kunshan, dass die Tat von Yu Haiming Notwehr gewesen sei. Yu habe mit keinen strafrechtlichen Folgen zu rechnen. Viele Chinesen bejubelten diese Entscheidung online.

„Das ist ein deutlicher Fortschritt in der Geschichte der chinesischen Rechtsprechung. Früher wurden ähnliche Fälle meistens als eine Überschreitung der Notwehr verurteilt, weil in China für eine Klassifizierung als Notwehr strenge Bedingungen erfüllt werden müssen. Das führt dazu, dass das Opfer, welches sich zur Wehr setzt, am Ende strafrechtliche Folgen tragen muss. Die Polizei hat in einer Pressemitteilung genau erklärt, warum das Opfer in diesem Fall keine Konsequenzen fürchten muss. Das ist super und fair."

Einige Internetuser sind jedoch anderer Meinung. Sie argumentieren, dass der Medienrummel die Entscheidung der Polizei beeinflusst habe.

„Die gerechte Urteilsfindung darf nicht von Dritten beeinflusst werden. Man muss Vertrauen in das Gesetz, in die Polizei und in den Richter haben."

Ob es sich um Notwehr oder eine Überschreitung der Notwehr handelt, ist oft auch für einen erfahrenen Richter schwer zu entscheiden. Einige Rechtsexperten vermuten daher, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft in ähnlichen Fällen wieder strenger vorgehen werden. Damit solle in Zukunft verhindert werden, dass das Argument der Notwehr missbraucht werde.

Verfasst und gesprochen von Zheng An

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