Der Himmelstempel in Beijing wurde zu einem einzigen Zweck erbaut, um dem Kaiser eine Stätte zu bieten, wo er für eine große Ernte beten konnte. Heutzutage dient der längst in einen Park umgewandelte Gebetsort der Partnersuche chinesischer Eltern. Aber nicht für sich selbst, sondern für ihre Kinder.

An einem bitterkalten Morgen beugt sich eine besorgte Mutter nieder und platzierte auf dem Weg in einer Ecke des Himmelstempels eine handgeschriebene Kontaktanzeige. Sie will damit eine Ehefrau für ihren 45-jährigen Sohn finden. Auf dem Weg liegen bereits Hunderte derartige Zettel.

In dieser Partnervermittlungs-Ecke tauschen Eltern Telefonnummern aus und planen Verabredungen für ihre Kinder – und dies bereits seit über zehn Jahren.

„Männlich, 45, Angestellter in einem staatseigenen Betrieb, Absolvent der Renmin-Universität, sucht in Beijing geborene Frau (sollte nicht dick sein). Wohnungsbesitzerin bevorzugt", heißt es in der Kontaktanzeige.

Eine ältere Dame zeigt ein wenig Interesse. „Woher stammt ihre Tochter?", fragt die Mutter, die die Kontaktanzeige platziert hat. „Weihai", erwidert die andere. Weihai ist eine kleine Küstenstadt in der ostchinesischen Provinz Shandong.

„Wir möchten aber ein Beijinger Mädchen", sagte die Mutter des Mannes. „Ich glaube, dass sich zwei Familien mit ähnlichem Hintergrund gut verstehen. Außerdem besitzen die meisten Frauen aus Beijing eine eigene Wohnung", begründet sie ihre Wünsche.

Sie hat bereits mehrere Freundinnen für ihren Sohn gefunden, doch die Beziehungen haben nicht lange gehalten.

In einer Kultur, die großen Wert auf Familie legt, sind chinesische Eltern häufig stark in den Ehen ihrer Kinder involviert. Die gegenwärtig tendenzielle Abneigung und Verzögerung der Eheschließung hat viele Eltern alarmiert. Sie befürchten, dass ihre familiäre Übertragungslinie dadurch gebrochen wird und sich nach ihrem Tod niemand um ihre Kinder kümmert.