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Kafei: Mehr als ein Genussmittel
  2015-07-01 17:05:58  CRI

 

 

„Gibt es jemanden, der deine Tränen trocknet, der mit dir eine Tasse Kaffee trinkt – bitter, ganz ohne Zucker? Ich erinnere mich an deine Schönheit, an deine Tränen und wie wir gemeinsam bitteren Kaffee getrunken haben….."

„Bitterer Kaffee" steht im gleichnamigen Lied des Künstlers Tang Chao synonym für eine große Bandbreite an Gefühlen und Erinnerungen. Nicht nur für den Sänger hat Kaffee eine tiefgreifende Bedeutung. Wie ungestüme Diskussionen auf chinesischen Bloggingplattformen bezeugen, steht ein Großteil der Nation dem Heißgetränk höchst leidenschaftlich und zugleich ambivalent gegenüber – spätestens, seit das amerikanische Unternehmen Starbucks ein lizensiertes Kaffeehaus in der Verbotenen Stadt in Beijing eröffnete. Wie passte das zusammen? Kaffee im Herzen des Landes der Teekultur, das ursprünglich keinen Kaffee kannte… Die Öffentlichkeit reagierte gespalten, wie folgende Interviews zeigen:

„Starbucks und Kaffee kommen aus dem Ausland. Der Kaiserpalast ist hingegen ein Symbol für unser Land. Daher finde ich diese Lage nicht sehr passend. Wir müssen das kulturelle Erbe unserer Nation schützen."

„Ich finde das gut. Zwar kommt die Kette aus dem Ausland, aber auch viele ausländische Besucher, die gerne Kaffee trinken, besichtigen eben die Verbotene Stadt. Deshalb ist es angemessen."

Aufgrund der zahlreichen Beschwerden wurde die Starbucksfiliale in der Verbotenen Stadt im Jahr 2007 geschlossen.

Der chinesische Absatzmarkt für Kaffee steckt in einer tiefen Transformation. Im Jahr 1999 eröffnete Starbucks seine erste Filiale in China. Inzwischen sind über 1000 Kaffeehäuser hinzugekommen. Die Aufholjagd anderer großer Ketten wie Costa Coffee, Tous Les Jours und Pacific Coffee ist im vollen Gange. Neben ausländischen Ketten haben sich in den Metropolen längst auch individuelle Cafés durchgesetzt, die meist durchaus trinkbaren Kaffee anbieten. Für eine Tasse „echten" Bohnenkaffees zahlt man allerdings nicht wenig, durchschnittlich rund 30 Yuan Renminbi – umgerechnet sind das über 4,30 Euro.

Während für einige Chinesen – insbesondere in ländlichen Regionen – Kaffee noch ein Kuriosum aus dem Westen darstellt, zelebrieren andere das Getränk im Sinne eines neuen Lebensstils: Freiheit, Coolness, Autonomie, Entspannung – Lebensqualität nach europäischem Vorbild. Dazu gehört selbstredend auch die Kaffeezubereitung im eigenen Haushalt, am besten mit teuren Kaffeekapseln und modernsten Espressomaschinen.

Auch in „Online-Kaffeeclubs" feiert man das neue Lebensgefühl. Ein Blogger des Weibo-Threads „Kaffefantasie" äußert sich überschwänglich:

„Kaffee fließt durch meine Venen und Arterien. Er ist mein Lebenssaft, der meinen Alltag regelt. Für den neuen Mittelstand ist ein solcher Lebensstil höchst angemessen. Beschäftigte wie wir kommen mit Kaffee zur Ruhe. Und er macht uns gleichzeitig belastbarer. Kaffee leistet einen wichtigen Beitrag zu einer harmonischen, wohlhabenden Gesellschaft."

Die Zeit, in der man in China nur schwerlich ein Päckchen Instantkaffee in westlich geprägten Supermärkten bekam, ist längst vorbei. Allerdings ist das chinesische Wort „Kafei" nicht gleichbedeutend mit echtem Bohnenkaffee geschweige denn Espresso. Insbesondere Hotelbuffets unter fünf Sternen interpretieren Kaffee oftmals als dünkelhaften Aufguss aus braunem Farbstoff, Kaffee-Aroma, Sahnepulver und viel Zucker.

Ein großer Gegensatz dazu: Immer beliebter werden auch professionelle Barista-Seminare. Kursleiter Liu Kang aus einer Shanghaier Schule betont die kulturellen Unterschiede:

„Die Kaffeekultur unterscheidet sich weltweit maßgeblich. So stammt etwa aus Italien die Zubereitungsart des hochkonzentrierten Espresso. In den USA ist die verlängerte Form des Americano üblich. Kaffeegenießer in China ziehen inzwischen den italienischen Kaffee vor."

China ist dabei, Kaffee in aller Gründlichkeit zu sinisieren. Nicht nur wird Kaffee inzwischen in einigen Provinzen wie Yunnan angebaut. Auch werden zunehmend Wege entdeckt, eine Verknüpfung zur eigenen Kultur herzustellen. Im Internet hat sich vor kurzem der Begriff „Kaffee mit chinesischen Charakteristiken" durchgesetzt. Dazu gehört etwa ein Service in Anlehnung an die traditionelle Teezeremonie inklusive Snacks, die Anreicherung des Bohnenkaffees durch Aromen oder die Kombination mit Elementen der chinesischen Medizin. Der neueste Trend: Kreislaufprobleme kurieren mit Koffein und frischem Ingwer!

Text: Miriam Nicholls

Foto: Xinhuanet.com

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