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Ein reisender Frosch erobert China
  2018-01-26 08:50:17  cri

Seit etwa zwei Wochen sind die Chinesen verrückt nach einem japanischen Handyspiel namens „Der reisende Frosch". In dem Spiel erhält jeder Spieler einen Frosch, der jederzeit auf eine Reise gehen könnte. Was der Spieler für seinen Frosch machen kann, ist ganz einfach: Klee ernten und damit Geld verdienen, um Essen und Reiseartikel für den Frosch zu kaufen. Hört sich langweilig an? Ist es auch. Doch so ein scheinbar langweiliges Spiel ist binnen weniger Tage zu einem der beliebtesten Handyspiele in China geworden. Was macht das Spiel in China so erfolgreich?

„Ist dein Frosch schon von der Reise zurück?"

„Nein, noch nicht, er ist schon seit zwei Tagen weg. Keine Ahnung, wo er jetzt ist…"

Auf chinesischen sozialen Netzwerken häufen sich dieser Tage ähnliche Dialoge. Was die Internetnutzer so begeistert, ist ein Handyspiel des japanischen Unternehmens Hit Point, das in China gerade im Trend liegt.

In diesem Spiel erhält jeder Spieler einen kleinen Frosch. Der Frosch bewegt sich selbstständig und kommuniziert nie mit seinem Besitzer. Er liest gerne alleine und schreibt gerne Briefe. Wenn er Lust hat, geht er spontan für ein paar Tage auf Reisen, ohne seinem Besitzer vorher Bescheid zu sagen. Nur durch die Postkarten und Spezialitäten, die er nach Hause sendet oder mitbringt, kann man herausfinden, wo der Frosch gerade ist oder von wo er gerade zurückkommt.

Was der Besitzer für seinen Frosch machen kann, sind lediglich zwei einfache Sachen: Geldverdienen durch das Ernten von Kleeblättern und das Vorbereiten von Essen oder sonstigen Reiseartikeln.

Es hört sich zwar etwas langweilig an, doch das Spiel belegt seit Tagen den ersten Platz unter den kostenlosen Handyspielen im chinesischen App-Store.

Wieso ist „Der reisende Frosch" so erfolgreich?

Anders als viele populäre Handyspiele in China wirkt dieses Spiel weniger zweckorientiert. Es gibt kein genaues Ziel, kein Ranking, keine Geschichte… Alles ist zufällig und spontan. Der kleine Frosch lebt sein Leben und niemand kann es beeinflussen.

„Das Spiel zeigt eine Art Müdigkeit und Widerwillen gegenüber den wettbewerbsorientierten Spielen, oder, genauer betrachtet, gegenüber der Leistungsgesellschaft", erklärt eine Professorin aus der Zhejiang-Universität. „‚Der reisende Frosch' bietet keinen Maßstab, um zu beurteilen, ob man erfolgreich ist oder nicht. Es benötigt keine Technik und keine Kommunikation mit anderen. Das Spiel, das etwas einsam wirkt, bringt den Spielern unerwartet Ruhe und Zufriedenheit."

Das einfache Spiel veranlasst außerdem viele Spieler dazu, über die chinesische Eltern-Kind-Beziehung nachzudenken. Viele Spieler berichten, dass „Der reisende Frosch" sie an das japanische Elektronikspielzeug Tamagotchi aus den 90er Jahren erinnert. Das Tamagotchi stellt ein virtuelles Küken dar, um das man sich jedoch wie um ein echtes Haustier kümmern muss. Vernachlässigt man die Bedürfnisse des Kükens, wie Schlafen, Essen oder Zuneigung, dann stirbt es sofort.

„‚Der reisende Frosch' ist für mich eher eine erwachsene Version von Tamagotchi", schreibt der Spieler Tianfengwang auf dem Mikroblog Weibo. „Im Vergleich zu dem Tamagotchi-Küken wirkt der Frosch wie ein selbständiger Mensch. Du kannst dich nur wenig in sein Leben einmischen. Ich glaube, dieses Spiel stellt das ideale Modell dar, wie Eltern mit ihren Kindern umgehen sollen."

Was Tianfengwang hier anspricht, sehen viele Internetnutzer ähnlich. „Anders als in Europa oder Japan mischen sich chinesische Eltern oft zu viel in das Leben ihrer erwachsenen Kinder ein", schreibt ein anderer Weibo-Nutzer namens Tuzhier. „Viele chinesische Eltern sehen das Leben ihrer Kinder als einen Teil ihres eigenen Lebens. Und diese Grenzüberschreitungen führen häufig zu Problemen."

Dass dieses kleine Spiel mittlerweile in China beliebter als in Japan ist, liegt vielleicht genau daran, dass sich das Thema der Eigenständigkeit in anderen Lebensbereichen der chinesischen Spieler widerspiegelt.

Text Hu Hao

Bilder via weibo.com

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