Während in vielen Teilen der Welt Vlogs, also Video-Blogs, einer der aktuellsten Trends ist, gehen Chinesen bereits einen Schritt weiter. Chinesische Vlogger nehmen ihre Blogs nicht nur als Video auf, sondern produzieren sie live. Theoretisch kann jeder, der einen Computer mit einer Webcam und einem Internetzugang besitzt, einen Live-Vlog starten, doch nur wenige Live-Vlogger werden zu Online-Celebrities und können damit Geld verdienen. Diese Live-Vlogger bestechen entweder durch ihr gutes Aussehen oder sie beschäftigen sich mit Online-Spielen. Im Vergleich zu einem „normalen" Live-Vlogger, der am Tag vielleicht sieben bis acht Stunden für seine Shows aufwendet, arbeiten sie nur drei bis vier Stunden täglich.

Mithilfe hervorragender Technik und noch wichtiger, viel Glück, kann die Liveübertragung des Spielverlaufs eines Computerspielers ein Hit bei Internetbenutzern werden. Genauso ist es bei schönen Frauen. Live-Vloggerinnen singen, tanzen oder präsentieren Programme wie Nachahmungs-Darbietungen, Cosplay- oder Talkshows. Viele versuchen jedes Detail ihres Alltagslebens live zu vermitteln: Wenn sie telefonieren, etwas trinken, sich schminken oder schlafen wird das mit den Zuschauern geteilt. Selbst vor Andeutungen sexueller Handlungen machen einige Live-Vlogger nicht halt. Medienberichten zufolge hat ein weiblicher Internet-Star vor kurzem seine Kleidung vor der Kamera gewechselt, wobei die Dame von 600.000 Personen beobachtet wurde.

Wenn die Fans den Live-Vloggern „Likes" oder virtuelle Geschenke geben möchten, müssen sie dafür bezahlen. Die Online-Promis sind daher eng mit dem Gesamtumsatz der Live-Video-Plattformen verbunden und können ein Jahreseinkommen von bis zu mehreren Millionen Yuan RMB verdienen.

Die zahlungsbereiten Zuschauer sind für die Live-Video-Plattformen sehr wichtig, da sie im Gegensatz zu verbreiteten Videoportalen kaum Einnahmen durch Werbeanzeigen erhalten. Aus diesem Grund kämpfen diese Plattforme um Online-Celebrities, denn nur mit ihnen können sie einen möglichst hohen Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit erlangen. Die Statistiken von 2015 legen nahe, dass im Jahr 2016 100 Millionen Internetbenutzer mindestens einmal im Monat die Liveübertragung einer Online-Persönlichkeit anschauen werden. Da ist es kein Wunder, dass die Plattform-Anbieter bei der Kontrolle von Live-Vloggern gerne einmal ein Auge zudrücken, auch wenn diese mit ihrem Verhalten rechtliche Grauzonen betreten. Denn je mehr Zuschauer geködert werden, desto mehr Gewinn kann die Plattform verzeichnen.

Allerdings stoßen Live-Vlogs aufgrund mehrerer Skandale auf immer größere Kritik: Ein Internet-Star übertrug zum Beispiel eine Fahrt in einem Luxusauto, wobei er zu schnell fuhr und einen Unfall verursachte; Während einer anderen Live-Reality-Show auf einer Online-Spiele-Plattform kam es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung; Und die Polizei hat Ermittlungen gegen einige Liveübertragungen eingeleitet, da sie sexuelle Handlungen zeigten. Obwohl alle Live-Video-Webseiten bereits Verbote für illegale Inhalte wie Gewalt oder Pornografie erlassen haben, sind die Kontrollen und entsprechenden Restriktionsmaßnahmen nicht vollkommen.

Dem CEO einer PC-Spiele-Plattform, Wang Jue, zufolge steht die Aufsichtsbehörde schon in technischer Hinsicht vor einer riesigen Herausforderung. Da es für jede Liveübertragung einen Netzwerkanschluss gebe, werde für die Überwachung einer einzigen Live-Video-Plattform eine extrem hohe Netzwerkbandbreite benötigt. Außerdem müssten unzählige Computer bereitgestellt werden. Das koste Millionen Yuan RMB – und das sei allein der Aufwand für eine Plattform. An eine vollständige Kontrolle aller Plattformen sei dabei gar nicht zu denken, so Wang.

Darüber hinaus ist Wang Jue der Meinung, Online-Celebrities könnten die Aufmerksamkeit der Fans nur kurzfristig erregen. Langfristig spielten umfassende Inhalte der Live-Video-Plattformen eine bedeutendere Rolle. Aus diesem Grund konzentrieren sich die Plattform-Anbieter derzeit auf die Reform und Innovation ihrer Live-Programme und der Plattform-Modelle.