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Psychische Gesundheit gewinnt immer mehr Aufmerksamkeit in China
  2016-09-19 08:56:02  cri

Psychiatrie und Psychotherapie sind in China im Vergleich zu anderen medizinischen Bereichen wie der Chirurgie, der Orthopädie und der inneren Medizin noch im Rückstand. Dass in China die Bedeutung der psychischen Gesundheit weitgehend unterschätzt wird, geht einerseits auf ein mangelndes Bewusstsein für psychische Gesundheit in der Gesellschaft zurück. Andererseits legen die Chinesen traditionell sehr viel Wert auf „Mianzi". Der Begriff übersetzt sich als „Gesicht" oder „Gesichtswahrung", umfasst aber ebenso die Sorge um Ruf oder Prestige. Wie kaum ein anderes gesellschaftliches Phänomen wird der Verlust des "Mianzi" stark gefürchtet. Weitläufig besteht die Meinung, die Diagnose einer psychischen Störung schade dem Ansehen, weshalb viele Bürger mit allen Mitteln entsprechende Krankheiten verbergen.

Dennoch kann eine Entwicklung beobachtet werden. Seit gut zehn Jahren bemüht sich die chinesische Regierung um die Aufklärung von Vorurteilen und um eine bessere Versorgung im Bereich der Psychologie und Psychiatrie. So nehmen sich immer mehr Ärzte dieses Fachbereichs an. Viele Chinesen gelangen zu der Einsicht, dass psychische Störungen genau wie körperliche Erkrankungen zum menschlichen Leben gehören. Han Xueqing, Chefärztin von der Psychologie-Abteilung der Beijinger Tongren-Klinik, erläutert:

"Mit der Etablierung von Fakultäten für Psychologie und Psychiatrie an Hochschulen wurden schon recht früh entsprechende fachärztliche Ansprechpartner an zahlreichen Bildungsinstituten angestellt. Seit des Inkrafttretens des ‚Nationalen Standards für psychologische Beratung' im April 2001 wurde der psychologische Berater zum staatlich anerkannten Beruf erklärt und offiziell in Chinas Berufslexikon aufgenommen. Im Juli des darauffolgenden Jahres konnten entsprechende staatliche Prüfungen eingeführt werden."

So erfuhr die psychologische Beratung in China im vergangenen Jahrzehnt eine rasante Entwicklung. Mehrere hunderttausend Menschen bestanden die staatliche Prüfung und qualifizierten sich damit zum psychologischen Berater.

Li Lu, eine ehemalige Ingenieurin, gehört zu den ersten staatlich zugelassenen Berufspsychologen. Auch sie berichtet von einer rasanten Entwicklung in diesem Bereich.

"Die Veränderungen in den vergangenen zehn Jahren sind meiner Ansicht nach sehr groß. Durch gezielte Aufklärungsarbeit haben viele Bürger die Erkenntnis erlangt, dass im Grunde jeder ein gewisses psychologisches Problem mit sich führt."

Li Lu hat an der Beijing Normal University und der Capital Normal University ihre Ausbildung im Fachbereich Psychologie absolviert und darüber hinaus Workshops mehrerer ausländischer Psychologen in China besucht. Vor sechs Jahren gründete sie eine eigene Praxis für psychologische Beratung „Ting Yu Jing Xin", in dem gegenwärtig über zehn Mitarbeiter tätig sind. Damals wie heute bringe die psychologische Beratung viele Herausforderungen mit sich, so die Psychologin.

"Es gibt in China viele psychologische Beratungszentren. Doch ist dies ein sehr komplizierter Berufsbereich, so dass nur wenige in der Lage sind, sich auf Dauer zu behaupten. Maximal drei der vor zehn Jahren in Beijing gegründeten Praxen sind heute noch in Betrieb."

Patienten müssen in China für die psychologische Beratung in die eigene Tasche greifen. Je nach Krankheitsfall können die Kosten stark voneinander abweichen. Für eine Grundberatung zahlt man rund 200 Yuan RMB, umgerechnet 30 Euro, pro Stunde. Für den Spezialisten liegt die Gebühr zwischen mehreren hundert bis zu tausend Yuan RMB. Li Lu kann sich trotz der hohen Behandlungskosten in ihrer Praxis keineswegs über einen Mangel an Patienten beklagen. Sie hat sich in der Branche bereits einen Namen gemacht, so dass die Erkrankten meist auf Empfehlung auf sie aufmerksam werden. Monatlich können durchschnittlich zehn neue Patienten aufgenommen werden.

Möchte man keine Privatpraxis aufsuchen, so ist die psychologische Betreuung durch Fachärzte der Psychiatrie und Psychotherapie in Krankenhäusern oder Spezialkliniken eine gute Wahl, etwa bei der Diagnose und Behandlung von Schlafstörungen. Während die meisten Privatpraxen in erster Linie das psychologische Gespräch anbieten, ist in Krankenhäusern ein breiteres Behandlungsspektrum verfügbar. Nach der Erstellung der Diagnose entscheiden die Ärzte über die Wahl der Medikamente. Hinzu kommen verschiedene Therapieangebote wie die kognitive Therapie, Verhaltenstherapie, Psychoanalyse, Musiktherapie, Hypnosetherapie und Entspannungsübungen. Die Kosten dafür werden von der Krankenversicherung anteilig übernommen.

Eine wichtige Ergänzung sind inzwischen auch Hotlines für die psychologische Beratung und städtische Berater. Han Xueqing von der Tongren-Klinik erläutert das Konzept:

"Einhergehend mit der gesellschaftlichen Entwicklung sind eine Vielzahl an Möglichkeiten zur psychologischen Behandlung verfügbar geworden. So gibt es inzwischen etwa an zahlreichen chinesischen Schulen und Hochschulen psychologische Ansprechpartner. In vielen Wohnvierteln sind Sozialhelfer für die psychologischen Beratung tätig."

Text: Xiao Lan

Sprecher: Xi Jing

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