(Grab von Guy Courtney)

Nach all den Gesprächen fällt mir immer noch eine Lücke auf: Guy Courntey. Für die britische Ärztin wurde im Forest Park in Guiyang ein Schrein gebaut. "Dr Courtney died at her post in 1942 while working to prevent and cure the disease caused by the germ warfare waged by the Japanese," steht darauf. Es klingt nach einer tragischen Geschichte. Aber viel mehr als das scheint niemand mehr zu wissen, wusste vielleicht nie jemand, denn nicht einmal genaue Geburts- und Sterbedaten sind angegeben. Was heute noch wichtig ist, hier in China, das wissen die Leute: Die Japaner haben Biowaffen mit tödlichen Bakterien in im Krieg gegen China verwendet. Courtney hatte versucht, ein Heilmittel zu finden, steckte sich dabei an und verstarb wenig später. Damit ist sie ein Opfer und eine Heldin. Mehr gibt es nicht zu wissen. Aber stimmt das? In den Büchern, die über die internationalen Ärzteteams geschrieben wurden, steht ein einziges verwischtes Bild von ihr: Kinnlanges Haar hinter die Ohren geklemmt. Eine runde Brille auf der etwas längeren Nase. Ein Lachen auf den Lippen. Sie mag Mitte 20 gewesen sein als sie nach China kam. Wahrscheinlich wollte sie tatsächlich Menschen helfen und das war der Grund für ihre lange Reise in einen Krieg, mit dem sie auch nichts weiter hätte zu tun haben wollen. Vielleicht verspürte sie auch ein wenig Abenteuerlust, wie es viele junge Menschen gerne einmal tun. Vielleicht wollte sie auch ihrem kleinen Leben daheim entkommen, einmal etwas Neues sehen, etwas mit echter Bedeutung. Am allerliebsten würde man sie selber fragen: „Mädchen, was hast du dir eigentlich dabei gedacht?" Jetzt steht der Besucher des Parks vor einem stummen Grab in Guiyang und lernt, dass die Ärzte kamen, um zu helfen gegen die Japaner, und das einige von ihnen in diesem Versuch auch ihr Leben gelassen haben.

 
(Denkmal für Guy Courtney)

Emilie Cherlet