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Fußgänger sehen Rot
  2017-05-16 08:37:55  cri

 

Mit den Verkehrsregeln ist es so eine Sache. Während der Probezeit hält sich der Großteil der Führerscheinneulinge meist noch peinlich genau daran. Später gestaltet sich mancher dann bei Einhaltung und Auslegung einiger Regeln so seinen eigenen Ermessensspielraum. Wird schon keiner sehen, wird schon alles gut gehen! Und zack, aufs Gas gestiegen und über die leuchtend rote Ampel gebrettert. Die Fußgänger sind da oft keinen Deut besser. Besonders in China wird gefahren und gelaufen, wo es gerade passt und wo und wie man vermeintlich am schnellsten vorankommt.

Dabei ist es gerade auch für Fußgänger durchaus ein Risiko, bei Rot über die Straße zu gehen. Wird man in Deutschland beim Überqueren einer roten Ampel erwischt, werden nach dem Bußgeldkatalog 2017 fünf Euro fällig. China erprobt momentan schwerere Geschütze.

In der Stadt Wuhan, in der Provinz Hubei, ist es nun mit dem über-die-Straße-schlendern zum selbst gewählten Zeitpunkt vorbei. In einem Pilotprojekt wurden nun an einer der Hauptachsen automatische kleine Schranken installiert. Die sind an die Ampelanlage gekoppelt und geschlossen, solange die Ampel Rot zeigt. Springt diese auf Grün, öffnen sich die Schranken und die Straße darf überquert werden. Wem das zu viel Bevormundung ist, wer den Nervenkitzel liebt und sich die Freiheit nicht nehmen lassen will, sein Leben zu riskieren, der wird sofort mit den Konsequenzen konfrontiert. Denn wer es wagt, die Schranke irgendwie zu umgehen oder zu übersteigen, wird fotografiert. Der Schnappschuss erscheint dann für alle gut sichtbar auf einem großen Bildschirm in unmittelbarer Nähe. Wie peinlich! Ausreden gibt es aber viele:

„Ich muss zur Apotheke. Es war keine Absicht. Verstehen Sie?"

„Entschuldigung, aber meine Blase drückt!"

„Mein Kind ist krank."

„Wissen Sie, dass das mit Geld bestraft wird? Nein, weiß ich nicht."

Das Ganze ist ein zunächst zeitlich auf einen Monat begrenztes Pilotprojekt einer Wuhaner Verkehrstechnologie-Firma.

In Jinan, in der Provinz Shandong, ist man da schon einen Schritt weiter. Da wird momentan flächendeckend fotografiert. Wichtige Kreuzungen im Stadtgebiet wurden vor kurzem von der Polizei mit Gesichtserkennungs-Technologie ausgerüstet. Wer hier bei Rot über die Ampel geht, bekommt nicht nur ein hübsches Foto, sondern auch einen 15-sekündigen Beweis-Film. Wer denkt, er wäre in einer Menschentraube, die geschlossen bei Rot die Straße überquert, vor einer Strafe sicher, irrt gewaltig. Da sowieso überall video-überwacht wird, ist von jedem Bürger massig Bildmaterial vorhanden, und es braucht nur Zeit und Manpower, die Rotlichtsünder mit den sonstigen Aufzeichnungen abzugleichen. Mit 50 Yuan RMB Strafe ist das Bußgeld dann auch ein klein wenig höher als in Deutschland. Rund 6,70 Euro kostet hier also der Spaß. Was dem Datenschützer ein Graus wäre, dürfte ordentlich Cash in den Stadthaushalt spülen. Auch hier ist es ein Pilotversuch. Andere chinesische Städte ziehen aber schon nach.

„Dank der Kameras können Konflikte zwischen Ordern und Fußgängern vermieden werden. Außerdem haben sie einen Abschreckungseffekt."

Wer denkt, er käme mit der Zahlung von 50 Kuai so einfach davon, täuscht sich auch hier. Zusätzlich hat jeder Rot-Sünder die Wahl, sich 20 Minuten über Verkehrsregeln belehren zu lassen oder der Polizei helfend zur Hand zu gehen und den nächsten Vehrkehrssünder aus selbigem zu ziehen. Für die übrigens, die nicht zahlen und sich nicht belehren lassen wollen, haben sich die Ordnungshüter einige nette Zusatz-Erziehungs-Maßnahmen einfallen lassen. Aber bevor das ganze Wohnviertel oder gar der Arbeitgeber informiert werden, zücken die meisten dann wohl doch lieber reumütig den Geldbeutel. Und überlegen sich vielleicht sogar, ob es an der nächsten roten Ampel nicht insgesamt stressfreier wäre, einfach auf Grün zu warten.

Svenja Schmidt

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